Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Thema:
„Erstes Gesetz zur Änderung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes“ (Drs 6/13973), 11. Dezember, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Staatsregierung und die Koalition steigt man wieder ganz groß ein, im Kampf um das härteste Asylrecht und den traurigen täglichen Wettbewerb, wer der AfD am schnellsten mit Abschreckungspolitik hinterherläuft. Denn mit dem Gesetz wollen Sie nichts weiter als Schutzsuchende aus Herkunftsländern mit einer Bleibeperspektive von weniger als 20 Prozent für bis zu zwei Jahre in der Erstaufnahmeeinrichtung kasernieren.
Bei der Bestimmung, wer schlussendlich für 24 Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben muss, waren Sie auch noch sehr ‚kreativ‘. Bisher hat noch kein anderes Bundesland eine solche weitgehende Regelung umgesetzt: Sie bestimmen sehr willkürlich Personen aus Herkunftsländern mit einer bundesweiten Anerkennungsquote von unter 20 Prozent. Ich wünsche mir, ehrlich gesagt, diese Kreativität bei der Verwirklichung von Humanität, wie der Unterstützung der Seenotrettung, statt bei der willkürlichen Beschränkung von Menschenrechten mit solchen Gesetzen.
Aber ihre Kreativität entpuppt sich verfassungsrechtlich sehr schnell als purer Irrsinn.
Allein Ihre Berechnung der Anerkennungsquote ist abzulehnen. Sie berücksichtigt nicht die bereinigte Schutzquote. Ein Beispiel: nach Ihrer Berechnung haben Menschen aus Afghanistan eine Schutzquote von circa 35 Prozent. Nach der bereinigten Schutzquote, bei der nur inhaltliche Entscheidungen zum Herkunftsland und auch Gerichtsurteile berücksichtigt werden, kommt man sogar auf circa 49 Prozent. Das ist ein immenser Unterschied, den Sie einfach unter den Tisch fallen lassen – zum Nachteil von Schutzsuchenden.
Grundsätzlich ist zudem überhaupt nicht klar, ob der Freistaat hier überhaupt die Kompetenz zu der Verordnungsermächtigung hat. Das Ermächtigungsgesetz ist da nicht eindeutig. Es spricht vieles dafür, dass die Regelung nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Der Bundesgesetzgeber hat eben gerade nicht gewollt, dass die Länder frei bestimmen können, wer eine gute und wer eine schlechte Bleibeperspektive hat. Das wurde in der Anhörung mehr als deutlich.
Doch statt dies ernst zu nehmen, verabschieden Sie lieber ein rechtswidriges Gesetz und verlassen sich auf die Gerichte. Mit dieser Regelung bewegen Sie sich fernab humanitärer Erwägungen auch rechtlich in einem Mienenfeld.
Zudem stehen Sie vor schwer lösbaren Problemen: Denn Fakt ist, dass Menschen, sobald klar ist, dass das Asylverfahren dauert, aus den Unterkünften zu entlassen sind. So regelt es das Bundesgesetz.
Fakt ist auch, dass spätestens nach neun Monaten der Zugang zu Arbeit gewährt werden muss. Das ergibt sich aus der EU-Aufnahmerichtlinie. Nach dieser dürfen auch keine besonders schutzbedürftigen Personen in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden. Die Realität zeigt, dass das jetzt schon in der Praxis nicht beachtet wird. Mit Ihrem Gesetz wird das noch schlimmer werden.
Erwähnen möchte ich dabei hierbei auch noch das Problem der Beschulung. Nach drei Monaten ist Kindern der Zugang zu Bildung zu gewähren. In Chemnitz wurde gerade ein Curriculum in der Erstaufnahmeeinrichtung erprobt. Ein Rechtsgutachten kommt jedoch zu dem Schluss, dass der gesonderte Schulunterricht rechtswidrig ist und nicht die Voraussetzungen einer Beschulung erfüllt.
Abschließend möchte ich noch zu den anderen Punkten im Gesetzesentwurf kommen: die Kostenerstattungspauschale und die Wohnsitzauflage:
Ich habe meine Zweifel, dass die Neuberechnung der Kostenerstattungspauschale tatsächlich kostendeckend ist. Eine Vielzahl von Faktoren wie beispielsweise hohe Gesundheitskosten, die Notwendigkeit von guter sozialer Betreuung oder verteuerter Wohnraum sind nicht inbegriffen. Auch der Elastizitätsfaktor überzeugt nicht. In den Städten kann das zu Deckungslücken führen. Das wurde auch in der Anhörung deutlich. Hier ist dringend eine Überarbeitung notwendig, damit insbesondere die Kreisfreien Städte nicht auf immensen Kosten sitzen bleiben.
Auch die vorgesehene Wohnsitzauflage halte wir GRÜNE nicht für sinnvoll. Flüchtlinge zu zwingen, in Gemeinden zu bleiben, wo es für sie schwerer ist, Arbeit zu finden, wo keine Strukturen für sie existieren und sie schlichtweg oft nicht erwünscht sind, ist nicht zielführend. Nicht zu vergessen, dass der Verwaltungsaufwand für die Kommunen hoch ist. Eine Studie der TU Dresden zur Wohnsitzauflage von März 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass die Wohnsitzauflage allein nicht integrationsfördernd sein kann.
Statt der Einführung einer Wohnsitzauflage sollten wir lieber dafür sorgen, dass die Geflüchteten wie auch alle anderen gern und freiwillig bleiben.
Werte Kolleginnen und Kollegen,
bei Menschenrechten zu experimentieren verbietet sich im Grundgedanken der Humanität. Genau dies tun Sie aber mit dem Gesetzentwurf. Deshalb kann jede Fraktion mit einer klaren Haltung zu Menschenrechten diesen Gesetzentwurf nur ablehnen.
Vielen Dank.