Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zum „Abschlussbericht Kommission zur umfassenden Evaluation der Aufgaben, Personal- und Sachausstattung“ (Drs 6/5473)
58. Sitzung des Sächsischen Landtags, 30. August, TOP 10
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete,
der vorliegende Bericht der Personalkommission ist ein papiergewordenes Zeugnis des politischen Versagens. Eines Versagens in zwei Dimensionen. Er zeigt die Folgen jahrelanger CDU-geführter Personalpolitik im Freistaat Sachsen auf und stellt dieser ein astreines Versagenszeugnis aus. Er ist aber auch Ausdruck des totalen Versagens dieser Koalition, mit den Ergebnissen dieses Berichtes umzugehen und rechtzeitig die notwendigen Schlüsse zu ziehen.
Bei der Abrechnung des Berichtes mit der CDU-Personalpolitik der letzten 27 Jahre wird deutlich, wie ernst die Lage mittlerweile ist. Dass, was sich an Versäumnissen bei den Lehrerinnen und Lehrern bereits jetzt auswirkt, wird in den kommenden 13 Jahren in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung auf uns zukommen.
Der Personalbedarf wird enorm sein, denn es gehen insgesamt 43.000 Bedienstete, also mehr als die Hälfte, in den Ruhestand. So gehen etwa in der Landesdirektion 25 Prozent und im Statistischen Landesamt 20 Prozent aller Bediensteten bereits in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand.* Im Landesamt für Denkmalpflege gibt es keinen Bediensteten unter 40 Jahren. Bei den Richterinnen und Richtern und in der Staatsanwaltschaft sind gerade einmal acht Prozent der Bediensteten unter 40 Jahren, 69 Prozent sind 48 Jahre und älter. Im Geschäftsbereich des Kultusministeriums allein gehen über 4.500 Bedienstete in den nächsten fünf Jahren in Rente, weitere 14.692 folgen in den darauffolgenden zehn Jahren. Im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sind 65 Prozent der Bediensteten 50 Jahre und älter.
All diese Zahlen machen deutlich: die CDU hat es, sei es in alleiniger Verantwortung, oder zusammen mit SPD oder FDP in den letzten 27 Jahren nicht vermocht, den Personalbestand der Landesverwaltung so zu gestalten, dass eine gesunde Altersstruktur entsteht. Und wenn man sich vergegenwärtigt, dass seit 1994 der Personalbestand in der Landesverwaltung von über 117.000 auf 84.753 Stellen gekürzt wurde, dann weiß man auch, warum. Nahezu jeder Ruhestand wurde genutzt, die frei werdende Stelle zu streichen. Neu eingestellt wurde nur, wenn es gar nicht anders ging und nie wurde mit Blick auf eine ausgewogene Altersstruktur um Personal geworben.
Soweit zum Versagenszeugnis mit Blick in die Vergangenheit. Der Personalkommission sei gedankt für diese sehr hilfreiche Evaluation des Personalbestandes. Die Aufgaben- und Sachausstattung wurde zwar nicht evaluiert, gleichwohl ist dieser Bericht von hohem Nutzen.
An der Historie, werte Kolleginnen und Kollegen, kann man nun leider nichts mehr ändern. Und damit komme ich zum politischen Versagen im Hier und Jetzt.
Es ist vielleicht, insbesondere werte Kolleginnen und Kollegen der SPD, nicht ihre Schuld, dass es so gekommen ist, aber es ist ihre Schuld, dass es so bleibt. Weil diese Koalition das Problem aussitzt. Die Leistungsfähigkeit eines Staates kann man nicht durch Aussitzen, sondern nur durch engagiertes Handeln gewährleisten.
Doch Sie haben das genaue Gegenteil getan. Sie haben sich, obwohl allen klar war, dass die Hütte sprichwörtlich brennt, mit einer Personalkommission abspeisen lassen. Und das, obwohl die SPD 2014 noch kurz vor der Wahl, die (damals schwarz-gelbe) Staatsregierung aufgefordert hatte, ein umfassendes Personalplanungs- und Entwicklungskonzept vorzulegen, das auch die Planung von Neueinstellungen in allen Ressorts und nachgeordneten Behörden mitsamt konkreter Festlegung von Neueinstellungskorridoren bis zum Jahr 2025 vorsah. Wie es die GRÜNEN schon seit Jahren forderten.
