– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Man könnte sich angesichts der aktuellen Meldungen aus Brüssel zur EU-Vereinbarkeit der PKW-Maut eigentlich entspannt zurücklehnen und heute darauf warten, dass der Kelch der Pkw-Maut und die damit drohende massenhafte Datenerfassung an uns vorübergeht.
Allerdings hält die CSU unter Rückendeckung der Bundeskanzlerin derart unbeirrt an der Einführung einer PKW-Maut fest, dass ich volles Verständnis habe für diesen Antrag der LINKEN, auch wenn es darin in erster Linie um bundesgesetzliche Regelungen geht.
Es ist ja nicht so, dass uns eine Pkw-Maut Sachsen nicht tangieren würden. Wird der von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt geplante Gesetzentwurf tatsächlich verabschiedet, wären wir alle betroffen, zumindest soweit wir Auto fahren. Und betroffen meine ich nicht im Sinne von „finanziell in Anspruch genommen“, sondern im Sinne von „in unseren Grundrechten betroffen“.
Nach den Plänen von Herrn Dobrindt soll die Erhebung der Maut durch eine elektronische Nummernschild-Erkennung auf den Autobahnen kontrolliert werden. Von jedem Pkw soll dann auf allen Autobahnen das Kennzeichen erfasst und mit der Datenbank abgeglichen werden, um festzustellen, ob das Fahrzeug möglicherweise nicht registriert und die Kfz-Steuer nicht bezahlt wurde. Hinzu kommt die Erfassung sämtlicher nicht-inländischer Fahrzeuge. Aber damit nicht genug: Neben der flächendeckenden Kennzeichenerfassung soll beim Kraftfahrt-Bundesamt ein zentrales Register eingerichtet werden, in der jeder Fahrzeughalter mit Adresse, Bankverbindung, Autokennzeichen, Fahrzeugidentifikationsnummer und den Daten zur Zahlung der Maut gespeichert ist.
Die Folge ist in dieser Kombination die größte und vor allem dauerhafteste Massendatenerhebung in der Geschichte der Bundesrepublik. Zusammen mit den Daten aus der Kennzeichenerfassung kann von jedem Fahrzeughalter ein umfassendes Bewegungsprofil erstellt werden. Die Datenerhebung anlässlich der letzten Volkszählung wäre Kinkerlitzchen gegen diese geplante institutionalisierte Kennzeichenerfassung und Fahrzeugregistrierung.
Da beruhigen mich auch die Beteuerungen von Herrn Dobrindt nicht, dass die erhobenen Daten vor dem Zugriff anderer Behörden, insbesondere der Strafverfolgungsbehörden, sicher seien. Das Gesetz gar „härtestmöglichen Datenschutzregelungen“ erfüllt.
Es ist noch keine zwei Monate her, da das BKA – mal wieder – den Zugriff auf die Mautdaten gefordert hat. Es ist gerade mal ein Jahr her, dass SPD und CDU in einem Arbeitspapier zu den Koalitionsverhandlungen die Absicht geäußert haben, „die Nutzung von Mautdaten zur Bekämpfung schwerster Straftaten zu ermöglichen“. Unter Innenminister Schäuble war es 2005 fast soweit, das die gesetzliche Zweckbindung im LKW-Mautgesetz aufgehoben und für Strafverfolgungsbehörden erweitert werden sollte. Die technischen Möglichkeiten der Maut wecken entsprechende Begehrlichkeiten. Man muss kein Prophet sein, um eine Zweckentfremdung der Daten vorauszusagen. Zumal Große Koalitionen sowohl auf Bundesebene als auch hier in Sachsen sich nicht gerade als Verteidiger der Bürgerrechte hervortuen. Als Beweis brauche ich nur den Fraktionsvorsitzenden der CDU, Frank Kupfer, zitieren. Der sagte in der 3. Plenarsitzung: „Ich bin dankbar dafür, dass wir uns im Koalitionsvertrag auf die Kennzeichenerfassung einigen konnten. Denn Datenschutz, meine Damen und Herren, darf kein Verbrecherschutz sein“. Da wissen wir doch, wo die Reise hingeht. Ich vertraue hier auf keine Versprechungen zum Datenschutz.
Liebe KollegInnen von CDU und SPD, falls Sie den grundrechtlichen Argumenten des Datenschutzes nicht zugänglich sind, vielleicht sind Sie es ja, was die finanziellen Fragen angeht. Dieser ganze Aufwand zum Auffinden von Fahrzeughaltern, die ihre Steuern nicht gezahlt haben, erfordert 337 Millionen Euro für Investitionen und 195 Millionen Euro jährlich für den Betrieb und das Personal. Dem stehen Einnahmen von lediglich 600.000 Millionen Euro gegenüber. Was davon in Sachsen ankommt, wird nicht viel sein.
Kurzum: Die Maut ist sinnlos, teuer, europarechtswidrig und ein Totalangriff auf die Bürgerrechte. Sachsen stünde es gut zu Gesicht, dagegen auf Bundesebene einzutreten.
5. Sitzung des Sächsischen Landtags, 18. Dezember 2014, TOP 6