
In Sachsen bestanden im Jahr 2017 über 60 Neonazi-Objekte. Das geht aus den Antworten des Innenministeriums auf Kleine Anfragen des Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann (GRÜNE) sowie aus weiteren Recherchen hervor.
Laut Landesamt für Verfassungsschutz verfügte die neonazistische Szene in Sachsen im Jahr 2017 über 23 Objekte (Drs. 6/10837). Zehn davon befanden sich im Besitz von Neonazis, 13 waren gemietet oder gepachtet. Auf Nachfrage benannte der ehemalige Innenminister weitere elf Objekte und okkupierte öffentliche Flächen, die für den Verfassungsschutz von >>besonderer Relevanz<< waren (Drs. 6/11263). Hinzu kommen sieben Versandhandel, zwei davon mit Ladengeschäft (Drs. 6/11318). Aus Recherchen liegen weitere Erkenntnisse über eine zweitstellige Zahl weiterer Treffobjekte vor.
„Die rechte Szene in Sachsen ist groß und verfügt weiterhin über eine erhebliche Stärke“, erklärt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, zu den Erbnissen seiner Anfragen. „Dies liegt nicht zuletzt an einem umfassenden Geflecht an Immobilien − ob im Besitz befindlich, gemietet oder gepachtet – das sich über alle Landkreise des Freistaates erstreckt. Hinzu kommen einige informelle Treffobjekte.“
„Ich erwarte von Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller, dass er dieses Übel grundsätzlich anpackt. Eine Beratung von beispielsweise Gastronomen, wie sie frühzeitig Einmietungen von Neonazis, die oft als Privatfeiern getarnt werden, erkennen und wie sie ihr Hausrecht konsequent ausüben können, wäre ein wichtiger erster Schritt. Auch die Kommunikation mit betroffenen Kommunen und Landkreisen muss das Innenministerium verbessern und gemeinsam wirksame Handlungskonzepte entwickeln.“
„Die Immobilien dienen insbesondere der Durchführung von Konzerten, Liederabenden und Partys, jedoch auch der Vor- und Nachbereitung von politischen oder gewalttätigen Aktionen. Eintrittsgelder sorgen für nicht unerhebliche Einnahmen, die wieder zurück in die Nazi-Szene fließen. Musik ist zudem noch immer die erfolgreichste Einstiegsdroge für junge Menschen in den organisierten Neonazismus.“
„Ladengeschäfte, Versandhandel und Tattoostudios sorgen ebenso für Einnahmen, die wiederum für die Durchführung von Aktionen und die Herstellung von Propagandamaterial verausgabt werden. Dadurch, dass immer wieder Läden und Studios versuchen, öffentlich eher als unpolitisch wahrgenommen zu werden, gelingt eine zusätzliche Anbindung neuer Leute an die Szene“, warnt der Abgeordnete.
Weiterführende Informationen zu den Immobilien können Sie dem hier verlinkten PDF-Dokument entnehmen.
Hintergrund:
Sachsen gilt neben Thüringen als das Kernland neonazistischer Musikveranstaltungen. Der Abgeordnete Valentin Lippmann zählte in Sachsen im Jahr 2017 etwa 50 Konzerte, Liederabende oder anderweitige Veranstaltungen mit musikalischer Umrahmung. Hinzu kommen mindestens zehn sogenannte Zeitzeugenvorträge mit bis zu 300 Teilnehmern und mehrere Vortragsveranstaltungen. Der Grund für diese hohe Anzahl ist nicht zuletzt der großen Anzahl an Immobilien und Treffobjekten von Neonazis im Freistaat Sachsen geschuldet.
Erst kürzlich berichtete u.a. ENDSTATION RECHTS über eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner zu Immobilien der extremen Rechten im Bundesgebiet. Unter den 136 Immobilien in Deutschland befinden sich demnach lediglich 25 Objekte in Sachsen, bei denen Rechtsextreme über eine >>uneingeschränkte grundsätzliche Zugriffsmöglichkeit verfügen<<, sei es durch Eigentum, Miete, Pacht oder, so heißt es in der Antwort, ein >>Kenn- und Vertrauensverhältnis zum Objektverantwortlichen<<.
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