Heute verschließen Sie die Augen vor der Realität und schieben die Verantwortung in Kommissionen deren alarmierende Ergebnisse Sie dann nicht einmal ernst nehmen.
Schon 2015 hätte man – selbst bei Einsetzung einer Personalkommission – Sofortmaßnahmen treffen müssen, um bei der verfehlten Personalpolitik gegenzusteuern. Stattdessen waren die Maßnahmen im Haushalt bestenfalls Makulatur. Alle unsere Vorschläge für Stellenaufstockungen und Streichungen von kw-Vermerken, haben Sie unverfroren, mit Verweis auf die Kommission abgelehnt. Der Haushalt für die Jahre 2015 und 2016 wurde verabschiedet: mit der SPD wurde der Abbau von weiteren 790 Stellen besiegelt. Über 3.500 kw-Vermerke ab 2017 fanden sich damals noch in den Stellenplänen.
Den Vogel abgeschossen haben Sie dann mit dem letzten Doppelhaushalt. Da lag der Kommissionsbericht vor. Doch anstatt nun endlich im Haushalt etwas zu tun, hat diese Koalition die Dreistigkeit besessen, die Anhörung dieses Berichtes nach den Haushalt zu schieben und sich damit nicht zu befassen. Man hätte ja sonst zu dem Schluss kommen können, handeln zu müssen. Sie haben sich mit diesem Verhalten in Bezug auf ihre Versprechungen im Jahr 2015 selbst Lügen gestraft.
Wir GRÜNEN haben aber nicht nur die Anhörung dieses Abschlussberichts gefordert. Wir haben Ihnen in den Haushaltsverhandlungen unsere Vorschläge für eine Personaloffensive unterbreitet und mit unseren Änderungsanträgen im Haushalt knapp 1.400 unbefristete oder befristete Stellen zur Bewältigung der Altersabgänge, der Verbesserung der Altersstruktur und zur Sicherung des Wissenstransfers beantragt. Sämtlich Anträge wurden abgelehnt – mit der Begründung: Für so etwas bräuchte man ein langfristiges Konzept.
Und als sei das nicht schon genug, torpediert der Finanzminister eine vernünftige Personalpolitik, die ihm ein großes Grauen zu sein scheint, den Dolch im Gewande führend, alle Bestrebungen, in Sachsen für einen attraktiven öffentlichen Dienst zu sorgen. Bereits kurz nach der Einsetzung der Kommission und dann wieder vor ein paar Monaten, proklamiert es die Schreckenszahl des hemmungslosen Stellenabbaus auf 70.000 Landesbediensteten.
Ich vermute da mittlerweile Arbeitsteilung in der Koalition. Denn: Werte Kolleginnen und Kollegen, der Finanzminister ist kein Säulenheiliger, vor dem Sie als Koalition in Ehrfurcht erstarren müssen. Eine solche personifizierte Gefahr für die Leistungsfähigkeit unseres Staatswesen kann man entweder vor die Tür setzen oder ihn als Gesetzgeber überstimmen, anstatt sich permanent von dessen Sparwut in Geiselhaft nehmen zu lassen.
Bleibt dann noch das vorerst letzte Kapitel des Versagens dieser Koalition: Die Behandlung des Berichtes im Ausschuss. Nach Monaten der Vertagung – unter der Berufung auf koalitionsinternen Beratungsbedarf – dachte man an sonst etwas für großartige Ideen, an denen man in Staatsregierung und Koalition brütet. Das Ergebnis: beredtes Schweigen der Koalition in den Ausschüssen und eine Protokollnotiz mit den salbungsvollen Worten: „Der Bericht ist eine wichtige Darstellung von Daten für die Bewertung der Personalsituation im Öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen. Ebenso stellt er geeignete Analysemethoden dar. Allerdings ist der Bericht nur ein Zwischenschritt: Konkrete Konsequenzen, insbesondere für Behördenaufbau und Struktur der Landesverwaltung, sind noch festzulegen“.
