– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wenn das Sprichwort „Was lange währt, wird gut“ richtig wäre, dann würde sich der Landtag heute eine der besten und fortschrittlichsten Geschäftsordnungen aller Zeiten geben. Fast anderthalb Monate nach seiner Konstituierung und zweieinhalb Monate nach der Landtagswahl gibt sich heute der Sächsische Landtag endlich eine neue Geschäftsordnung.
Fakt ist, dass wir die Geschäftsordnung für diese Legislatur erst jetzt beschließen, ist nicht umfassenden Verhandlungen über selbige geschuldet, sondern die Folge, dass in der absoluten Verkehrung der Rollen von Regierung und Parlament die Arbeitsfähigkeit des Parlaments der Bildung einer Staatsregierung untergeordnet wurde. Es ist und bleibt ein nahezu einmaliger Vorgang, dass der Sächsische Landtag durch das Unvermögen von CDU und SPD rechtzeitig eine mit allen Fraktionen ernsthaft diskutierte Geschäftsordnung einzubringen, in einen faktischen Stand-By-Modus versetzt wurde. Nicht nur, dass die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes massiv gelitten hat. Die Debatten und Probleme der letzten Wochen haben das Gefühl hinterlassen, dass sich die Koalition offensichtlich der Folgen ihrer Absetzung der Geschäftsordnung von der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung in den konkreten Folgewirkungen nicht bewusst war. Dies wird nicht zuletzt anhand der Vielzahl rechtlicher Fragestellungen in den letzten Wochen deutlich.
Wir haben am 29. September der übergangsweisen Anwendung der Geschäftsordnung der 5. Legislatur zugestimmt, in der Hoffnung, dass in der neuen Geschäftsordnung Fortschritte hinsichtlich der Transparenz und der Belebung der Debatten im Landtag erzielt werden können.
Heute können wir konstatierten: Ja, diese Geschäftsordnung ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Geschäftsordnung der 5. Legislatur. Es ist gelungen, den Landtag zu stärken und neue Instrumente in die Tagesordnung des Plenums einzufügen, die zukünftig hoffentlich eine weitere Belebung des Parlamentsbetriebes zur Folge haben.
Wir begrüßen ausdrücklich die Einführung einer tatsächlichen Regierungsbefragung, die sich von den langatmigen Frage-Antwort-Runden der bisherigen Fragestunde abheben soll und die den Landtag als Kontrollorgan der Staatsregierung stärken wird. Auch wenn wir uns in dieser Frage noch mehr hätten vorstellen können, ist dies definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Einführung des von uns geforderten Prioritätenantrages ermöglicht zukünftig, dass die starre Abfolge der Antragsbehandlungen nach der Stärke der Fraktionen aufgebrochen wird und auch wichtige Themen kleinerer Fraktionen zu einer öffentlichkeitswirksameren Zeit behandelt werden können -. auch dies könnte zu einer Belebung der Plenarsitzungen führen.
Wir begrüßen als GRÜNE auch ausdrücklich, dass das Fragerecht in den Ausschüssen künftig vereinheitlicht wird. Lobenswert ist zudem, dass die Verbindlichkeit für das Einreichen barrierefreier Dokumente sowie Ankerformulierungen für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern in die Geschäftsordnung einfließen. Hier übernimmt der Landtag eine Vorbildwirkung, die deutlich macht, dass politische Partizipation für alle und jeden möglich sein muss.
Doch es wird an unseren Änderungsanträgen, die wir noch einbringen werden, deutlich:
Einige wichtige Punkte, die unter anderem zu einer deutlichen Verbesserung der Transparenz in diesem Hause geführt hätten und ein wirklicher Gradmesser für einen fortschrittlichen Parlamentarismus gewesen wären, waren mit der Schwarz-Roten Koalition nicht verhandelbar.
Eine Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen, wie es in anderen Landtagen praktiziert wird, war hier nicht verhandelbar. Dabei hätte auch dem Sächsischen Landtag ein Stück mehr Offenheit und Transparenz gut zu Gesicht gestanden.
Die Frage, wie transparent und wie offen ein Landtag ist, ist keine Petitesse. An der Frage, wie offen und wie transparent die gewählte Vertretung des Volkes agiert, lässt sich wahrscheinlich einmal mehr ablesen, welchen Anspruch an staatlicher Transparenz die jeweilige Parlamentsmehrheit tatsächlich hat. Aber offensichtlich besteht hier bei der CDU keine Bereitschaft anzuerkennen, dass die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen den Landtag nicht lähmt und auch in jenen Landtagen, die dies ermöglichen, keine chaotischen Zustände herrschen.
