Terrorgruppe Freital – Hiobsbotschaften zur „Terrorgruppe Freital“ führen zu massivem Vertrauensverlust in sächsische Sicherheitsbehörden

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

man fragt sich dieser Tage, ob man bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe nicht eigentlich mittlerweile im Dreieck springt angesichts der brillanten Kommunikations- und Ermittlungsleistung sächsischer Behörden im Komplex rund um die „Terrorgruppe Freital“, die uns wöchentlich offenbart werden und nun möglicherweise einen großen Prozess gegen Rechtterroristen erheblich ins Wanken bringen kann.

Wenn der Anlass dieses Antrages nicht so schwerwiegend wäre, könnte man daher meinen, die sächsischen Sicherheitsbehörden würden exzellente Protagonisten in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ abgeben. Nur allein die wöchentlichen Hiobsbotschaften rund um die „Terrorgruppe Freital“ sind leider nicht unterhaltsam, sondern führen zu einem weiteren massiven Vertrauensverlust in die sächsischen Sicherheitsbehörden.
Einen Vertrauensverlust, den wir mit diesem Antrag entgegentreten wollen. Denn, was im Frühjahr noch als großer Schlag gegen den Rechten Terror in Sachsen propagiert wurde, entwickelt sich zunehmend zu einer peinlichen und skandalösen Pannenserie der sächsischen Sicherheitsbehörden.

Ja! Im Normalfall hätte man diesen Antrag auch im Innenausschuss behandeln können, weil er eine Vielzahl von Detailfragen insbesondere zu den jüngeren Ereignissen enthält. Aber die derzeitige Informationspolitik der Staatsregierung kann und darf man sich als gesamtes Parlament nicht bieten lassen. Da nützen dann keine nicht-öffentliche Ausschusssitzungen mehr, da braucht es eine öffentliche Debatte zur dieser desaströsen Informationspolitik der Staatsregierung, die sie derzeit an den Tag legt, da braucht es den Druck des ganzen Hauses, den wir mit diesem Antrag forcieren wollen.

Meine Damen und Herren,

je mehr über die Terrorgruppe Freital, deren Taten und die diesbezüglichen Ermittlungen ans Tageslicht kommt, umso klarer wird, wie viel dort offenbar von Anfang an im Argen lag:

1. Die Polizei hätte nach heutigen Erkenntnissen möglicherweise die schwerste Straftat der Gruppe – ein immerhin mittlerweile durch den Generalbundesanwalt als versuchter Mord in vier Fällen bewerteter Sprengstoffanschlag auf eine Asylunterkunft in Freital – verhindern können, wenn man nur eins und eins rechtzeitig zusammengezählt hätte.
Gegen Mitglieder der Gruppe lief eine Telekommunikationsüberwachung, man war faktisch dabei, als diese den Angriff auf ein linkes Wohnprojekt in Dresden plante und hörte nur nicht live mit. Angeblich, weil man keine Anhaltspunkte für Straftaten hatte. Der blanke Hohn in Anbetracht dessen, dass bereits seit September offensichtlich einen Prüfvorgang eingeleitet wurde, ob es in Freital eine rechts-terroristische Vereinigung gibt und umfassende Ermittlungen dazu durchgeführt wurden.

Dann taucht auch noch ein ominöser Zeuge – am, wie wir jetzt wissen 20. Oktober, fast zwei Wochen vor der nächsten Tat der Gruppe – auf und packt aus – nennt Namen, Strukturen und legt Teile der Chatprotokolle vor. Spätestens dann nimmt man doch an, dass alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um weitere Straftaten zu verhindern und die Gruppe zu zerschlagen. Nur allein man hat abgewartet.

Ich kann nur konstatieren, wir hatten Glück. Glück, dass es nicht schlimmer gekommen ist und es beim Versuch blieb. Sonst würden wir heute über ein ganz anderes Ausmaß reden. Schon bei der originären Aufgabe der Gefahrenabwehr ging offenbar einiges schief – so auch die Erkenntnis der ersten Sonderausschusssitzung des Verfassung- und Rechtsausschuss dazu im April dieses Jahres.
Dort hatte man uns aber offenbar nicht die volle Wahrheit erzählt. Denn:

2. Anstatt alle Fakten auf den Tisch zu legen, verheimlichte man – trotz dessen, dass die Frage möglicher Verbindungen zum Verfassungsschutz umfassend Thema in dieser Sondersitzung war –  dem Ausschuss, dass der Verfassungsschutz sehr wohl Kontakt zu jenem ominösen, gleichwohl sehr entscheidenden, Zeugen hatte.

Es folgt Sonderausschusssitzung Nummer zwei zu diesem Thema. Informationsmehrwert nahezu null außer, dass wir jetzt wissen, dass es offenbar doch Kontakte zum Verfassungsschutz gab. Die Fragen werden eher mehr als weniger. Und vor allem steht die Frage im Raum, warum man die Infos über die Kontakte mit dem Zeugen nicht bereits im April informiert hatte – wollte man dem Landtag etwa nicht die volle Wahrheit sagen? Was gibt es hier noch mehr zu verbergen?

