Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion LINKE: „Gesetz über die psychosoziale Notfallversorgung im Freistaat Sachsen“ (Drs. 6/10491)
74. Sitzung des Sächsischen Landtags, 27. Juni, TOP 6
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
vor knapp zwei Jahren haben wir in diesem hohen Hause einen Antrag unserer Fraktion angehört, in dem es um die Einhaltung von Hilfsfristen im Rettungsdienst ging. Am Rande dieser Anhörung sprach mich der Sachverständige Prof. Dr. Heller vom Uniklinikum Dresden, an und machte mich auf eine Initiative von Kriseninterventionshelfer und Notfallseelsorgern aufmerksam, die sich für eine Landeszentralstelle für Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) stark machten.
Ich stellte eine Kleine Anfrage dazu und kam darüber in Kontakt mit der Initiative für diese Landeszentralstelle. Gesicht und Herz dieser Initiative war und ist Tom Gehre, Krankenpfleger und Notfallseelsorger beim Kriseninterventionsteam Dresden. Unter anderem seinem unermüdlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass wir hier und heute über die psychosoziale Notfallversorgung in Sachsen sprechen, über die vorhandenen Probleme und mögliche Lösungen.
Herr Gehre ist einer von über 500 überwiegend ehrenamtlich tätigen Personen in Sachsen, die die psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) gewährleisten, d.h. die Betroffene schwerer Unglücke und die Angehörigen der „helfenden Berufe“ nach schwierigen Einsatzlagen betreuen. Es geht dabei darum, den Betroffenen solcher Unglücke, Notfälle und Katastrophen schnelle Hilfe durch ausgebildete Fachkräfte zukommen zu lassen, damit sie mit den psychischen Folgen extrem belastender Ereignisse besser zurechtkommen.
In Sachsen liegt diese Aufgabe bei der unteren Brandschutz-, Rettungsdienst- und Katastrophenschutzbehörden (BRK-Behörden), die die PSNV über verschiedene Ämter, Vereine und Verbände organisiert haben. Auch die Koordinierung dieser ehrenamtlichen Kriseninterventions- und Notfallseelsorgern läuft über die Städte und Landkreise. Ich bin mir sicher – und das hat auch die Anhörung bestätigt – dass diese Strukturen im Großteil der Fälle gut funktionieren und den Betroffenen sehr helfen.
Es gibt jedoch Ereignisse, da geraten auch gut funktionierende örtliche Strukturen an ihre Grenzen. Das sind sog. Großschadenslagen, wie etwa der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, und Fälle mit überörtlichem Bezug, wie das schwere Busunglück in Bayern. In diesen Fällen fehlte es in Sachsen bislang an einer landesweiten Koordinierung der Hilfen durch eine zentrale Ansprechstelle, die die Angebote der PSNV koordiniert, bündelt und aufeinander abstimmt. Deshalb besteht die große Gefahr, dass nicht alle Hilfen bei den Betroffenen ankommen.
Wir GRÜNEN haben diese Forderung nach einer solchen Landeszentralstelle in einem Antrag aufgenommen und diesem zusammen mit dem Gesetzentwurf der LINKEN angehört. Das Ergebnis der Anhörung war eindeutig und hat auch die Koalition überzeugt. In Sachsen wird es bald eine solche Landeszentralstelle für Psychosoziale Notfallversorgung eingerichtet werden, so hat es der Innenausschuss am 14. Juni 2018 auf einen Antrag der GRÜNEN hin beschlossen.
Worüber sich die Experten in der Anhörung auch einig waren, war das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung. Hier knüpft der Vorschlag der LINKEN an. Mit ihrem Gesetzentwurf soll die Landeszentralstelle, ihre Aufgaben, eine Koordinierungsgruppe, ein Zentralstellenrat und ein jährlicher PSNV-Bericht geregelt werden.
Wir finden diese Vorschläge grundsätzlich gut und durchdacht. Allerdings sprechen momentan zwei Punkte gegen einen solchen Gesetzentwurf. Zum einen gab es in der Sachverständigenanhörung vielfach den Wunsch eher abstraktere Regelungen im BRKG zu treffen, um mehr Rechtssicherheit zu bekommen.
Zum anderen regelt der Gesetzentwurf schon viele der Details, deren Erarbeitung wir vorrangig in der Fachzuständigkeit der Landeszentralstelle sehen. Die einzurichtende Landeszentralstelle muss sich an den Empfehlungen zu den Qualitätstandards und Leitlinien der PSNV des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und den Erfahrungen anderer Bundesländer orientieren und in Großschadenslagen die Vernetzungs- und Koordinationsfunktion übernehmen. Sämtliche bestehenden sächsischen Strukturen sind in die Errichtung der Landeszentralstelle PSNV einzubinden. Auf dieser Grundlage sollte sie erst einmal errichtet werden und dann gemeinsam mit den Trägern und Strukturen die Details erarbeiten.
Ich bin mir sicher, dass der Gesetzentwurf der LINKEN insbesondere bei der gesetzlichen Neuregelung der Zentralstelle im BRKG noch eine Rolle spielen wird, er muss aber hier und heute nicht verabschiedet werden, da das Hauptziel – ein klares Bekenntnis für die Landeszentralstelle durch den Landtag und damit eine wirkliche Verbesserung für die Menschen in Sachsen – erreicht wurde. Wir GRÜNEN werden uns daher enthalten.