Handlungsprogramm Bildungsqualität − Ignoranz, Inkompetenz und Inkohärenz wurden hier in ein Gesetz gegossen

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Thema:
„Gesetz zur Umsetzung des Handlungsprogramms der Sächsischen Staatsregierung zur nachhaltigen Sicherung der Bildungsqualität im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/14443), 11. Dezember, TOP 5
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

man kann hier und heute eine sehr grundsätzliche Diskussion führen – über die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern – und auch ganz generell über die Frage, wer überhaupt in einem Staat verbeamtet werden sollte.

Wir GRÜNE stehen grundsätzlich der Verbeamtung über staatliche Hoheitsträger hinaus kritisch gegenüber. Allerdings sind wir gerade in Anbetracht dessen, dass wir uns sprichwörtlich an jeden Strohhalm und ganz praktisch an jede Lehrerin und jeden Lehrer klammern müssen, die wir bekommen können, nicht mehr in der Situation ideologische Grundsatzfragen miteinander zu verhandeln.

Wir sagen: Die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern ist eine Möglichkeit, die wir angesichts der dramatischen Situation an sächsischen Schulen nicht ausschließen sollten. Zum einen um die Rückkehr verbeamteter Lehrerinnen und Lehrer in den Freistaat zu ermöglichen. Zum anderen, um vor allem eine Abwanderung in andere Bundesländer zu stoppen. Aber die Verbeamtung ist nicht der heilige Gral zur Lösung des hausgemachten Lehrkräftemangels im Freistaat.

Lassen Sie uns deshalb vor allem über die Umsetzung reden. Wir sind uns hoffentlich einig: Wenn man die Verbeamtung umsetzt, dann gebietet es die Verantwortung für die Lehrerinnen und Lehrer, dass wir sie auch gut umsetzen – genau das ist aber nicht der Fall. Vielmehr wurden Ignoranz, Inkompetenz und Inkohärenz in ein Gesetz gegossen.

Klug wäre es gewesen, den Generationenwechsel an sächsischen Schulen für die Einführung der Verbeamtung zu nutzen. Stattdessen setzen Sie willkürlich die Altersgrenze herab und verbeamten neben den neu einzustellenden Lehrerkräften nur einen kleineren Teil der Bestandslehrerschaft. Das Ergebnis: Ohne Not haben Sie damit Unfrieden gestiftet und massiven Widerstand provoziert!

Und Sie sägen dabei in einem Akt überschießender Unverfrorenheit an einem weiteren Ast der Personalplanung dieses Landes. Mit ihrem Schlag gegen die Lehrerinnen und Lehrer durch die Absenkung der Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung erweisen Sie einem attraktiven öffentlichen Dienst als solches einen Bärendienst und konterkarieren eine Vielzahl von Bestrebungen diesen gerade in Zeiten des Fachkräftemangels für Quereinsteiger attraktiv zu machen. Man braucht kein Prophet zu sein, um zu wissen, dass sich diese Borniertheit eines Tages rächen wird.

Wir haben auch gesagt und ich wiederhole es gern: Bei einer Verbeamtung von Teilen der Lehrerschaft ist ein Nachteilsausgleich für alle nicht bzw. nicht mehr verbeamtungsfähigen Lehrerinnen und Lehrer unentbehrlich.

Schon die erste Protestwelle sächsischer Lehrerkräfte richtete sich nicht in erster Linie generell gegen die Verbeamtung, sondern gegen den fehlenden Ausgleich für tarifbeschäftigte Lehrkräfte. Wir begrüßen zunächst die bessere Bezahlung der Grundschullehrkräfte und die Anerkennung von Abschlüssen nach dem Recht der ehemaligen DDR, wir begrüßen auch Maßnahmen des Handlungsprogramms, etwa die Programmbestandteile Schulassistenz oder die Einstellung weiterer Schulpsychologinnen und -psychologen – die Entlastung wird hoffentlich zeitnah für alle Lehrkräfte spürbar werden. Was allerdings den Ausgleich zur Verbeamtung für angestellte Lehrerinnen und Lehrer betrifft, bleibt das Verhandlungsergebnis mit gerade einmal 170 Euro deutlich hinter den Erwartungen zurück, die man im Übrigen selbst geweckt hat.

Schließlich bleibt festzustellen: Das Besoldungs- und Entgeltgefüge im sächsischen Schuldienst befindet sich insgesamt in einer gehörigen Schieflage und strotzt vor Inkohärenz.

Wo Ungerechtigkeiten beseitigt werden, werden an anderer Stelle neue geschaffen. Das ganze System, was mit diesem Gesetzentwurf jetzt geschaffen wird, ist von vorne bis hinten nicht durchdacht.

Die Fragen, wie die Übernahme höherer Verantwortung honoriert und das Abstandsgebot gewahrt werden soll, bleiben offen. Die vielen Schreiben der Funktionsstelleninhaberinnen und -inhaber sprechen eine deutliche Sprache – die Zulage ist ausschließlich der Entgeltgruppe 13 vorbehalten. Nun gibt es Fallkonstellationen, in denen der, der eine bestimmte Funktion übernimmt und daraus folgend höhergruppiert wird, letztlich weniger Geld in der Tasche hat als der, der einfach seinen Job macht wie bisher und die Zulage bekommt. Das ist nicht vermittelbar! Solche Ungerechtigkeiten nicht lösen zu wollen, zeugt von schlichter Ignoranz.

Wir werden uns ausdrücklich nicht beteiligen am Herumdoktern am Besoldungs- und Entgeltsystem – es ist gerade im Schulbereich weit davon entfernt, gerecht, auch leistungsgerecht, und in sich stimmig zu sein. Aber wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen könne, solange nicht die Kardinalfehler dieses Gesetzentwurfes behoben werden.

Schlussendlich ist es nämlich egal, ob man nun grundsätzlich für die Verbeamtung ist oder nicht: Es bleibt festzustellen: So, wie Sie die Verbeamtung planen, geht es definitiv nicht!

Vielen Dank