– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Wir diskutieren heute über ein sehr sensibles Thema. Lassen Sie mich vorausschicken: Natürlich ist es auch für uns GRÜNE ein massives Problem, wenn es in Deutschland Orte gibt, in denen unter dem Deckmantel der Religionsausübung gegen Andersgläubige gehetzt wird, zu Gewalt aufgerufen wird oder Menschenrechte infrage gestellt werden. Dies gilt grundsätzlich, egal um welche Religion oder Glaubensgemeinschaft es geht. Für uns ist klar: Wir brauchen Wachsamkeit gegen antidemokratische und antipluralistische Umtriebe in unserer Gesellschaft.
Aber in Richtung des Initiators der heutigen Aktuellen Debatte: Eine Partei, in der nicht nur antiislamische, sondern zunehmend auch antisemitische Tendenzen einen neuen Hort gefunden zu haben scheinen, sollte sich in der Frage der Religionsausübung eher schweigend verhalten und erst im eigenen Laden kehren, bevor sie hier solche stigmatisierenden Debatten anzeffelt.
Wir müssen bei dieser Frage die Kirche im Dorf lassen. Warum debattieren wir heute über dieses Thema? Weil es in unserer Gesellschaft eine Paralleiwelt mit einer eigenen Auffassung von Wirklichkeit und einer Abschottung von der Realität gibt. Diese Parallelwelt heißt Landesamt für Verfassungsschutz. Der Sächsischen Zeitung und auch dem MDR war bereits zu entnehmen, dass man sich Sorgen wegen des zunehmenden Einflusses der Muslimbruderschaft in Sachsen macht. Das ist soweit okay. Über Organisationen wie die Begegnungsstätte SBS würden derzeit massiv Gebäude gekauft, um Moscheen oder Begegnungsstätten für Muslime einzurichten.
Herr Innenminister, Ihr Verfassungsschutzchef wird mit den Worten zitiert: >>Die gehen mit einem. Haufen Geld durchs Land und kaufen Liegenschaften.<< Tatsächlich ist es aber nicht so, dass die Sächsische Begegnungsstäfte durch die Lande zieht und massiv Liegenschaften kauft. Meyer-Plath verwendet die Mehrzahl, obwohl er es besser weiß. Der SBS hat keine umfassende Zahl von Liegenschaften gekauft. Eine Vielzahl der Räumlichkeiten sind gemietet. Ich kann nur sagen, Herr Innenminister: Fake News vom Verfassungsschutz. Ich habe mal wieder das Gefühl, dass wir in einer Debatte sind, wo die Politik beim Verfassungsschutz nach dem Motto stigmatisierende Übertreibung beim Thema Einfluss der Muslimbruderschaft auf der einen Seite oder gnadenlose Untertreibung, wenn es beispielsweise um den Einfluss von Neonazis und deren Liegenschaftsankauf in der Vergangenheit ging.
Prompt passiert das, was zu erwarten war: Die AfD springt auf und versucht, das Thema auszuschlachten. Herr Wippel, ich konnte lesen, dass Sie die SBS deshalb bereits verbieten wollen. An Sie gleich die Frage: Wann wollten Sie zuletzt eine rechtsextreme Organisation verbieten? Das würde mich mal grundsätzlich interessieren.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Für uns GRÜNE gilt ganz klar Artikel 19 der Sächsischen Verfassung: >>Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.<< Die Gebetsräume, die in Sachsen eingerichtet werden, dienen vorrangig den Gemeinden vor Ort für den sozialen, kulturellen und religiösen Austausch und eben dem gemeinsamen Gebet. Kollege Hartmann hat gerade darauf hingewiesen, dass das nicht unumstritten ist. Man muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die SBS durchaus transparent mit ihren Begegnungsstätten umgeht. Es gibt den Tag der offenen Moschee und Veranstaltungen, die Nicht-Muslimen offen stehen. Der Mitbegründer der Sächsischen Begegnungsstätte gab umfassende Interviews und Stellungnahmen ab. Es ist also auch nicht so, dass hier vollständig klandestin operiert wird.
Werte Kolleginnen und Kollegen! 10 000 Muslime leben in Sachsen. Da muss man sich fragen, welche Bestrebungen die Staatsregierung unternimmt, dieser Religion
ihren Platz in der Gesellschaft einzuräumen, anstatt stets zu behaupten, der Islam gehöre nicht zu Sachsen. Warum gibt es keine Überlegungen, einen Staatsvertrag
mit den muslimischen Verbänden zu schließen, um Regelungen zum Verhältnis von Land und Religionsgemeinschaften zu schließen? Ich nehme auch sonst zu wenige Bestrebungen der Staatsregierung wahr, die ein Zugehen der Gesellschaft auf muslimische Verbände befördern. Das wäre vor dem Hintergrund der geäußerten Kritik um die demokratischen und liberalen Kräfte unter den Muslimen zu stärken.
Zum Schluss bleibt mir noch eine wesentliche Feststellung, die auch schon von Kollegen gemacht worden ist; Wir brauchen darüber hinaus eine wirksame Prävention gegen Radikalisierung. Ich muss in Richtung der AfD-Fraktion feststellen, die heute diese Aktuelle Debatte beantragt hat, Sie haben vor zwei Monaten unseren Antrag für ein wirksames Präventionsprogramm in Bezug auf radikalen Islamismus — welche Überraschung — abgelehnt. Ich konstatiere: Es gibt in diesem Haus Fraktionen, die bestrebt sind, Probleme zu lösen, und es gibt die AfD, die immer dann, wenn es konkret wird und es um eines ihrer angstschürenden Themen geht, den Schwanz einzieht. Natürlich! Ihre größte Angst ist, dass die vermeintlichen Probleme, die sie tagtäglich populistisch ausschlachten, eines Tages tatsächlich gelöst würden. Dann würde die Basis Ihrer angstgeleiteten Politik endlich mal wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Mehr gibt es zu dieser Aktuellen Debatte, die in ihrer Grundtendenz durchschaubar ist, nicht zu sagen.
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (GRÜNE) der Aktuellen Debatte zum Antrag der Fraktion AfD „Keine Begegnungsstätten für Demokratiefeinde – Asylsuchende und deutsche Staatsbürger vor Islamisten schützen.“
52. Sitzung des Sächsischen Landtags, 11. April, TOP 3