Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzesentwurf der Fraktion GRÜNE:
„Gesetz zur Erleichterung kommunaler Bürgerbeteiligung und zur Stärkung der Rechte der Kreis- und Gemeinderäte“ , Drs 6/17646), 3. Juli, TOP 25
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
vergangene Woche hatte der sächsische Ministerpräsident bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, als er sich für den sog. Volkseinwand – einen Volksantrag gegen vom Landtag beschlossene Gesetze also – ausgesprochen hat.
Mit einem Änderungsantrag zum Wahlprogramm hat der Parteitag der CDU diese Forderung am vergangenen Wochenende aufgenommen und zugleich die sog. Bürgeranhörung im Gesetzgebungsverfahren angekündigt. Ihr Glück, Herr Ministerpräsident, denn bis dahin tauchte das Wort „Bürgerbeteiligung“ nicht einmal im Wahlprogramm auf.
Die SPD, so konnten wir gestern vernehmen, möchte künftig auch auf mehr Bürgerbeteiligung setzen. In einem Papier, dass am Montag vorgestellt wurde, wird u.a. gefordert, dass für die Bürgerbegehren in den Kommunen nur noch Unterschriften von fünf Prozent der Wahlberechtigten gesammelt werden müssen, dass das Instrument der Bürgerversammlung ausgeweitet und Bürgerbeteiligungsprojekte gefördert werden.
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, in dessen Umsetzung die sächsischen Bürgerinnen und Bürgern in ihren Kommunen deutlich mehr Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten erhalten. Auch dieses Gesetz reiht sich in eine Reihe von Vorschlägen der GRÜNEN-Fraktion ein, die wir in dieser Legislatur zur Verbesserung und Stärkung der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger eingebracht haben.
Zusammen mit den LINKEN haben wir das Gesetz zur Stärkung der direkten Demokratie im Freistaat Sachsen vorgelegt, dass eine Absenkung der Hürden für Volksentscheide vorsieht.
Mit unserem Transparenzgesetz wollten wir gesetzlich regeln, dass eine Transparenzplattform eingerichtet wird, auf der alle veröffentlichungspflichtigen Informationen für alle einsehbar bereitgestellt werden.
Bereits zu Anfang der Legislatur haben wir gefordert, die bestehende Bürgerbeteiligungsplattform auszubauen, denn kein Gesetz hindert die Staatsregierung, die Entwürfe von Gesetzen für eine Anhörung der Bürgerinnen und Bürger schon heute zu veröffentlichen.
Unser Gesetzentwurf hat das Ziel die Bürgerbeteiligung zu stärken. Wir setzen dabei – anders als die CDU – in den Kommunen und auf der konstruktiven Seite an. Das Leben in den Kommunen, die Entscheidungen die in ihrem Wohnort getroffen werden, interessieren die Bürgerinnen und Bürger weitaus mehr als Gesetzentwürfe des Landtags. Hier ist das Bedürfnis, das eigenen Lebensumfeld mitzugestalten, am größten. Deshalb greifen wir die bisherigen Regelungen zur Einwohnerversammlung und zum Einwohnerantrag in der Gemeinde- und in der Landkreisordnung auf und entwickeln sie weiter.
Mit dem Bürgerbeteiligungsverfahren führen wir Bürgerinformations- und Bürgerempfehlungsverfahren ein. Sie können mit einer bestimmten Anzahl von Unterschriften von der Bürgerinnen und Bürgern eingeleitet werden. Dazu gehören die Einwohnerversammlung, Bürgerwerkstätten, die Mediation und der Bürgerhaushalt. Die Bürgerbeteiligungsverfahren können in einer Empfehlung an die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister oder an den Gemeinderat münden.
Kommunale Bürgerentscheide möchten wir durch eine Absenkung der Quoren für die Einleitung und den Erfolg eines Bürgerbegehrens in der Gemeinde- und Landkreisordnung von zehn auf fünf Prozent senken – liebe SPD, wenn Sie mir ein Signal den Zustimmungen geben möchten, werde ich gern die punktweise Abstimmung beantragen.
Zusätzlich wollen wir das Zustimmungsquorum bei Bürgerentscheiden von 25 auf zehn Prozent absenken. Weil gute Entscheidungen ein fundiertes Wissen voraussetzen, sollen zu allen Abstimmungswahlen Abstimmungshefte mit Informationen der Abstimmungsparteien eingeführt werden. Die Pflicht der Kommune, ihre Bürgerinnen und Bürger zu informieren, bauen wir weiter aus.
Herr Kollege Anton,
im Ausschuss sagten Sie, dass Bürgerbeteiligung eine gute Sache sei. Das finden wir auch. Sie sagten auch, dass sie im ländlichen Raum keine Bürgerbegehren kennen, die am Quorum gescheitert seien.
Wenn Sie auf Bürgerentscheide abstellen, die auf Initiative des Stadtrates gestartet wurden, mögen Sie Recht haben. Initiativen aus dem Kreis der Einwohnerinnen und Einwohner hingegen sind in Sachsen rar (ganze drei waren es im Jahr 2018 laut der Datenbank von „Mehr Demokratie“) und nicht selten unzulässig, geschweige denn erfolgreich. Ich sehe die Ursachen dafür eindeutig in den zu hohen Hürden.
Wir wollen, wie ich es schon in der Einbringungsrede gesagt habe, diejenigen stärken, die sich mit ihren Ideen zum Wohle unserer Gesellschaft einbringen wollen. Das ist aus unserer Sicht um ein vielfaches wichtiger, als wie der Ministerpräsident nur diejenigen zu stärken, die was kaputt machen wollen. Mit diesem Gesetz stärken wir Macherinnen und Macher und nicht die, die nörgeln.
Unser Gesetzentwurf sieht zudem noch eine Reihe weiterer Änderungen an der Gemeinde- und Landkreisordnung vor, die der Stärkung der Räte und ihrer Fraktionen dienen. Künftig soll beispielsweise der Vorsitz im Rat nicht mehr durch die Bürgermeister/innen oder Landrät/innen ausgeübt werden, sondern durch eine oder einem aus dem Rat gewählten Mitglied. Die Gefahr der Doppelstrukturen sehen wir nicht. Wir wollen ferner einen gemeindlichen Untersuchungsausschuss ermöglichen, die Akteneinsichtsrechte verbessern, die Fraktionsfinanzierung auch für kleine Fraktionen auf gesetzliche Füße stellen.
Lieber Herr Kollege Pallas,
Sie haben Recht, die Spitzenverbände haben wir zu diesem Gesetzentwurf nicht angehört, auch wenn das nicht weiter schlimm ist, da unsere Forderungen schon mehrfach in diesem Hause diskutiert wurden.
Ich mache mir allerdings keine Illusionen darüber, was beispielsweise der Sächsischen Städte- und Gemeindetag von unseren Vorschlägen halten würde: nichts, denn ein Interesse an einer besseren Bürgerbeteiligung oder einer Stärkung der Räte habe ich dort noch nicht wahrgenommen. Im aktuellen Positionspapier zur Stärkung kommunaler Selbstverwaltung findet sich kein Sterbenswörtchen zur Bürgerbeteiligung oder Stärkung der Räte.
Nicht zuletzt wollen wir den Kardinalfehler der Koordination hinsichtlich der Ortschaftsverfassung rückgängig machen.
Wir wollen mit dem Gesetz eine Frischzellenkur für die kommunale Demokratie. Unsere Kommunen sind Orte der Innovation, des Zusammenhalts und der unmittelbar erlebten Demokratie, die wir dringend stärken müssen. Wir bitten um Ihre Zustimmung.