Aktuelle Debatte Menschenrechte: Wir müssen die Pressefreiheit schützen und antidemokratischen Positionen entschieden entgegentreten

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Aktuellen Debatte der Fraktion SPD: „Unverzichtbarer Maßstab politischen Handelns: 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“
80. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 14.12.2023, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

„die Demokratie stirbt im Dunkeln“ – dieses Motto setzte sich die Washington Post als Zeichen zum Schutz der Demokratie.

Und wir müssen nicht in die USA schauen, um die Diagnose zu teilen, dass unsere Demokratie unter Druck steht. Es reicht ein Blick in die Zeitung, um zu sehen, dass Rechtsextreme täglich an den Fundamenten unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung rütteln. Das zeigte sich zuletzt auch in einem in diesem Zusammenhang eher selten beleuchteten Bericht.

Deutschland ist im Ranking der Pressefreiheit im Jahre 2023 von Platz 16 auf Platz 21 abgerutscht. Grund dafür ist aber nicht vorwiegend direktes staatliches Handeln. Es ist vielmehr mangelnder staatlicher Schutz: 103 Angriffe gab es auf Medienberichterstatter*innen bei Demonstrationen im Jahr 2022 – so viele wie noch nie. Als Grund hierfür nennt das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit auch den „Flächenbrand der Verschwörungstheorien“.

Diese Zahlen müssen uns aufrütteln und bilden daher heute den Kern meines Debattenbeitrages. Denn das Recht, Meinungen über Medien jeder Art zu verbreiten, ist nicht ohne Grund mit Artikel 19 ein Teil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Sie sind ein Gegenentwurf auch zu der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten und deren unglaublicher Entkernung der Presse- und Meinungsfreiheit.

Normiert werden daher nicht nur individuelle Freiheits- und Schutzrechte, wie das Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit oder die Eigentumsgarantie. Normiert wird vielmehr auch das Recht auf Mitgestaltung des Öffentlichen Lebens und damit das Recht, in einem freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat zu leben.

Es ist Ausdruck eines Menschenbildes, das nicht nur den Burgeois kennt, der im Wesentlichen sein Leben im Privaten frei von staatlicher Intervention gestalten möchte. Sondern es ist der Citoyen, der hier im Zentrum steht. Und für diese Teilhabe ist eine starke Vierte Gewalt unabdingbar.

Bereits in seiner Spiegel-Entscheidung 1962 betonte auch das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung der unabhängigen Presseberichterstattung für die Demokratie: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben.“

Und genau diese Funktion der Medien gilt es auch 75 Jahre nach der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu verteidigen – und zwar mit Verve und Leidenschaft.

Doch es ist eben nicht der Staat, der derzeit die freie Berichterstattung einschränkt. Es sind vor allem jene Rechtsextreme, die nur ihre eigene Meinung gelten lassen. Die aktiv gegen all das kämpfen, was wir als Errungenschaften unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung hochhalten. Der Zusammenhang kann nicht geleugnet werden: Nach dem Abflauen der Pegida Demonstrationen gingen die Angriffe auf Journalist*innen bei Versammlungen zurück – bis Querdenken begann, auf die Straßen zu gehen.

Das 75-jährige Bestehen der Menschenrechtskonvention verpflichtet uns dazu, mehr Anstrengungen für den Schutz der Pressefreiheit zu unternehmen, auch in Deutschland und gerade in Sachsen. Und auch daraus erwächst für uns alle die Pflicht antidemokratischen und rechtsextremen Positionen entschieden entgegenzutreten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte liegt 75 Jahre zurück. Und ist doch so aktuell wie immer. Lassen Sie uns diese Ideale mit Leben füllen, lassen Sie uns gemeinsam verteidigen, was zählt. Und das ist die Möglichkeit, in Freiheit miteinander diese gemeinsame Welt zu gestalten.