Der Abhörskandal um den Fußballverein BSG Chemie Leipzig hat eine weitere Dimension angenommen. Neben dem fraglichen Ermittlungsverfahren, das im Herbst 2016 eingestellt wurde, laufen derzeit weitere Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch (StGB), u.a. gegen die Fangruppierung ‚Ultra Youth‘.
Dies räumte Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Valentin Lippmann (GRÜNE) ein. Es handelt sich dabei insgesamt um mindestens drei Ermittlungsverfahren mit Beschuldigten aus Leipzig aus dem Umfeld der linken Szene/Fußballszene. Ein Verfahren wurde am 23. Oktober 2017 eingestellt. Zudem räumte der Justizminister in der gestrigen Landtagssitzung (Donnerstagabend, 16.11.17) in der Antwort (*) auf eine mündliche Anfrage des Abgeordneten ein, dass mindestens ein Steuerberater, der ebenfalls Berufsgeheimnisträger ist, von der Überwachung drittbetroffen ist.
„Während wir GRÜNE versuchen, den Umfang des Abhörskandals − bei dem nicht nur ehemalige Beschuldigte, sondern auch zahlreiche Berufsgeheimnisträger von Abhörmaßnahmen betroffenen waren − aufzuklären, laufen die Ermittlungen offenbar munter weiter“, empört sich Valentin Lippmann, Sprecher für Datenschutz der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag.
„Und obwohl ich mehrfach, zuletzt im Juni, nachgefragt habe, ob weitere Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129 StGB eingeleitet wurden, bekomme ich die Auskunft vom Justizminister erst, als sie wegen Presseberichten nicht mehr länger verheimlicht werden konnte. Das ist Verschleierungstaktik in Reinstform und nährt einmal mehr den Verdacht, dass hier rechtswidrige, weil exzessive Ermittlungen durchgeführt worden sind.“
„Dass nun − trotz Nachfragen zu den (dritt-)betroffenen Berufsgeheimnisträgern seit März diesen Jahres − erneut eingeräumt werden musste, dass auch Steuerberater von den Abhörmaßnahmen betroffen waren, macht einmal mehr deutlich, dass der Justizminister und seine Generalstaatsanwaltschaft versuchen, das Ausmaß der exzessiven Ermittlungen zu vertuschen. Diese Verfahrensweise ist unerhört und einer dem Rechtsstaat verpflichteten Behörde unwürdig.“
„Ich verlange nunmehr umfassende Auskunft darüber, wie viele Überwachungsmaßnahmen in diesen weiteren Ermittlungsverfahren stattgefunden haben, ob wieder Berufsgeheimnisträger betroffen sind und inwieweit die weiteren Ermittlungen gerechtfertigt sind. Ich werde das Thema erneut im Verfassungs- und Rechtsausschusses auf die Tagesordnung setzen. Dann müssen endlich alle Fakten auf den Tisch“, verlangt Lippmann.
„Der Justizminister muss zudem Auskunft darüber geben, inwieweit er einer Ultragruppierung den Charakter einer kriminellen Vereinigung unterstellt. Auch diese Ermittlungen scheinen eine neue Qualität zu erreichen, deren Ziel ich wegen der weitreichenden Konsequenzen in der Fußballfanszene grundsätzlich in Frage stelle.“
Weitere Infos zum Abhörskandal
Die Antwort des Justizminister auf eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Lippmann (63. Landtagssitzung, Donnerstagabend, 16.11.17), nachdem mindestens ein Steuerberater, der ebenfalls Berufsgeheimnisträger ist, von der Überwachung drittbetroffen ist, liegt schriftlich vor.