– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
vorweg: Da die Anwürfe bestimmt gleich wieder kommen werden. Nein, es geht uns nicht darum, rechtstreue Schützen und Jäger unter Generalverdacht zu stellen. Sondern es geht uns darum, sich mit einer aktuell entstehenden Problemlage auseinanderzusetzen, die unübersehbar ist. Und ja, auch wir wissen, dass der überbordenden Teil der Straftaten mit illegalen Waffen begangen werden. Das ist keine Frage des Kontrollrechtes sondern eine der Strafverfolgung.
Evident und unumstritten ist: Der Besitz von auch legal erworbenen Waffen – so auch jüngst der Kriminologe Dietrich Oberwittler in einer Studie – stellt ein potenziell tödliches Risiko dar. Eine große Anzahl von Waffen und Waffenbesitzern in einer Gesellschaft sind eine Gefahr für die Sicherheit und nicht ein mehr an Sicherheit. Das deutsche Waffenrecht will dieses Risiko beschränken und sieht genau deshalb strenge Voraussetzungen und Kontrollen zum Erwerb und Besitz von Waffen und waffenrechtlichen Erlaubnissen vor. Und ja: Deutschland hat ein strenges Waffenrecht – und mit Blick auf die hanebüchenen Liberalisierungsforderungen der AfD in dieser Frage sei gesagt: Das ist auch gut so.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Kupfer, am 13. Januar 2016 jubilierten Sie als Präsident des Sächsischen Schützenbundes über einen Mitgliederzuwachs von 8,58 Prozent in den Mitgliedsvereinigungen des Schützenbundes. 1.142 neue Mitglieder seien das Ergebnis der vielfältigen Aktionen des Schützenbundes und seiner Vereine zur Mitgliedergewinnung, so analysierten sie damals. Wer behauptet, dass dieser Zuwachs allein aufgrund ihrer Werbekampagnen entstanden ist, der hat offensichtlich aus Angst vor der Wahrheit den Kopf so tief in den Sand gesteckt, dass man nichts mehr wahrnimmt.
Die Zahlen zeigen ein Trend, der in Sachsen seit Beginn des letzten Jahres immer stärker zu verzeichnen ist. Immer mehr Sachsen versuchen die Voraussetzungen zu erfüllen, um an Schusswaffen zu gelangen.
Mal ein paar Zahlen zur Verdeutlichung: Die Zahl der Schusswaffen in Sachsen ist innerhalb des letzten Jahres von 138.692 auf 142.857 gestiegen, dass sind drei Prozent in einem Jahr.
Die Zahl der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Sachsen ist von insgesamt 33.246 im Jahr 2014 auf 34.915 im Jahr 2015 gestiegen. Das ist ein Anstieg um fünf Prozent. Davon sind alleine 1.228 waffenrechtliche Erlaubnisse in den Monaten November und Dezember ausgestellt worden.
Darunter ist ein ähnliches Bild bei den sog. kleinen Waffenscheinen zu verzeichnen, die zum Führen von frei verkäuflichen Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen berechtigen: Die Anzahl stieg von 6.708 im Jahr 2014 auf insgesamt 8.293 Erlaubnisse im Jahr 2015. Allein in den letzten zwei Monaten des Jahres 2015 wurden mindestens 700 kleine Waffenscheine neu ausgestellt.
Und ganz deutlich wird es bei den abgelegten Sachkundeprüfungen bei Schießsportvereinen, die eine der Voraussetzungen sind, um in Deutschland eine Waffenbesitzkarte zu erhalten. Allein in 2015 wurden insgesamt 526 solcher Prüfungen bei Schießsportvereinen abgelegt. Das sind achtmal so viel wie im Jahr zuvor (2014: 65). Alleine 180 dieser Sachkundeprüfungen wurden in den letzten beiden Monaten des Jahres abgelegt.
Jetzt kann man sagen und behaupten, dass hier nicht mit nicht zu tun hat und erst Recht kein Zusammenhang zur aufgeheizten Stimmungslage in der Bevölkerung besteht. Bloß dann verschließt man entweder die Augen vor der Realität oder man streut sich Sand in die Augen.
