Debatte zur linksextremen Gewalt in Connewitz – Mehr Nüchternheit und Besonnenheit auf allen Seiten wäre ein Gewinn für alle und für die Grundwerte unseres Rechtsstaats

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (GRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion CDU: ‚Wer Polizisten angreift, greift uns alle an. Linksextreme Gewalt in Connewitz konsequent bekämpfen.‘
5. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 29. Januar, TOP 13
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die gewalttätigen Auseinandersetzungen haben viele Menschen zurecht erschüttert, nicht wenige empört und einen Großteil auch schlicht ratlos zurückgelassen.
Mich hat die bisherige Debatte zum Teil ratlos zurückgelassen.

Klar ist: Gewalt darf, Gewalt kann in einem Rechtsstaat nie gerechtfertigtes Mittel der politischen Auseinandersetzung sein.
Im Rechtsstaat liegt das Gewaltmonopol schon allein aufgrund seiner rechtlichen und theoretischen Ordnungsbegründung allein beim Staat und unterliegt keinesfalls dem Gutdünken Einzelner.
Von daher entzieht sich unsere gesellschaftliche Ordnung von vornherein jedweden, wie auch immer gearteten, Legitimationsversuchen von Gewalt. Das ist unverbrüchlicher Grundsatz des Rechtstaats.
Die Linie von uns BÜNDNISGRÜNE ist da ganz klar: es gibt keine politisch legitime Gewalt. Deshalb sind Gewaltexzesse, wie in der Connewitzer Silvesternacht oder bei der Demonstration vom letzten Wochenende klar abzulehnen und zu verurteilen.

Wir erleben in letzter Zeit immer wieder politisch motivierte Gewalttaten, bei denen man zu Recht hinterfragen muss, ob es da nicht schon längst nur noch um schlecht kaschierte Militanz unter dem Deckmantel von linksautonomer Folklore als Selbstzweck geht.
Wenn ausgerechnet eine Demonstration für Meinungsfreiheit Journalistinnen und Journalisten >>aufs Mauls hauen will<< oder sogar in Haltestellen ein Repressionspotenzial des autoritären Staates sieht, dem man sich durch Zerstörung entledigen muss, dann darf man zurecht fragen, ob das Zeichen ideologische Blödheit oder nur noch schlichter Gewaltfetisch geht.
Und deswegen gilt: derartige Gewaltexzesse und vor allem Angriffe gegen Polizistinnen und Polizisten und auf alle anderen Menschen sind entschieden durch die Sicherheitsbehörden zu verfolgen.

Werte Kolleginnen und Kollegen,

zur Wahrheit gehört leider auch: Seit dem 01. Januar frühmorgens dreht sich die Diskussion nicht mehr um den konkreten Sachverhalt.
Für sich genommen sind verletzte Polizistinnen und Polizisten und Personen schon schlimm genug.
Stellenweise tobt eine absurde Auseinandersetzung über die tatsächliche oder vermeintliche Reaktionen und Nichtreaktionen, letztlich also der Kampf um Deutungshoheit.

Vor diesem Hintergrund ist der Titel dieser Aktuellen Debatte zu hinterfragen. Die superlative Pars-pro-toto-Rhetorik, die hier an den Tag gelegt wird, ist angesichts der aktuellen Wahlkämpfe ganz nett, trifft aber nicht den Kern des Problems.
Gewalt ist stets ein Angriff auf unsere Grundwerte ist, egal durch wen und egal gegen wen sie ausgeübt wird. Das ist unverbrüchlicher Bestandteil des Rechtsstaats.

Werte Kolleginnen und Kollegen,

wir sollten uns gerade in diesen emotional aufgeladenen Debatten auf die Selbstverständlichkeiten von Rechtsstaatlichkeit verlassen können:

Dazu gehört 1., dass Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele keine Legitimation erfahren darf. Es ist die Aufgabe aller Verantwortlichen in der Politik dies deutlich zu machen.
Aufgabe von Polizei und Justiz ist es mit entschiedener Klarheit, aber auch der notwendigen Gründlichkeit und Besonnenheit entsprechende Straftaten aufzuklären und zu verfolgen.

Dazu gehört 2. auch, dass es die Stärke des Rechtsstaats ausmacht, dass er auch in schwierigen Einsatzsituationen nicht über die Rechtsfertigung seiner Handlungen erhaben ist.
Es ist legitim, auch schwierige Polizeieinsätze zu hinterfragen. Das ist Teil öffentlicher Kontrolle staatlichen Handelns und bedeutet mitnichten, dass man sich dadurch per se mit Gewalttätern gemein macht.
Es muss möglich sein, polizeiliches Handeln zu hinterfragen, ohne gleich der Solidarität mit Gewalttätern bezichtigt zu werden. Sowas galt mal als die große Tugend des Rechtsstaates – darauf gilt es sich wieder zu besinnen.

3. Bei aller Zurückhaltung: Nicht jeder Superlativ ist geeignet, tatsächliche Problemlagen und Ereignisse hinreichend präzise zu beschreiben.
Mich treibt die Sorge um, dass uns irgendwann einmal die Begrifflichkeiten ausgehen, mit denen wir schrecklichste Ereignisse noch fassen können, weil irgendwann alles in einer Melange aus Terror, schlimmsten Straftaten und Ausnahmezuständen verschwimmt.
Dabei lebt das Vertrauen in die Institutionen unseres Rechtsstaates nicht von der Rhetorik des Ausnahmezustandes, sondern davon, zu sagen, was ist und nicht zu proklamieren, was gerade passt.

Mehr Nüchternheit und Besonnenheit auf allen Seiten wäre daher ein Gewinn für alle und für die Grundwerte unseres Rechtsstaats und auch für diese Aktuelle Debatte.

Vielen Dank!

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