– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
wie bei der Nachlieferung des Titels der AfD zu dieser Aktuellen Debatte zu erwarten war, changiert die Auffassung der AfD zwischen einem kruden antipluralistischen Repräsentationsverständnis und – mal wieder – dem Versuch, den Überbringer der schlechten Nachricht für den Imageverlust des Freistaates Sachsen zur Rechenschaft zu ziehen.
Ihre Frage, ob sächsische Politiker ihre Bürger eigentlich vertreten, kann man recht schnell beantworten. In einer parlamentarischen Demokratie entsteht Repräsentation durch Wahlen. Dieser Landtag ist aus freien und gleichen Wahlen hervorgegangen, er vertritt also somit die Bürgerinnen und Bürger. Die Antwort lautet somit: ja. Punkt. So einfach, so richtig. Eigentlich könnten wir jetzt aufhören.
Aber es ist auch klar, dass Sie mit Ihren Äußerungen und dem, was Sie heute vorgetragen haben, eigentlich etwas anderes intendieren wollen. Denn wer die Frage stellt, ob sächsische Politiker wirklich ihre Bürgerinnen und Bürger vertreten, intendiert im Umkehrschluss, dass es nicht so ist, und lanciert eine vollkommen andere Erzählung. Nämlich die, die auch Herr Höcke beispielsweise immer gern auf Demos erzählt: Es müsse doch endlich mal wieder Politik für das Volk gemacht werden.
Nichts anderes haben Sie mit Ihrem Debattentitel vorgetragen und einmal mehr das Parlaments- und Politikverständnis der AfD schonungslos entlarvt. Es basiert auf der absurden Vorstellung, dass es so etwas wie einen feststellbaren unitären Volkswillen gibt, dass Politiker diesem im Sinne eines imperativen Mandates
allesamt zu folgen hätten, und damit mündet das in der Vorstellung, dass Parlamente aufgrund ihrer partikularen Zusammensetzung aus Wahlen doch eigentlich gar nicht in der Lage sein könnten, diesen Volkswillen umzusetzen, solange Sie nicht die absolute Mehrheit hätten. Das ist doch das, was Sie eigentlich zum Ausdruck bringen wollen.
Teile Ihrer Partei sind dann ja noch der Überzeugung, wenn eben Politik nicht für das Volk gemacht wird, also eigentlich nur nicht das umgesetzt wird, was Sie persönlich wollen, was Sie gern hätten, dass dann endlich noch ausgemistet und aufgeräumt
werden müsste. Diese Haltung, werte Kolleginnen und Kollegen, ist zutiefst antipluralistisch, antiparlamentarisch und ein fundamentaler Angriff auf unsere Demokratie.
Folgt man diesem Gedankengang, so sind Parlamente aus Ihrer Sicht ja eigentlich vollkommen überflüssig. Es genügt dann ein gesunder Volkswillen und eine starke Führung, die diesen umsetzt, und wenn Sie ehrlich sind, würden Sie das auch endlich einmal zugeben, anstatt hier das Ganze wolkig zu verpacken.
Stattdessen tun Sie das, worauf Ihre geistigen Vorväter des antiliberalen Antipluralismus wahrscheinlich sehr stolz gewesen wären: Sie nutzen das Parlament weiter schön als Bühne und nutzen die Ressourcen aus.
Dass der AfD die parlamentarische Arbeit offensichtlich ein Gräuel ist, haben wir in den letzten zwei Tagen wieder gesehen. Sie sind gestern in den Ausschusssitzungen morgens nicht erschienen – so viel zu dem Thema, wie Sie Ihre Parlamentsarbeit wahrnehmen -‚ und zum Glücksspielrecht, das vielleicht doch den einen oder anderen Bürger in Sachsen interessieren könnte, haben Sie es auch nicht für nötig
gehalten zu sprechen.
Meine These: Die Fraktion, die hier die Bürgerinnen und Bürger durch ihre parlamentarische Arbeit am wenigsten vertritt, dürfte zweifelsohne die AfD sein.
Kommen wir zum zweiten Teil, der in Ihrer Debatte mitschwingt – mal wieder eine skurrile Imagedebatte vonseiten Ihrer Fraktion nach dem Motto: Der Bote der schlechten Nachricht ist der Schuldige. Nur: Allein der Ruf des Freistaates Sachsen ist kein Verfassungsgut, der Schutz von Menschen sowie Grund- und Bürgerrechten indes schon. Daher ist es wichtig, Fehler zu kritisieren und Probleme klar zu benennen, damit sich etwas ändert. Wir brauchen eine Debatte um den Kern und nicht um die Hülle in Form von Imagedebatten, damit wir hier weiterkommen – nur scheinen Sie das nicht begriffen zu haben.
Sie verkennen zudem vor allem, welchen Anteil Sie eigentlich an diesem Außenbild Sachsens haben. Sie können damit viel zur Verbesserung des lmages des Freistaates Sachsen beitragen. Hören Sie auf, mit Hetze den Nährboden für Hass und Gewalt zu legen, und hören Sie endlich mit Ihrer Umsturzrhetorik gegen die Republik auf, die Sie heute mal wieder eindrucksvoll mit dem Titel Ihrer Aktuellen Debatte vor Augen geführt haben!
Anstatt das zu tun, fällt Ihnen dann offensichtlich nur noch der Appell an das nationale Selbstbewusstsein ein, und, Herr Wippel, Sie hätten mich gestern nicht auf Ihre Website verweisen sollen, denn ich habe dort einige interessante Dinge gefunden.
Zum Tag der Deutschen Einheit führen Sie aus – ich zitiere -: „Leider ist es jedoch nicht gelungen, die deutsche Einheit unbeschwert und selbstbewusst zu feiern und den Tag zum Anlass zu nehmen, um mit dem Volk ins Gespräch zu kommen. In
anderen Staaten finden zum Nationalfeiertag Militärparaden statt, um die positive Seite der eigenen Geschichte herauszustellen.“
Im Ernst: Probleme kleinreden, Hetze verbreiten, Militärparaden durchführen und dann an das nationale Selbstbewusstsein appellieren, das erinnert mich dann doch eher an untergehende Diktaturen als an einen starken, demokratischen Rechtsstaat.
Diese Vorstellungen sind ja eigentlich nur das, was Folge Ihrer Politik wäre, wenn sie eines Tages umgesetzt würde, und davor gilt es, uns zu bewahren.
Redebeitrag zur Aktuellen Debatte der AfD-Fraktion: „So geht sächsische nicht“
44. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 10. November 2016, TOP 1