Wir sehen hier ein massives Problem und es braucht jetzt bald wirksame Maßnahmen, um mit dieser Herausforderung umzugehen, und keinen Innenminister, der trotz Rechtaufsichtspflicht das Problem lediglich an die Kommunen abwälzen will. Sie haben als Innenminister hier auch eine Verantwortung. Denn den steigenden Zahlen von Waffen und waffenrechtlichen Erlaubnissen steht ein kaum noch wahrnehmbarer Kontrolldruck gegenüber.
In einigen Landkreisen Sachsen existiert die funktionierende Waffenkontrolle quasi nur noch auf dem Papier:
Gerade mal 29 Angestellte der Kommunen nehmen mit 26,68 VZÄ die waffenrechtlichen Kontrollen von 26.515 Schusswaffenbesitzern mit 142.857 Schusswaffen wahr. Statistisch gesehen werden Schusswaffenbesitzer in Sachsen daher höchstens alle 30 Jahre kontrolliert. Das ist leider kein Witz, sondern traurige Realität. Wir haben derzeit kein vorrangiges Gesetzesproblem, sondern ein Vollzugsproblem. Und dem muss man sich stellen. Deshalb haben wir diesen Antrag vorgelegt.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen fordern wir GRÜNEN, dass die sichere Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen regelmäßig alle drei Jahre auch ohne Anlass kontrolliert wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass Waffenbesitz regelmäßig auch vor Ort kontrolliert wird. Eine solche Kontrolle ergänzt die alle drei Jahre vorzunehmende Regelprüfung hinsichtlich der Zuverlässigkeit, der persönlichen Eignung und des waffenrechtlichen Bedürfnisses. Der Innenminister hat als Chef der obersten Waffenbehörde dafür Sorge zu tragen, dass solche Kontrollen tatsächlich stattfinden und dokumentiert werden. Dafür braucht es auch eine personelle Aufstockung der Waffenbehörde in den Kommunen, die notwendigenfalls im Rahmen der Rechtsaufsicht zu vollziehen ist.
Zudem fordern wir, dass bekannte Angehörige der extremen Rechten und Mitglieder von Bürgerwehren künftig jährlich überprüft werden, ob sie noch über die notwendige waffenrechtliche Zuverlässigkeit verfügen. Mitgliedern der NPD sollen Waffenbesitzkarten und andere waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen werden. Waffen im Besitz von Neonazis sind die sprichwörtliche Lunte am Pulverfass und zumindest hier ist mittlerweile ausgeurteilt, dass eine solche Verfahrensweise zulässig ist.
Waffenrecht ist Bundesrecht. Das ist auch gut so. Wir GRÜNEN sehen nicht nur den zunehmenden legalen Waffenbesitz in wahrscheinlich unzuverlässigen Bevölkerungsteilen mit Sorge, sondern auch den illegalen Waffenbesitz. Wir möchten, dass sich die Staatsregierung auf Bundesebene um eine erneute Waffenamnestie bemüht, damit illegale Waffen aus dem Verkehr gezogen werden. Die letzte Amnestie war ein voller Erfolg. Zudem sollte das Waffengesetz dahingehend geändert werden, dass es grundsätzlich verboten wird, funktionsfähige Schusswaffen und Munition in Privatwohnungen an ein und demselben Ort aufzubewahren. Einer solcher Fall, wie er sich Mitte März in Leipzig zugetragen hat, bei dem Täter Schusswaffen und Munition aus dem Stahlschrank eines Ortsschützen entwendeten, könnte sich dann nicht wiederholen.
Herr Kupfer, nehmen Sie die Vorschläge der GRÜNEN-Fraktion mit zum Landesschützentag am Samstag. Es ist ureigenstes Interesse aller Sportschützen und ihrer Vereine, dass ihre Mitglieder zuverlässig sind und ihre Vereine nicht von Rechtsextremen oder fremdenfeindlichen Personen unterwandert werden.
Dazu bedarf es neben den erforderlichen staatlichen Kontrollen auch wache Vereine, die ungewöhnlich hohe Zuwächse von Mitgliedern, waffenrechtlichen Erlaubnissen und Schusswaffen in Sachsen in die gesellschaftlichen Entwicklungen einordnen. Solche Entwicklungen sollten nicht per se begrüßt, sondern mit einem Wachen Blick gesehen und ihnen mit entsprechenden Maßnahmen begegnet werden. Auch deshalb bitten wir um Zustimmung zu unseren Antrag.