Zum Versammlungsverbot in Heidenau

Die Gründe für das Versammlungsverbot in Heidenau vom 28. bis 31. August 2015 sind noch substanzloser als vermutet. Das geht aus der Stellungnahme der Staatsregierung auf einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag hervor.
„Keine nennenswerten Sportveranstaltungen, 11 angemeldete Demonstrationen/Infostände mit geschätzt insgesamt 2.000 Teilnehmern und mehrere zu schützende Flüchtlingsunterkünfte – mehr braucht es derzeit nicht, um in Sachsen einen polizeilichen Notstand herbeizuführen. Das ist eine Bankrotterklärung von Innenminister Markus Ulbig (CDU) und für die Stellenabbaupolitik der Staatsregierung“, resümiert Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der GRÜNEN-Fraktion.

„Nach den massiven Ausschreitungen in Heidenau in der Woche zuvor hat die Polizei offensichtlich beim Kräfteansatz nach dem Motto ‚Das Gegenteil vom letzten Mal‘ agiert. Grundlage für das drei Tage währende Versammlungsverbot waren eine unklare Gefahrenprognose der Polizei und eine unrealistische Einschätzung der zur Verfügung stehenden Kräfte.

„Wenn die Polizei mit weniger als der Hälfte der berechneten Polizeibeamten alle Versammlungen am besagten Wochenende ohne Probleme abdecken kann, kann entweder die Gefahrenprognose oder der unterstellte notwendige Kräfteansatz nicht stimmen. Wer ein Versammlungsverbot auf derart tönerne Füße stellt, verkennt den hohen Wert der Versammlungsfreiheit“, sagt Lippmann.

„Zudem wird deutlich, dass die Verlegung der Demonstrationen am 28. August offensichtlich nur mit den Akteuren von ‚Dresden Nazifrei‘ besprochen wurde. Die ausländerfeindliche Bürgerinitiative Heidenau, aus deren Reihe in der Woche zuvor gewalttätige Ausschreitungen gegen Polizei und Flüchtlinge ausgingen, wurde offenbar nicht als Störer wahrgenommen, die man hätte beauflagen können.“

„Bedauerlicherweise geht der Innenminister mit keinem Wort auf die gestellte Frage ein, wie künftig das Recht der Versammlungsfreiheit in Sachsen gewahrt werden kann. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wird damit wohl zur bedrohten Spezies. Wenn Markus Ulbig nicht endlich Maßnahmen ergreift, um die Versammlungsfreiheit nachhaltig zu sichern, wird dies definitiv nicht das letzte Versammlungsverbot gewesen sein.“

Der GRÜNE Antrag: „Versammlungsfreiheit schützen – Gründe für das Demonstrationsverbot vom 28. bis 31. August 2015 in Heidenau vollständig offenlegen“ (Drs. 6/2585)
Stellungnahme der Staatsregierung

Der GRÜNE Antrag „Nach den gewalttätigen Ausschreitungen Rechtsextremer in Heidenau – Flüchtlinge schützen, Gewaltmonopol des Staates wieder sicherstellen“ (Drs. 6/2557)

Hintergrund:

Für Freitag, 28. August 2015, waren in ganz Sachsen insgesamt fünf Versammlungen mit insgesamt 731 geschätzten Teilnehmern angemeldet. Davon zwei unterschiedlicher Lager mit geschätzten 600 Teilnehmern in Heidenau. Zur Absicherung dieser Versammlungen schätzte die Polizeidirektion Dresden den Bedarf an Einsatzeinheiten auf zehn Einsatzhundertschaften. In Sachsen standen an diesem Tag nach Einschätzung der Polizei vom 27. August 2015 jedoch nur zwei Hundertschaften zur Verfügung. Tatsächlich konnten an diesem Tag doch noch fünf Hundertschaften und ein Zug mobilisiert werden und das Demonstrationsgeschehen abgesichert werden.

Für Samstag, 29. August 2015, waren in Sachsen fünf Versammlungen mit insgesamt 1.376 geschätzten Teilnehmern angemeldet. Die Gefahr des Aufeinandertreffens unterschiedlicher Lager bestand an diesem Tag nicht. In Heidenau waren lediglich 200 Teilnehmer angemeldet. Gleichwohl schätzte die Polizeidirektion den Bedarf an Einsatzeinheiten an diesem Tag auf 18 Hundertschaften. Zur Verfügung hätten nur drei Hundertschaften und ein Zug gestanden. Tatsächlich waren an diesem Tag rund 5.000 Teilnehmer bei der Demonstration von Dresden Nazifrei und es konnten sieben Hundertschaften und ein Zug Bundespolizei mobilisiert werden.

Am Sonntag, 30. August 2015, war ein Infostand der AfD in Chemnitz mit drei bis sechs Personen angemeldet. Für diesen Tag lag der errechnete Bedarf der Einsatzhundertschaften bei 16.

Bei den schweren Ausschreitungen in Heidenau am 21. und 22. August waren 140 bzw. 150 Polizeibeamte vor Ort.

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