Die Angaben der Polizei zum Zeugen weichen dann auch noch ab. Ein großes deutsches Nachrichtenmagazin wird implizit durch die Sicherheitsbehörden der Lügen bezichtigt. Alles gut und alles schön aus Sicht der Koalition, nur offenbar leider nicht die Wahrheit und vor allem längst nicht alles.
Denn neben dem Umstand, dass die Polizei wesentliche Aussagen zum Erscheinen des ominösen Zeugen im Nachgang der Ausschusssitzung korrigieren muss, folgt sogleich die dritte Nachricht, die dem Fass den Boden ausschlägt.

3. Die Kontakte einen Bereitschaftspolizisten zur Gruppe Freital werden vor zwei Wochen bekannt. Auch dazu hatte man den Landtag nicht informiert – wohl aus guten Gründen. Denn das, was jetzt im Raum steht, gefährdet nachhaltig den Strafprozess. Hatte die Gruppe Freital Unterstützung durch einen Polizisten? Gab es eine gezielte Informationsweitergabe?

Meine Damen und Herren,

das ist ein Skandal aller erster Güte! Aber anstatt dies alles sofort und umfassend aufzuklären, wird weiter rumlaviert. Es wird sich in Widersprüche verstrickt. Es wird weiter so getan, als wären die Ermittlungen gegen die Terrorgruppe Freital das non plus ultra gewesen.
Dabei ist mittlerweile klar, dass man auch hier bestenfalls schlampig gearbeitet hat. Oder warum ist offenbar die Strafanzeige gegen den Polizisten nicht unmittelbar nach der ersten Aussage zu den möglichen Verbindungen gestellt worden? Mittlerweile glaube ich der Staatsregierung im Zusammenhang mit der „Gruppe Freital“ kein einziges Wort mehr. Hier tut umfassende uns schonungslose Aufklärung mehr als Not!

Eine Polizei, die nichts hörte, eine Staatsanwaltschaft, die die Schwere der Straftaten nicht sehen wollte und eine Staatsregierung, die dem Parlament dazu nichts sagen will. Nie war das Bildnis der drei Affen wohl passender als beim Behördenversagen im Komplex Freital. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. So darf es nicht weitergehen!
Es ist jetzt an der Zeit, endlich mal reinen Tisch zu machen und dieses Haus vor neuen Hiobsbotschaften zu bewahren. Es ist doch kein hinnehmbarer Zustand, wenn die Abgeordneten des Landtages offenbar den SPIEGEL oder die ZEIT abonnieren müssen, damit sie rudimentäre Informationen über das erhalten, wozu sich die Staatsregierung offenbar beredet ausschweigt.

Man kann das alles als ‚Kleinscheiss‘ abtun und Detailfragen, hätten wir uns nicht alle nach dem NSU versprochen, dass es ein Behördenversagen beim Kampf gegen Rechtsterror nicht noch einmal geben darf.
Wir waren bei Freital aber nahe daran, genau dies erneut zu tun. Und anstatt dies zuzugeben und einzugestehen und aus den Fehlern zu lernen, wird mit der Wahrheit offenbar hinterm Berg gehalten. Werte Mitglieder der SPD-Fraktion, führende Protagonisten ihrer Partei fordern gerade eine bessere Fehlerkultur im Freistaat – vor allem bei den Sicherheitsbehörden. Fangen Sie mal bei diesem eklatanten Behördenversagen in Freital an, es wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Werter Herr Innenminister, werter Herr Justizminister,
legen Sie endlich die Karten auf den Tisch und beenden Sie dieses Nebelkerzenwerfen. Ihre Salami-Taktik bringt Sachsen weiter in Verruf. Das muss endlich ein Ende haben.

Und Werte Kolleginnen und Kollegen,
stimmen Sie unserem Antrag zu, damit diese Staatsregierung endlich mal merkt, dass man mit einem Parlament so nicht umgehen kann. Ich habe keine Lust auf die nächste Sonderausschusssitzung, weil wieder neue Infos in der Presse stehen. Lassen Sie uns die Staatsregierung dazu bringen, endlich reinen Tisch zu machen

Vielen Dank!

Rede zum Antrag der Fraktion GRÜNE: „Unverzügliche umfassende Aufklärung der Verbindungen der sächsischen Polizei und anderer Behörden zu Mitgliedern oder Unterstützern der sog. ‘Terrorgruppe Freital‘ und möglicher anderer Versäumnisse sächsischer Behörden bei den Ermittlungen der rechtsextremen Strukturen in Freital und Umgebung“ (6/7230)
45. Sitzung des Sächsischen Landtags, 13. Dezember 2016, TOP 12

Unverzügliche umfassende Aufklärung der Verbindungen der sächsischen Polizei und anderer Behörden zu Mitgliedern oder Unterstützern der sog. ‘Terrorgruppe Freital‘ und möglicher anderer Versäumnisse sächsischer Behörden bei den Ermittlungen der rechtsextremen Strukturen in Freital und Umgebung“ (6/7230)

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