Was ich aber nicht verstehen kann, ist, dass man in Punkten, welche uns eine breite Zustimmung hier heute leicht gemacht hätten, aus offensichtlich rein dogmatischen Gründen nicht verhandlungsbereit ist.
Der totgerittene Gaul des D’Hondtschen Höchstzahlverfahren wird, solange die CDU hier regiert, offenbar immer noch als avantgardistisches Rennpferd angesehen. Warum wir uns nicht auch endlich wie eine Vielzahl anderer Landtage für die Umsetzung eines anderen – gerechteren – Sitzzuteilungsverfahren entscheiden können, ist und bleibt mir ein Rätsel.
Zum anderen bleibt mir ein Rätsel, warum jene Personen, die der Landtag hier mit der Mehrheit dieses Hauses wählt, kein Rederecht zu ihren regelmäßigen Berichten erhalten sollen. Warum man diesen nicht dann nicht zumindest die Möglichkeit gibt, zu ihren regelmäßigen Berichten Stellung im Plenum zu nehmen, entbehrt jedweder Logik.
Eine Bewegung alleine bei diesen beide Punkte wären dazu geeignet gewesen, dass diese Geschäftsordnung heute eine breite Mehrheit hätte finden können. Doch dieser Sprung über den eigenen Schatten ist der Koalition nicht gelungen.
Unter normalen Umständen hätten wir uns hier und heute als gesamte Fraktion enthalten. Doch durch den mehr als unglücklichen Start der Koalition im Bezug auf die Geschäftsordnung und die entstandene rechtliche Unklarheit über das notwendige Quorum ist eine Ausnahmesituation entstanden. Letztendlich wird diese Geschäftsordnung nur eine rechtssichere Umsetzung erfahren, wenn heute zwei Drittel der anwesenden Mitglieder dieser zustimmen.
Um die deutlichen Verbesserungen der Geschäftsordnung im Vergleich zu letzten Legislaturperiode umzusetzen und erheblichen Schaden von diesem Hohen Hause abzuwenden, der durch das Nichterreichen der Zweidrittelmehrheit zweifelsohne entstehen würde, werden auch wir unseren Beitrag zur rechtsgültigen Inkraftsetzung dieser Geschäftsordnung leisten.
Auch wenn wir uns – das betone ich noch einmal – unter normalen Umständen enthalten hätten, werden heute Teile meiner Fraktion dem Vorschlag zustimmen, um die notwendige Mehrheit sicherzustellen.
Dennoch sollten uns die letzten Wochen ein Hinweis für den Umgang mit zukünftigen Geschäftsordnungen sein:
Zum einen: Es wäre bei zukünftigen Geschäftsordnungen hilfreich und zur Aufrechterhaltung eines reibungslosen Parlamentsbetriebes mehr als sinnvoll, die Abstimmung über die Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses nicht mehr in dem Maße wie bisher geschehen von der Bildung einer Regierung abhängig zu machen – dies war der Kardinalfehler im Bezug auf die aktuelle Geschäftsordnung.
Ein starkes Parlament entsteht aus einem starken Selbstbewusstsein als Legislativorgan. Vor diesem Hintergrund wäre es für die Wahrnehmung des Sächsischen Landtages als starkes Parlament hilfreich, sich zukünftig in den Fragen der Geschäftsordnung eben nicht mehr primär von der Regierungsbildung leiten zu lassen und damit das Rollenverhältnis zwischen Regierung und Parlament weiter zu verkehren.
In diesem Sinne hoffe ich, dass dem 7. Sächsischen Landtag eine solche Ausnahmesituation rund um die Geschäftsordnung erspart bleibt.
Zum anderen hoffe ich, dass die offene Debatte und die intensiven Verhandlungen um diese Geschäftsordnung der letzten Wochen nicht lediglich dem Damoklesschwert der Zweidrittelmehrheit geschuldet sind, sondern tatsächlich Maßstäbe für den Umgang mit zukünftigen Geschäftsordnungen setzt.
In diesem Sinne freue ich mich auf die Zusammenarbeit in den kommenden Jahren. Ich hoffe, dass der in den letzten Tagen viel beschworene Geist der neuen Koalition auch in der parlamentarischen Zusammenarbeit seine Früchte trägt und nicht schon am morgigen Tag verflogen ist.
2. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12. November 2014, TOP 3