Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (GRÜNE) zum Dringlichen Antrag der der Fraktion AfD:
2. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 30. Oktober, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Recht Untersuchungsausschüsse einzusetzen ist zweifelsohne eines der schärfsten Schwerter des Parlamentarismus. Ausgestattet mit umfassenden Rechten soll das Parlament in die Lage versetzt werden, schwere Missstände aufzuklären und die notwendigen Schlüsse daraus ziehen zu können.
Gerade weil es sich um eines der gewichtigsten Kontrollrechte des Parlamentes handelt, verbietet es sich, damit leichtfertig umzugehen oder es für allzu durchschaubare politische Manöver zu nutzen.
Der vorliegende Untersuchungsauftrag ist das Gegenteil dessen, was er sein sollte – das ist kein sinnvoller Untersuchungsauftrag. Das ist eine Farce!
Werte Kolleginnen und Kollegen,
die AfD versucht mit diesem Untersuchungsausschuss vor allem eins: von der eigenen Verantwortung für ihr Listenaufstellungsdesaster abzulenken. Zum zweiten Mal in Folge ist es Ihnen nicht gelungen ein Aufstellungsverfahren für eine Landesliste zum Landtag so durchzuführen, dass in einem der sensibelsten Bereich der Demokratie über massive Zweifel erhaben war.
Sie haben Chaos-Parteitage veranstaltet, Ihnen ist das Verfahren entglitten, Sie haben sich über wahlrechtliche Standards hinweg gesetzt und anstatt demütig die eigenen Fehler einzusehen, haben Sie nur ein Ziel: Mit diesem Untersuchungsausschuss Nebelkerzen zu werfen und ihren eigenen Beitrag zur aktuellen Situation zu verschleiern.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD,
es ist nicht Sinn eines Untersuchungsausschusses ihre Unfähigkeit zu kaschieren. Und erst recht nicht ist es Aufgabe eines Untersuchungsausschusses astreine Verschwörungstheorien zu erörtern. Ihr Untersuchungsauftrag ist aber genau das: eine billige und absurde Insinuierung eines Mega-Komplotts.
Da wird die ganz große Kugel geschoben, nach dem Motto „alles hängt mit allem zusammen“. Wir halten mal fest: schon der Abgang des Vorgängers der jetzigen Landeswahlleiterin basierte angeblich auf Mobbing mit dem Ziel, eine angeblich willfährige Landeswahlleiterin zu installieren, die dann die AfD-Liste kürzt.
Beim Lesen dieser Kausalkette frage ich mich, warum Sie nicht auch noch die Frage stellen, ob die Demission des letzten Innenministers oder der Regierungswechsel in Sachsen 2017 nicht auch damit zusammen hängen könnten. Oder welche Rolle vielleicht auch der Bundespräsident, der Papst oder das Krümelmonster dabei spielen?
So absurd dieses Schauspiel, was Sie hier aufführen, für jeden vernünftigen Menschen anmutet: Es ist Ausdruck der Politik der AfD aus alles eine große Verschwörung zu machen – und das soll auch mit diesem Untersuchungsausschuss fortgesetzt werden.
Ich bin der Auffassung, dass dieser Untersuchungsausschuss fernab ihrer Verschwörungstheorien indes nicht im Geringsten im öffentlichen Interesse liegt und zweitens dem inneren Gewaltenteilungsgrundsatz widerspricht.
Ein öffentliches Interesse liegt nach Auffassung der GRÜNEN nicht vor, weil sich der Untersuchungsgegenstand auf einen Sachverhalt bezieht, der offenkundig ist: die Sitzung des Landeswahlausschusses war öffentlich, die Vertrauensleute und sonstige Granden der AfD waren bei der Willensbildung vor Ort, konnten ihre Rechtsauffassung sowohl vor als auch während der Sitzung artikulieren, sie haben danach einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen, den Sachverhalt mit dem Verfassungsgerichtshof diskutieren können und sich dann ein Urteil abgeholt, das auf den ganzen Sachverhalt Bezug nimmt und darüber hinaus sogar noch eine rechtliche Würdigung vornimmt.
Wo hier noch ein Fitzelchen Unaufgeklärtes sein soll, an dem die Öffentlichkeit Interesse haben könnte, vermag ich nicht zu sehen.
