– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
ich bin schockiert.
Das, was Sie, Herr Wippel, hier gerade getan haben, ist niederträchtig, infam und gehört in einem solchen Parlament verurteilt und verbannt.
Sie haben gerade demokratischen Politikern den Tod gewünscht. Das gehört sich einem Parlament nicht. Das ist kriminell, das ist verantwortungslos und das ist zu verachten.
Das ist eine Selbstentlarvung der AfD, etwas, wovon ich nicht geglaubt hätte, dass man es im 21. Jahrhundert in einem demokratischen Staat ernsthaft in einem Parlament erzählen könne.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
ich bin gespannt, wie die AfD jetzt versucht, das zu relativieren.
Ich glaube, da kommt sie nicht mehr heraus. – Frau Dr. Petry, schweigen Sie am besten.
Das wäre besser; schweigen Sie mit Ihrer Fraktion.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
die Aktuelle Debatte heute war ja in gewisser Weise erwartbar; es ist die erste Aktuelle Debatte nach der Sommerpause.
Offensichtlich glaubt die Koalition auch angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in anderen Bundesländern, man müsse der Bevölkerung, auch der sächsischen Bevölkerung, nach den Ereignissen im Sommer dringend erklären, welche Maßnahmen man nun in Erwägung zieht, um im Freistaat Sachsen, aber auch in der Bundesrepublik Deutschland etwas mehr Sicherheit zu garantieren.
Ich sage es ganz deutlich: Ich habe keine Angst um die Sicherheit in Sachsen; aber ich habe durchaus Angst vor anderen Dingen. Mich beschleicht nämlich das Gefühl, das derzeit in Deutschland ein erhebliches Sicherheitsrisiko vor allem von CDU-Innenministern im Wahlkampfmodus ausgeht.
Dazu passt dann durchaus auch der Titel Ihrer Aktuellen Debatte, in dem es heißt „Anschläge in Bayern und Baden-Württemberg“. Da wird dann so ziemlich alles miteinander vermengt, was eigentlich nicht zueinander gehört, um hier eine konservative Sicherheitserzählung zu legitimieren, wobei ich bisher überrascht war, dass Herr Hartmann sehr kritisch ist.
Aber er weiß ja, dass der Innenminister dann noch kommt. Dann bin ich einmal gespannt, wie weit die Haltung der Koalition und die des Ministers auseinandergehen; denn eines ist klar: Die Ereignisse des Sommers waren schrecklich, aber es beschleicht einen einmal mehr das Gefühl, dass Sie hierin nun die politische Legitimation gefunden haben, nun ganz tief in den Instrumentenkasten der konservativen und ordnungsstaatlichen Sicherheitspolitik vorzustoßen.
Herr Hartmann, ich traue Ihnen da nicht wirklich, dass das, was Sie heute erzählt haben, längere Zeit halten wird; denn es ist das Prinzip konservativer Innenpolitik, erst die Ängste zu schüren und dann möglichst die einfachen Lösungen dafür anzubieten. Überlegungen, die heute auch schon aus diesem Tollhaus angesprochen wurden, sind uns in den letzten Wochen immer wieder präsentiert worden, und zwar in Debatten über den Einsatz der Bundeswehr im Innern. Damit vergreifen Sie sich an dem Wesenskern unserer Verfassung. Überdies muss man ja ganz klar sagen: Ich hätte nicht gedacht, dass CDU-Innenminister es schaffen, der Polizei ein solches Zeugnis des Misstrauens auszustellen. Faktisch schaffen Sie es ja damit, zu erklären, die Polizei kann es im Zweifel nicht. Ich hätte nicht gedacht, das wir einmal dazu kommen.
Noch einmal ganz deutlich zum Thema Burka-Verbot: Ich war ja anfangs erleichtert, dass Ihnen nichts anderes mehr eingefallen ist, was Sie noch draufsetzen können.
