NoCAMnitz am 15.08.2018

Sicherlich gibt es einen Schleichweg ins All-In Bürgerhaus in Chemnitz. Wenn man den aber nicht kennt und sich vom Bahnhof direkt dahin begibt, läuft man über die mit zahlreichen Hochleistungskameras überwachte Zentralhaltestelle. Insgesamt 31 solcher Kameras mit mehreren Objektiven sollen demnächst das Chemnitzer Stadtzentrum überwachen. Ein Videoüberwachungsprojekt in Sachsen, was seinesgleichen sucht und im Herbst beginnen soll.

Dies war Anlass für die GRÜNE Landtagsfraktion mit den Chemnitzer Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Am 15. August 2018 folgten der Einladung zur Podiumsdiskussion ins All-In Bürgerhaus knapp 50 Interessierte und diskutierten die Frage „Garantieren Videokameras in Chemnitz mehr Sicherheit?“. Auf dem Podium saßen der innenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Valentin Lippmann, der Leiter des Technischen Service der Chemnitzer Verkehrsbetriebe, David Joram, und der Ordnungsbürgermeister der Stadt, Miko Runkel. Moderiert wurde die Diskussion von Christin Furtenbacher, GRÜNE Stadträtin im Chemnitzer Stadtrat.

Die GRÜNE Stadtrats- und Landtagsfraktion hatte sich bereits im Mai klar gegen einen solchen umfassenden Ausbau der Videoüberwachung in Chemnitz positioniert. Valentin Lippmann machte zu Anfang deutlich, dass eine solche Überwachung nicht mehr Sicherheit schafft und sie Straftaten nicht verhindert sondern allenfalls verdrängt. Jede Straftat, die auf einem Kameramitschnitt zu sehen sei, sei der Beweis dafür. Man solle schon so ehrlich sein, dies den Menschen auch zu sagen. Hunderte Personen täglich ohne Anlass filmen und zu beobachten, sei vor dem Hintergrund eines geringen oder keines Effekts für die Sicherheit unverhältnismäßig. Viel wichtiger sei es, mit Personal präsent vor Ort zu sein. Damit werden Straftaten tatsächlich verhindert.

Der Ordnungsbürgermeister räumte ein, auch er habe anfangs ein solches Projekt abgelehnt. Er habe sich aber in den Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern und vor dem Hintergrund etlicher Vorfälle und gehäufter Straftaten im Stadtzentrum überzeugen lassen. Nun habe das Projekt vier Partner: die Stadt, die Verkehrsbetriebe, die Polizei und die Stadthallenbetreiber C3, die jeweils Zugriff auf Aufnahmen von Flächen in ihrem Zuständigkeitsbereich haben.

David Joram von den Verkehrsbetrieben führte in die technischen Details ein und erklärte auch den Ablauf. Grundsätzlich werde kein Mensch hinter den Kameras sitzen und beobachten. Man werde sich die Live-Bilder erst bei einem Notruf ansehen und dann entscheiden, ob man die Polizei informiere oder welche Maßnahmen man treffe. Die Polizei könne auf alle Kameras zugreifen. Die Aufnahmen werden 10 Tage gespeichert und seien von einer Qualität, die eine Gerichtsverwertbarkeit gewährleisten. Die Aufnahmen sollen für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von der Stadt und der Polizei genutzt werden. Diese Aussage ließ Valentin Lippmann hellhörig werden, da ihm das Innenministerium mitgeteilt hatte, die Maßnahme werde auf eine Rechtsgrundlage zur Gefahrenabwehr gestützt. Dies setzt aber voraus, dass sich die Polizei auch die Bilder live ansieht, damit sie im Fall des Falles auch reagieren könne.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer brachten sich schon während der Diskussion im Podium mit Zwischenrufen und Fragen ein und nutzen die sich anschließende offene Diskussion um ihre Fragen und eigenen Positionen anzubringen. Die beiden Vertreter des Projekts wurden zu Fragen der technischen Umsetzung und zu sonstigen Sicherheitskonzepten gelöchert. Und auch die GRÜNEN mussten sich die Frage gefallen lassen, ob sie Täter- über Opferschutz stellen wollen. „Natürlich nicht“, sagte Valentin Lippmann und bot eine Lösung des Problems an: Mehr Polizei und Stadtsicherheitsdienst vor Ort. Die könnten mit eigenen Augen sehen und sofort eingreifen. Dass dies natürlich besser sei als eine Videoüberwachung musste auch der Rest des Podiums einräumen. Ein Zuhörer hat das Ergebnis der Diskussion treffend zusammengefasst: „Wenn der Nutzen für die Sicherheit nicht da ist, dann ist auch der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch die Videoüberwachung nicht gerechtfertigt.“ Und ein weiterer richtete an die Adresse des Ordnungsbürgermeisters: „Sie bestätigen die Menschen darin, Angst zu haben. Das ist fatal.“

Wir GRÜNEN hoffen, dass die Stadt das Projekt in diesem Ausmaß beendet und die Videoüberwachung der Innenstadt nicht beginnt. Die Diskussion zeigte deutlich, dass es mehr Einwände und auch die besseren Argumente gegen eine solch umfassende Überwachung gibt, als die Akteure bislang wohl annahmen.

Pressemitteilungen:

Videoüberwachung von Chemnitzer Stadtzentrum: Einmaliges Vorhaben, das schwer in Grundrechte eingreift (18.05.2018)

Die Auswahl sogenannter ‚gefährlicher Orte‘ in Sachsen durch die Polizei ist vollkommen willkürlich

Verwandte Artikel