Zudem: Ich denke, dass dieser Untersuchungsausschuss an die Grenze des Gewaltenteilungsprinzips geht. Die Ausübung der Staatsgewalt obliegt den drei voneinander unabhängigen Gewalten – Legislative, Exekutive und Judikative. Diesen Gewalten ist jeweils eine Verfassungsorgantreuepflicht auferlegt, die bedeutet, dass jede Gewalt ihre Kompetenzen so ausübt, dass die übrigen Staatsgewalten nicht unangemessen eingeschränkt werden. Daraus folgt für das Untersuchungsausschussrecht, dass das Parlament auf eine nachträgliche Kontrolle bereits abgeschlossener Vorgänge beschränkt ist.
Das ist bei diesem Untersuchungsausschuss gerade nicht der Fall: unsere Verfassung sieht ausdrücklich eine Wahlprüfung durch den Landtag vor. Damit soll die Wahl auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Zu prüfen ist dabei auch, ob zwingende Vorschriften zur Wahl unrichtig angewandt wurden oder unbeachtet geblieben sind oder ob beispielsweise die Wahlorgane fehlerhaften Entscheidungen bei der Zulassung oder Zurückweisung von Wahlvorschlägen getroffen haben.
Die Entscheidung darüber obliegt verfassungsrechtlich dem Landtag und dem beim ihm einzusetzenden Wahlprüfungsausschuss. Dieser wird im November seine Arbeit aufnehmen, in diesem hat die AfD Zugang zu Informationen über den gesamten Wahlvorgang, hier können auch Betroffene angehört und Zeugen vernommen werden. Das innere Gewaltenteilungsprinzip sieht eine Überprüfung von Wahlen vor, die obliegt erst dem Landtag und dann – wenn gewünscht – dem Verfassungsgerichtshof – nicht einem weiteren Untersuchungsausschuss.
Eben weil es ein geregeltes Verfahren für die Wahlprüfung bereits gibt, ist ihr Ziel mit diesem Untersuchungsausschuss somit ganz klar: Zweifel säen und Misstrauen stiften, Verschwörungen insinuieren und gewählte Verfassungsorgane desavouieren. Das ist schändlich und mit uns GRÜNEN nicht zu machen.
Ganz absurd wird es dann übrigens bei Ihrem heute vorgelegten Änderungsantrag zur Zahl der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Erst veranstalten Sie hier mit Pauken und Trompeten ein Festival der Scheinaufklärung, um dann ernsthaft über ein Mitglied mehr oder weniger zu feilschen?
Mal im Ernst: was war bei Ihnen im Filterkaffee, wenn Sie hier einen sinnlosen Untersuchungsausschuss einsetzen, der mehrere zehntausende Euro pro Jahr kostet, um dann die Zahl der Mitglieder um eins reduzieren zu wollen, um pro Jahr 700 Euro zu sparen. Das ist doch absurd.
Aber das ist keine Petitesse! Das offenbart Ihr Parlamentsverständnis. Wir werden ein Minderheitenrecht nie wegen der Kosten in Frage stellen. Es zeichnet die Stärke des Parlamentarismus aus, dass er sich die Erfüllung seiner Aufgaben nicht von pekuniären Zwängen diktieren lässt.
Ihr Antrag offenbart im Gegenteil, dass Sie ein instrumentelles Verhältnis zum Parlamentarismus haben. Solange er Ihnen nützt, ist er gut, wenn er anderen nützt ist er falsch. Das ist nichts anderes als das bekannte Parlamentsverständnis der alten und neuen Rechten, das Sie schon die letzten Jahre zum Ausdruck gebracht haben.
Ihnen geht es nicht um einen Millimeter Sachaufklärung, sondern nur um einen Bühne und die Ausbeutung von Ressourcen. Derartige Scheinheiligkeit werden wir nicht unterstützen.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD,
ich sage Ihnen auch ganz klar: ein Untersuchungsausschuss ist keine Märchenstunden. Und deswegen können Sie sich sicher sein, dass wir mehr als nur eine Frage haben, welche Beiträge denn führende Vertreter der AfD zur Kürzung der Landesliste geleistet haben.
Ich wage die These: der Tag wird kommen, an dem Ihre Verschwörungstheorien und dieser Untersuchungsausschuss für Sie als Bumerang zurückkommen könnten.
Vielen Dank!