– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Ziel der Einführung eines einheitlichen Buchführungssystems für die Kommunen auf Grundlage der doppelten Buchführung im Jahr 2007 war die Erhöhung der Transparenz des Gemeindehaushalts durch vollständige Abbildung der Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage der Kommunen. Neben der hohen Haushalts-Transparenz hat die diese kommunale Doppik einen weiteren Vorteil: sie ermöglicht die Messung des Nettoressourcenverbrauch und kann damit – einfach ausgedrückt – feststellen, ob die Kommunen überhaupt in der Lage sind, ihren Konsum selbst zu finanzieren.
In der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf wurde die Funktionsweise gut veranschaulicht: ein Schulgebäude das 1996 für 1 Mio. Euro erbaut worden ist und 50 Jahre genutzt wird, ist mit jährlich 20.000 Euro abzuschreiben. Das bedeutet, dass durch die jährlich zu erwirtschafteten Abschreibungen Liquidität für eine Reinvestition entstehen soll.
Mit der angestrebten Gesetzesänderung dürfen diese Abschreibungen, die für eine nachhaltige und generationengerechte Haushaltswirtschaft zwingend erforderlich sind, nun aber gegen das so genannte Basiskapital verrechnet werden. Mit dieser Änderung unternimmt die Staatsregierung nichts anderes als den Versuch, der Doppik in voller Fahrt einfach mal den Bremsklotz in den Weg zu werfen.
Da dies Verrechnungsmöglichkeit für das gesamte bis zum 31.12.2017 festgestellte Anlagevermögen gilt, haben wir bei größeren Investitionen eine komplette Umstellung auf die kommunale Doppik, mit allen Vorteilen einer nachhaltigen Haushaltswirtschaft erst in 50 Jahren erreicht. Sie können jetzt noch Großinvestitionen tätigen, die sie nicht abschreiben müssen. Und wenn Sie den Kommunen dies ermöglichen, werden sie es natürlich bis an die Grenze der Frist ausnutzen.
Das, was Sie hier machen ist somit nichts anderes als die faktische Aushöhlung der Doppik durch die Hintertür. Und anstatt das wenigstens zuzugeben, tun Sie von der Koalition so, als hätten sie den Stein der Weisen für die Kommunalfinanzen mit diesem Gesetzentwurf gefunden.
Man fragt sich ernsthaft, wozu all der Aufwand, wenn gerade die Vorteile der Doppik überhaupt nicht oder erst sehr spät greifen.
Ganz grundsätzlich müssen wir zudem feststellen, dass wir nicht wissen, ob es bei Weitergeltung der bisherigen Regelung tatsächlich dazu kommen würde, dass ein Großteil der Kommunen nicht mehr in der Lage wäre, ihre Ergebnishaushalte aus eigener Kraft auszugleichen. Wie es die Koalition als Horrorszenario an die Wand malt.
Die Sachverständige Prof. Jänchen hatte dies anhand der Planzahlen und des tatsächlichen ordentlichen Ergebnisses deutlich gemacht: Sieben von zehn Gemeinden hatten in der Haushaltsplanung einen negativen Ergebnishaushalt, der sich dann beim tatsächlichen ordentlichen Ergebnis als ausgeglichen herausstellte. So habe das Beispiel Chemnitz im Jahre 2013 gezeigt, dass der Haushaltsplan noch ein doppisches Defizit von 25,9 Mio. Euro auswies, der Jahresabschluss aber ein positives Ergebnis in Höhe von 58,1 Mio. Euro ergab.
Da stellt sich natürlich die Frage, ob das Problem, das mit diesem Gesetzentwurf gelöst werden soll, tatsächlich so vorhanden ist. Da hier aber offensichtlich noch eine Reihe von Zahlen für die letzten Jahre fehlen, da die kommunalen Jahresabschlüsse noch nicht vorliegen, beruht der Gesetzentwurf weniger auf Fakten sondern auf mutmaßlichen eintretenden Problemen. Aber Politik auf Basis von Gefühlen zu machen ist ja gerade in – von daher liege Staatsregierung und Koalition gut im Trend.
Aber selbst wenn es so wäre, dass ein Großteil der Kommunen aufgrund der Doppik keinen gesetzmäßigen Haushalt hinbekämen hätten wir GRÜNEN mit der vom Sächsischen Rechnungshof vorgeschlagene Kompromisslösung leben können, wonach wenigstens der Eigenanteil der Kommunen bei den Investitionen der letzten Jahre berücksichtigt und entsprechend abgeschrieben wird. Der nun vorgelegten Gesetzentwurf wird auf lange Sicht eine Generationengerechtigkeit der kommunalen Haushalte verhindern.
Abschließend noch ein Wort zur Verlängerung der Frist zur Anpassung der Gesellschafterverträge nach § 96a Sächsischer Gemeindeordnung um ein Jahr. Anstatt nur die Frist für die Anpassung der Gesellschafterverträge nach § 96a GemO zu verlängern, wurde gleich die Anwendung des gesamten, seit 2014 geltenden Gemeindewirtschaftsrechts für bestehenden Unternehmungen und Beteiligungen um ein Jahr verschoben. Das wäre überhaupt nicht erforderlich gewesen und führt unweigerlich zur Frage, ob Sie nicht noch ganz andere Dinge im Gemeindewirtschaftsrecht vorhaben, die sie uns bisher lieber verschweigen.
Entsprechend werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.
Rede zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Drittes Gesetz zur Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung“ (Drs 6/6016)
45. Sitzung des Sächsischen Landtags, 13. Dezember 2016, TOP 5