Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der AfD-Fraktion: „Gesetz zur Erweiterung der sachunmittelbaren Demokratie im Freistaat Sachsen“ (Drs 2702)
34. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 21.07.2021, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wenn die AfD über direkte Demokratie redet, dann ist genau wie bei allen anderen mehr oder minder rechtsextremen Populisten Vorsicht geboten, so auch bei diesem Gesetzentwurf. Denn geradezu prototypisch zeigt sich anhand dieses vorliegenden Vorschlages, dass die Auffassungen über die Rolle direkter – beziehungsweise korrekter sachunmittelbare Demokratie – in einem parlamentarischen Regierungssystem kaum unterschiedlicher sein könnten.
Auf der einen Seite steht der konstruktive Ansatz der sachunmittelbaren Demokratie. Jener Ansatz, bei dem es darum geht, aus der Bevölkerung heraus Ideen zu entwickeln und Mehrheiten dafür zu gewinnen – ein Ansatz, der Selbstwirklichkeitserfahrungen der Bürgerinnen und Bürger in unserer Demokratie zum Wohl der Gesellschaft zum Ziel hat. Ein Ansatz, dem wir BÜNDNISGRÜNE uns verbunden fühlen und aus diesem Grund seit vielen Jahren für die Senkung der Quoren für Volks- und Bürgerentscheide kämpfen. Es geht also darum, die parlamentarische Demokratie in ihren Grundfesten durch die Volksgesetzgebung zu stärken und zu ergänzen.
Wir müssen hierbei definitiv überlegen, wo wir bei den bestehenden Instrumenten der Volksgesetzgebung sinnvolle Ergänzungen machen können. Denn, das hat zuletzt der Volksantrag zu den Gemeinschaftsschulen gezeigt, die Hürden sind in Sachsen noch zu hoch. Und das darf nicht so bleiben.
Auf der anderen Seite aber steht der destruktive Ansatz der direkten Demokratie. Ein Ansatz, in dem nicht die Gestaltung, sondern die Obstruktion der Weg und das Ziel ist. In der es darum geht, das Parlament in die Ketten eines vermeintlichen Willens DES Volkes zu legen, ja es gar zu schwächen und zu lähmen. Diesem destruktiven Ansatz folgt die AfD mit diesem Gesetzentwurf.
Denn die AfD verlässt bewusst die verfassungsmäßig verankerte Gleichrangigkeit des Parlamentsgesetzesgebers und des Volksgesetzgebers durch eine bewusste Fehlbalancierung der Aspekte der direkten Demokratie zu eindeutigen Gunsten der Destruktion.
Um Ihnen dies einmal zu verdeutlichen: Während Sie die Hürden für die Volksbegehren, die positiv etwas verändern wollen, nur geringfügig senken und mit 7 Prozent im Rahmen des vertretbaren Mittelmaßes operieren, wird die Möglichkeit, beschlossene Gesetze des Landtages durch kassatorischen Volksentscheidung zu obstruieren, auf die Stimmen von zunächst 0,5 Prozent der Stimmberechtigten und somit auf ein nachgerade absurd niedriges Niveau abgesenkt. Ihre Anhebung auf 2,0 Prozent der Stimmen macht es besser, aber es bleibt beim beschriebenen Ungleichgewicht zwischen konstruktiver und destruktiver Macht des Volkes gegenüber dem Parlament.
Alleine dieses Missverhältnis zeigt, wie wenig der AfD an den Ideen des Volkes gelegen ist. Kern des Vorhabens ist es vielmehr, das Parlament vorzuführen und zu lähmen. Das widerspricht unserer BÜNDNISGRÜNEN Auffassung von Volkgesetzgebung in dieser Form zutiefst und kann nur mit einer klaren Ablehnung versehen werden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Gleiches zeigt sich auch bei ihrem Vorhaben, bei Verfassungsänderungen ein obligatorisches Referendum vorzusehen. Dieses obligatorische Referendum wäre bei jeder kleinsten Änderung nötig – sie belohnen also vor allem die, die gegen Veränderung sind, auch dann, wenn sie notwendig ist. Dabei geht es – sofern Sie mal in die Änderungen des Grundgesetzes der letzten Jahrzehnte schauen – nicht immer um den Kern unseres Staates, sondern mitunter um wichtige Details und kleine Nachbesserungen, die sie dem Damoklesschwert einer zwingend notwendigen Volksabstimmung unterwerfen wollen. Zu welchen Problemen eine solche Regelung führen kann, hat der langwierige Prozess gezeigt, die Todesstrafe aus der Hessischen Landesverfassung zu tilgen.
Außerdem sind die von Ihnen vorgesehenen Quoren für eine Verfassungsänderung eklatant zu niedrig angesetzt. Wenn wir der Bedeutung der Verfassung gerecht werden wollen, dann ist es geboten, entsprechende Hürden beizubehalten. Wir halten die momentane Regelung mit der Hälfte der Stimmberechtigen für sinnvoll.
Und es stellen sich übrigens fernab verfassungsrechtlicher und verfassungspolitischer Fragen viele handwerkliche Fehler beim fakultativen Referendum ein. So wie der Gesetzesentwurf in § 51 VVVG das Verfahren nach Beschlussfassung im Landtag und Veröffentlichung einerseits und dem fakultativen Referendum andererseits darstellt, kann es nicht funktionieren. Was funktioniert, ist allenfalls, dass das parlamentarische Verfahren blockiert wird. Und da beginnt für mich der Punkt, wo ich mir nicht sicher bin, ob das „nur“ schlampige Arbeit war oder eigentlich genau das Ziel des Gesetzentwurfes.
Sie sind also entweder beim Rumstümpern oder beim schlecht verpackten Opponieren gegen unsere parlamentarische Demokratie erwischt worden.
Aber beides passt ja bekanntlich zueinander, denn seit Jahren versuchen sie von der AfD ja erfolglos dieses Hohe Haus durch Unfähigkeit zu trollen. Nach dem Motto: Wenn wir es schon nicht mit dem Zorn von außen schädigen können, dann versuchen wir es mit unserer Unfähigkeit von innen zu torpedieren.
Werte AfD,
dieses Unterfangen wird aber, so können Sie sich sicher sein, genauso erfolglos sein wie dieser Gesetzentwurf.
Vielen Dank.