Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktion AfD: „Fünftes Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (Sächsische Gemeindeordnung – SächsGemO)“ (Drs 7/13727)
78. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 08.11.2023, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
die AfD sorgt sich mal wieder um die Demokratie im Freistaat – welch Ironie, keine Pointe.
Zukünftig sollen die Stadtbezirksbeiräte, ginge es nach der AfD-Fraktion, zwingend gewählt werden müssen. Eine alternative Bestellung, wie es die Gemeindeordnung bislang vorsieht, soll dann nicht mehr möglich sein.
Man kann über die Motivation zur Vorlage dieses Entwurfs nur spekulieren. Die Gesetzesbegründung liest sich auf jeden Fall wie eine Misstrauenserklärung gegen die kommunalen Gremien. Und damit gegen jene Institutionen, die die von der AfD so hervorgehobene lokale Demokratie wesentlich prägen.
Ich erspare Ihnen eine Wiedergabe aller Einzelheiten. Lassen Sie mich nur so viel sagen: Ein im Duktus eines Handbuchs der Parlamentsverachtung der neuen Rechten hervorgebrachtes Ausspielen eines „tatsächlichen Wählerwillens“ gegen diese ominösen „etablierten politischen Kräfte“ als Grund für eine Gesetzesänderung entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage.
Es zeigt sich wieder: Noch bei jedem vermeintlich guten Anliegen verirren Sie sich in ihrer Ideologie irgendwo zwischen Armin Moeller van den Brock und Carl Schmitt. Somit ist erneut der Beweis erbracht: Die wahren Oberideologen sitzen halt in der AfD.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir BÜNDNISGRÜNE stehen zur kommunalen Selbstverwaltung. Und dazu gehört auch, dass wir im momentanen Rechtsregime, das zwischen der Ortschaftsverfassung und der Stadtbezirksverfassung differenziert, den kreisfreien Städten überlassen, wie sie mit der rechteärmeren Stadtbezirksverfassung umgehen. Gegen die verpflichtende Wahl sprechen auch demokratietheoretische Gründe: Die Stadtbezirksbeiräte bleiben schlussendlich beratende Gremien. Die Bestimmung von Gremien ohne substanzielle Entscheidungskompetenz durch Wahl ist keineswegs unumstritten. Deshalb sollte die Entscheidung über den Kreationsmodus für die Stadtbezirke weiter vor Ort stattfinden.
Die Entscheidung sollte somit Gegenstand der kommunalen Selbstverwaltung bleiben – und damit eingehegt in jene institutionelle Garantie, die ein lokales demokratisches Zusammenleben sichern soll. Sie ist getragen von der Überzeugung, dass Bürger*innen vor Ort manchmal besser wissen, was sinnvoll und gut auf kommunaler Ebene ist.
Dass die AfD nun ihren Vorschlag auch damit begründet, dass sie die kommunale Mitbestimmung stärken will, nimmt sich im Lichte jüngerer Ereignisse doch etwas kurios an.
Erst im April dieses Jahres lehnte sie einen Antrag auf Änderung der Hauptsatzung in Chemnitz ab. Dieser hatte die Einführung von Stadtbezirksbeiräten zum Gegenstand. Aber so weit ging der Wunsch nach Berücksichtigung der Interessen der Bürger*innen in stadtbezirksbezogenen Angelegenheiten dann wohl bei der AfD doch nicht – ist wohl halt doch nur ein lex-AfD-Leipzig.
Vielen Dank!