Foto: Grüne Fraktion Sachsen

Herr Innenminister, Sie haben sich an die Spitze dieser Posse gestellt.

– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,

das Wichtigste aus unserem Antrag will ich gleich mal vorwegnehmen und ich hoffe, dass Sie dieser Aussage alle zustimmen können:

Wir GRÜNEN – und ich hoffe, jeder hier in diesem hohen Hause – stehen für ein freizügiges Europa und für ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zu Polen und Tschechien. Sachsen ist mit der Osterweiterung Europas vom Rand in die Mitte der Europäischen Gemeinschaft gerückt.

Meine Damen und Herren von der CDU, Herr Innenminister: Das ist ein Privileg! Verstehen Sie Sachsen endlich als Herz Europas! Und handeln Sie auch entsprechend. Der Ministerpräsident hat es ja heute morgen auch nochmal deutlich gemacht.  Leider haben wir von Teilen der CDU und auch vom Innenminister das Gegenteil gehört.

Wir konnten Anfang Juni kurz nach dem G7-Gipfel – mal wieder – vernehmen, dass CDU-Politiker aus Sachsen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu unseren Nachbarn forderten.

Allen voran der Abgeordnete für das Europa(!)-Parlament Winkler, Bundestagsabgeordnete und Kollegen hier aus unseren Reihen.

Offensichtlich waren die Herren beeindruckt, in welchem Umfang die Polizei bei den kurzfristig eingeführten Kontrollen rund um den G7-Gipfel, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufdecken konnte. Die genauen Zahlen kennen wir nicht – wir erhoffen uns Klarheit mit unserem Antrag – aber nach Zeitungsberichten sollen 900 sächsischen Polizeibedienstete in zwei Wochen 34.000 PKW und 110.000 Personen ohne Anlass kontrolliert und dabei 550 Straftaten festgestellt haben.

Man hätte die Forderung nach Wiedereinführung von Grenzkontrollen als platte kleine Wahlkreispolitik im grenznahen Raum oder politische Profilierungsnot ad acta legen können.

Nicht so der Innenminister. Und das nehme ich Ihnen wirklich übel. Sie haben sich ebenfalls auf die Bühne dieses Provinztheaters begeben und – zusammen mit Bayern – gefordert, dass Sachsens und Deutschlands Grenzen wieder stärker kontrolliert werden sollten und man sich für eine Ausweitung der Ausnahmeregelung nach dem Schengen-Abkommen einsetze. Sie haben sich an die Spitze dieser Posse gestellt.

Sie haben ja auch gesehen, aus welch zweifelhaften Lagern Ihre Vorschläge gut geheißen worden. Spätestens dann wäre mir die Sache peinlich gewesen Herr Minister.

Es kam natürlich, wie es kommen musste, der als Tiger gestartete Vorstoß Sachsens und Bayerns endete als Bettvorleger in der Innenministerkonferenz. Die Innenministerkonferenz sprach sich mehrheitlich gegen die Einführung einer bundesweiten Schleierfahndung aus, der Möglichkeit also für die Polizei, anlasslose Personenkontrollen im grenznahen Raum durchzuführen.

Herr Ulbig, bemerkenswert fand ich Ihre Feststellung, dass es sich bei den Fahndungstreffern anlässlich der wiedereingeführten Grenzkontrollen um den G7-Gipfel nicht selten um sog. Kontrolldelikte handele.1

Ja – Guten Morgen – natürlich stellt die Polizei mehr Straftaten fest, wenn sie mehr kontrolliert. Das gilt übrigens bei allen Straftaten unabhängig von Grenzkontrollen.

Aber wenn man mehr kontrollieren will, braucht mehr Personal, das kontrolliert. Und damit kommen wir zum eigentlichen Kern des Problems.

Unser Antrag möchte drei Dinge:

1. Ein klares Bekenntnis zu einem freizügigen Europa. Wir erwarten, dass man sich hinter die europäische Idee stellt und nicht kleingeistig agiert.

2.  Eine saubere Analyse des vermeintlichen Vorteils der Grenzkontrollen. Die Zahlen sind schnell in den Raum geworfen. Aber was heißen sie denn. Sind es vielleicht nicht viel eher Mitnahmeeffekte? Wie verhalten sich die Zahlen zu den sonst aufgeklärten Straftaten. Kann es vielleicht sein, dass die Gesamtzahl in Sachsen im Zeitraum der Grenzkontrollen gar nicht so viel höher war? Lassen Sie und vielleicht erstmal unsere Hausaufgaben machen, bevor in das Horn des kleinstaaterischen Populismus gestoßen wird.

3. Wir erwarten jetzt endlich mal die Analyse des 15 Punkte-Programmes der Staatsregierung zur Kompensation des Wegfalls der Schengengrenzen.

Sachsen baut seit Jahren Personal bei der Polizei ab. Seit 2008 betraf es ca. 1.000 Stellen bei der Landespolizei. Im gleichen Zeitraum wurden auch bei den Behörden der Bundespolizei in Sachsen über 1.000 Stellen abgebaut. Wir GRÜNEN reden uns seit Jahren den Mund fusselig, dass dieser Stellenabbau mit einem Rückgang des Fahndungsdrucks einhergeht. Wir haben deshalb bereits 2013 gefordert, dass der Innenminister die für 2013 angekündigten Evaluierungsergebnisse zum 15-Punkte- vorlegt. Wir wurden damals vertröstet. Die Evaluation werde wegen der Polizeireform auf das Jahr 2015 verschoben.

Wir schreiben das Jahr 2015 – ein Bericht liegt uns nicht vor. Soll die Evaluation wieder verschoben werden? Diesmal mit der Begründung, derzeit arbeite eine Kommission an der Überprüfung der Organisation der Polizei und der Personalausstattung?

Mich würde interessieren, zu welchem Ergebnis diese Evaluation kommt. Wie wirken sich Stellenabbau und Revierschließungen in den grenznahen Regionen aus? In welchem Umfang wird von der Möglichkeit der anlasslosen Personenkontrollen nach § 19 Abs. 1 Nr. 5 Sächsisches Polizeigesetz Gebrauch gemacht? Wir wird der Fahndungsschleier im grenznahen Raum intensiviert? Dies alles sind Maßnahmen, die zu treffen Sie 2009 dem Landtag versprochen haben. Maßnahmen, die Sie ohne die Hilfe Bayerns und ohne Aufweichung des Schengen-Abkommens treffen könnten, um den Fahndungsdruck zu erhöhen. Lassen Sie uns doch erst einmal über das bestehende reden. Voraussetzung wäre allerdings, Herr Innenminister, dass Sie die Polizei personell besser ausstatten.

Unsere Forderungen an Sie Herr Innenminister und Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist schlicht: Bekennen Sie sich zu einem freizügigen Europa ohne Grenzkontrollen anstatt sich in populistischen Forderungen nach Verschärfung der Grenzkontrollen zu ergehen. Hören Sie auf, Ihr Versagen in der Sicherheitspolitik auf dem Rücken der europäischen Idee auszutragen.

Vielen Dank!

17. Sitzung des Sächsischen Landtags, 9. Juli 2015, TOP 8

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