Dennoch gilt an dieser Stelle zu konstatieren: Wir leben halt in einem Land, in dem man nicht alles, was einem persönlich nicht gefällt oder was gesellschaftlich nicht erwünscht ist, verbieten kann. Das ist der Geist unseres Grundgesetzes. Der Versuch, das Burka-Verbot mit einer Sicherheitsdebatte zu verbinden, ist infam. Sie versuchen einmal mehr, hier eine Politik der AfD zu machen.
Nach den Ereignissen im Sommer, werte Kolleginnen und Kollegen, hätte es eine Regierung mit Haltung gebraucht, Innenminister mit Standhaftigkeit, die nicht in der Hoffnung auf ein Prozent mehr Wählergunst teilweise versuchen, die AfD rechts zu überholen und dabei en passant Kernbestände unserer Verfassung über Bord zu werfen.
Es wäre notwendig, dass jetzt auch einmal in Sachsen die Hausaufgaben gemacht werden. Ja, wir brauchen eine bessere Ausstattung der Polizei; da haben Sie unsere Unterstützung, Herr Minister. Die Bürger haben ein Recht darauf, dass die Polizei in der Lage ist, terroristischer Lagen Herr zu werden. Aber lösen Sie doch jetzt endlich einmal die Bremse bei der Stellenausstattung der Polizei. Wir können es uns doch nicht mehr leisten, dass wir bis 2026 auf 1.000 Polizisten mehr warten sollen.
Damit schaffen Sie keine 15.000 Polizistinnen und Polizisten, die auf Bundesebene vereinbart wurden. Das wird Ihnen nie im Leben gelingen. Das ist ein tatsächliches Sicherheitsproblem. Handeln Sie in der Koalition! Die von uns geforderten
800 Anwärter und Anwärterinnen mehr sind das Minimum. Wir brauchen mehr Polizisten für die Sicherheit anstatt mehr Überwachung in Sachsen.
Vielen Dank.
Zweiter Redebeitrag von Valentin Lippmann:
Sehr geehrter Herr Präsident,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Die fünf Minuten werde ich nicht nutzen, sondern nur kurz auf das Thema Bodycams eingehen.
Herr Minister, es ist durchaus richtig und sicherlich auch nicht falsch, sich anzuschauen, was andere Bundesländer bei diesem Thema machen.
Ich gebe auch unumwunden zu: Es sind auch GRÜNE in Regierungsbeteiligung in den Bundesländern, in denen Bodycams eingeführt wurden. Das halte ich trotzdem für falsch. Ich muss ja nicht alles gut finden, was in anderen Bundesländern stattfindet, auch wenn es die eigene Partei ist. Das macht die Union ja bekannterweise häufiger einmal.
Dennoch muss man zwei Dinge zur Kenntnis nehmen:
Erstens. Es gibt in Hessen – Sie haben es angeführt – momentan ein erhebliches Problem, weil die Datenschutzbeauftragte in Hessen, die die Einführung begleitet hat, sich wenige Jahre später explizit hinstellt und sagt, es wäre ein Fehler gewesen, das zu tun, und sie hätte nicht gedacht, dass eine solche Ausweitung stattfindet. Das sollte uns alle aufhorchen lassen und eher dazu führen, dass wir von solchen Instrumenten Abstand nehmen, auch wenn es den einen oder anderen gibt, der daran Gefallen findet.
Denn – und das hat Herr Kollege Stange schon gesagt – der Kern und das Wesen einer guten polizeilichen Arbeit sind gut ausgebildete und gut ausgestattete Polizisten und eben nicht teure Überwachungs- und Technikspielzeuge.
Mir kommt es nach Ihren Ausführungen, Herr Minister, so vor wie das Prinzip – das sage ich ganz deutlich -: Wir suchen die Nadel im Heuhaufen, und dann machen wir mit Technik Folgendes: Wir vergrößern den Heuhaufen und hoffen, die Nadel schneller zu finden. Das ist eine Politik, die wahrlich absurd ist und nicht aufgehen kann.
Vielen Dank.
Rede in der 1. Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und SPD Linken „Die Bürger im Freistaat Sachsen schützen – Innere Sicherheit gewährleisten – Situation nach den Anschlägen in Bayern und Baden-Württemberg“
39. Sitzung des Sächsischen Landtags, 31. August 2016, TOP 1