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Ich habe zunehmend das Gefühl, dass bei der AfD-Fraktion gilt: Populistische Überschrift und dann ist doch die Forderung egal

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren von der AfD,

hier haben wir den nächsten Antrag der AfD, der inhaltlicher Unsinn ist, von Unkenntnis zeugt und lediglich dazu dient, dass die AfD die Mär der vermeintlichen Sachpolitik erzählen kann, die von den so genannten etablierten Parteien abgelehnt wird.

Das Problem, was Sie immer nicht nach draußen kommunizieren, ist: ihre Anträge sind keine Sachpolitik sondern, wie auch dieser, schlichter Unsinn. Vielleicht sollten Sie nicht immer nur die Überschrift verkaufen, sondern sich einmal überlegen, ob die Forderung sinnvoll ist. Ich habe zunehmend das Gefühl, dass bei Ihnen gilt: Populistische Überschrift und dann ist doch die Forderung egal.

Der Antrag zeugt von Unkenntnis der Realität:
Sie haben weder eine Ahnung davon, wie viele Polizeibedienstete in diesem Jahr in den Ruhestand gehen, noch wissen Sie, wie viele von denen willens und in der Lage sind, ihren Ruhestand um ein bis drei Jahre hinauszuschieben. Sind es 5, sind es 50, sind es 500? Haben Sie dazu einmal eine Kleine Anfrage gestellt? Haben Sie die Staatsregierung um Auskunft darüber gebeten, inwieweit von dem Instrument des § 47 Beamtengesetz bereits in welchen Bereichen Gebrauch gemacht wurde?

Der Antrag zeugt von Unkenntnis des Beamtenrechtes:
Herr Wippel, rudimentäre Kenntnisse des Beamtenrechtes dürfte man Ihnen als Polizist ja unterstellen. Dann werfen wir mal einen Blick in den § 47 Beamtengesetz: „Wenn es im dienstlichen Interesse liegt, kann die Stelle, die für die Ernennung zuständig wäre, mit Zustimmung des Beamten oder auf Antrag des Beamten den Eintritt in den Ruhestand für eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr und insgesamt drei Jahre nicht übersteigen darf, hinausschieben.“

Ihre Forderung ist in diesem Zusammenhang vollkommen unbestimmt.
Wollen Sie jetzt, dass der Dienstherr pauschal alle Anträge auf Verlängerung eines Beamten genehmigt? Dann wäre es aber sinnvoll zu wissen, wie ich bereits sagte, wie viele solcher Anträge überhaupt vorlagen und ob da bisher überhaupt welche abgelehnt worden sind.

Oder wollen Sie jetzt, dass die Staatsregierung hingeht und allen Polizeibedienteten den Ruhestandseintritt pauschal hinausschiebt. Also quasi die Beamten zwangsweiterbeschäftigt? Da muss der Beamte dann zwar nicht die Zustimmung erteilen. Zu Begeisterungsstürmen wird es wohl nicht bei allen führen. Sie können den Beamten ja nur bedingt finanzielle Anreize bieten, warum sollten also die Beamten, die das bisher nicht beantragt haben, dann bitte plötzlich weiter arbeiten wollen?

Und was heißt das praktisch? Wollen Sie den bedingt streifendiensttauglichen Beamten, deren Zahl mit dem Alter zunimmt, den Ruhestandseintritt verzögern, damit dieser Abschiebungen unterstützt? Wollen Sie bedingt streifendiensttaugliche Beamte im Innendienst behalten, damit diese dann die Versetzungsstellen für andere blockieren?

Und: Wieso soll eigentlich nur die Polizei länger arbeiten?
Wieso nicht die Finanzbediensteten, die jetzt – gerade im SIB – bis zur Belastungsgrenze arbeiten, um die Flüchtlinge unterzubringen? Wieso nicht die Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde, die unter den gleichen personellen Voraussetzungen früher 500 Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung betreuen mussten und heute knapp 9.000?

Ich weiß, warum Sie keine dieser Fragen beantworten: Weil es Ihnen nicht um konstruktive Lösungen geht, sondern nur darum, ihren intellektuell ganz tiefen Populismus der mangelnden Abschiebungen zu promoten.

Überdies zeigt sich: Sie haben keine Ahnung, wie viele Asylbewerber in Sachsen derzeit überhaupt abgeschoben werden müssen.

Sie operieren hier mit der Zahl 4.500. Woher Sie diese Zahl haben, ist mir schleierhaft. Aus der Kleinen Anfrage ihres Fraktionsmitglieds Andre Barth konnte man entnehmen, dass die genannte Zahl von 5.654 ausreisepflichtigen Personen mindestens 2.266 geduldete Personen sowie auch solche Personen umfasst, die bereits ausgereist sind oder mittlerweile über ein Bleiberecht verfügen.

Nicht zuletzt kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass Sie, wenn ich mal Ihren Äußerungen in Pressemitteilungen und in diesem hohen Hause folge, die Beamten, die Sie hier gewinnen wollen, schon für andere Aufgaben verplant haben müssten.
Die sollen ja auch die Unterstützung bei der Grenzsicherung vornehmen, Versammlungen schützen, Grenzkriminalität verhindern, – ganz perfide – die Bürger vor Flüchtlingen schützen und nun also auch mehr Leute abschieben.

Ähnlich, wie ich einen Euro nur einmal ausgeben kann, bzw. bei ihnen eine D-Mark, kann ich nicht den Polizisten an zwei Orten gleichzeitig einsetzen. Es sei denn, wir stellen katholische Heilige ein, denen ich aber unterstelle, sich nicht an Abschiebungen beteiligen zu wollen. Kurzum: Der Antrag ist eine Mischung aus Populismus und Wünsch-Dir-Was.

20. Sitzung des Sächsischen Landtags, 17. September 2015, TOP 8

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