In diesem Moment fragt man sich, ob man nicht Teil einer Satireveranstaltung ist. Die Botschaft dieser Protokollerklärung ist eindeutig: Sie machen so weiter wie bisher, bis der letzte gemerkt hat, dass diese Koalition der Sargnagel für einen attraktiven öffentlichen Dienst im Freistaat ist und dann andere die Scherben aufkehren müssen.
Dazu kommt noch die bigotte Reaktion der Koalition auf unseren flankierenden Antrag, der ein Personalkonzept bis 2030 forderte. Da führt man im HFA lapidar aus, dass das zu langfristige Planungszeiträume seien. Sie erinnern sich, es sind dieselben Koalitionsvertreter, die vergangenes Jahr kurzfristige Maßnahmen ablehnten, weil es Einens langfristigen Konzeptes bedürfe.
Nun sind wir ja bei dieser Koalition in ihren Verrenkung bei der Ablehnung von Initiativen der Opposition viel gewohnt. Bloß wissen Sie was. Ich glaube hier nicht mehr an Taktik. Ich glaube, Sie haben einfach keine Ahnung und keinen Plan, wie eine vernünftige Personalpolitik in Sachsen aussehen kann. Sie haben sich mit Kommissionen abfrühstücken lassen. Das Rumwurschteln dieser Koalition sind nicht nur fünf verlorene Jahre für die Personalpolitik im Freistaat Sachsen. Es sind fünf Jahre, in dem sie weiter den leistungsfähigen Staat an die Wand gefahren haben werden.
Ahnungslosigkeit, Anmaßung und Aussitzen scheinen die Kernkompetenzen diese Koalition bei einer der wichtigsten Zukunftsfragen zu sein. Dieses Schauspiel der Verantwortungslosigkeit dieser Regierung muss endlich ein Ende haben.
Liebe SPD, liebe CDU – bis 2030 gehen 51 Prozent der Landesbediensteten in den Ruhestand. Jährlich müssten 2.700 neue Fachkräfte gewonnen und eingestellt werden, um diese Altersabgänge zu kompensieren. Wann wollen Sie damit endlich anfangen? Wann schaffen Sie endlich die Neueinstellungskorridore, die erforderlich sind, um die Aufgaben sicherzustellen, die dieser Staat zu erfüllen hat? Wie wollen Sie den Wissenstransfer sicherstellen?
Mit dem was Sie bislang unternommen haben, jedenfalls nicht. Der sog. Demografiepool ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.150 Stellen, um ein massives Personalproblem zu lösen. Das kann nicht funktionieren und sie merken es doch, dass dieses Instrument vollkommen ins Leere läuft, wenn Behörden mit massiven Personalproblemen, wie das Landesamt für Denkmalpflege, aus diesem Pool nichts beantragen, weil sie lieber planmäßige Stellen haben wollen.
Seit mehr als sechs Jahren fordern wir GRÜNEN, dass sich des Problems der überalterten Staatsverwaltung angenommen wird. Jetzt haben wir eine unabhängige Personalkommission, die Ihnen ebenfalls empfiehlt, sich bei der Personalbedarfsberechnung an der Altersstruktur des Personals zu orientieren. Das heißt, alle Ressorts müssen sich bereits jetzt um Fachkräfte bemühen, die die Aufgaben der älteren Bediensteten übernehmen. Wenn Sie diese Aufgabe nicht ab sofort angehen, werden Sie den Wettbewerb um die klugen Köpfe gegen die freie Wirtschaft verlieren.
Wir wollen nennenswerte Einstellungskorridore und ein Personalkonzept für diesen Freistaat.
Wir müssen jetzt anpacken, damit es nicht zu spät ist für eine vernünftige Personalpolitik in Sachsen.
Und: Wir werden Sie weiter mit unseren Vorschlägen für eine zeitgemäße Personalpolitik nerven. Solange, bis sich endlich was tut.
*LaDi: 1328 Bedienstete, 327 davon sind älter als 60. Stala: insgesamt 275 Bedienstete, 54 davon sind 60 und älter.