Glücksspieländerungsstaatsvertrag: Wir benötigen eine rechtssichere Regelung – dies ist beim aktuellen Entwurf nicht gegeben

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zur 2. Lesung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung „Gesetz zum Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag“ (Drs 6/8887)
60. Sitzung des Sächsischen Landtags, 27. September, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Werte Kolleginnen und Kollegen!

Die Regulierung des Glücksspiels gehört wohl zu den komplexeren Regelungsgefügen, für die die Länder zuständig sind. Wenn man sich als Staat nämlich nicht entscheiden kann, ob man Menschen vor Glücksspiel bewahren will, weil die Folgen einer Sucht schwerwiegend sind, wenn man auf der anderen Seite aber auf keinen Fall auf Einnahmen aus dem Glücksspiel verzichten will, dann trifft jede rechtliche Regelung immer nur die Mitte, mit anderen Worten: Sie ist in der Regel weder Fisch noch Fleisch.

Der Glücksspielstaatsvertrag, der seit 2010 im Fokus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht, ist dafür das beste Beispiel. Bis 2012 war Glücksspiel in Spielhallen und Spielbanken erlaubt, Sportwetten und Onlinespiele außerhalb staatlicher Anbieter indes verboten. Der EuGH hat bereits 2010 klargestellt, dass es einem Staat durchaus gestattet ist, das Glücksspiel zu beschränken. Er muss aufgrund des Kohärenzgebots jedoch vergleichbare Beschränkungen für einzelne Glücksspielbereiche, beispielsweise Lotterien, Spielhallen und Sportwetten, schaffen. Er kann sich also nicht einen Bereich heraussuchen und regeln, einen anderen aber ungeregelt lassen. Er muss dabei auch auf die konkreten Gefahren der Glücksspielsucht in den einzelnen Bereichen achten.

Die Politik hat auf die Rechtsprechung des EuGH reagiert und 2012 einen Kompromiss geschlossen, der die Janusköpfigkeit der gesamten Glücksspielpolitik in Deutschland rechtlich abbildet. Innerhalb einer Experimentierzeit von sieben Jahren dürfen 20 Sportwettenanbieter Konzessionen erwerben und Sportwetten anbieten; danach wollte man weitersehen.

Das Vergabeverfahren lief bekanntermaßen an. Es gab Konkurrenz. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat im einstweiligen Rechtsschutz, also nach einer summarischen Prüfung, festgestellt, dass die Konzessionierung, insbesondere die Entscheidungsbefugnis des sogenannten Glücksspielkollegiums, wohl rechtswidrig sei.

Aus der Anhörung ging allerdings hervor, dass beispielsweise Herr Dr. Pagenkopf, ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht, durchaus seine Zweifel an der Einschätzung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat; das haben auch andere. Er hat unter anderem die zwingenden Gründe, die der hier vorliegende Gesetzentwurf für eine Änderung des Staatsvertrags anführt, grundsätzlich infrage gestellt. Ob es also tatsächlich einer Änderung des GlücksspieIstaatsvertrags bedarf, kann daher auch von unserer Seite nur schwer beurteilt werden.

Klar ist aber, dass die Ratifizierung nun mit hoher Wahrscheinlichkeit am Landtag von Schleswig-Holstein scheitern wird. Damit ist dann wohl auch die Frage, ob das Hohe Haus hier und heute zustimmt, irrelevant. Die Karten dürften neu gemischt werden.

Fest steht nach der Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags durch das Land Hessen zudem, dass er Teile seiner Ziele — Spielerschutz, Jugendschutz und Suchtprävention — verfehlt hat. Der unregulierte Markt wächst stetig weiter. Nach dieser Analyse hätte ich mir gewünscht, dass sich die Länder dieses Problems endlich einmal grundsätzlicher annehmen und nicht nur Einzelkosmetik wie eine Deregulierung von Sportwetten vornehmen. Das ist auch der Grund dafür, dass sich meine Fraktion am Ende enthalten wird. Die Gelegenheit scheint auch vor dem Hintergrund der Entscheidung in Schleswig-Holstein eigentlich günstig.

Ich für meine Person bin für das Argument der Regulierung durch Liberalisierung durchaus offen, da wir es momentan mit einer Regelung zu tun haben, die die Grau- und Schwarzmärkte weitgehend so belässt, wie sie sind.

Wichtig ist meiner Fraktion vor allem aber eine rechtssichere Regelung. Auch das sehen wir — da kann ich an Herrn Kollegen Stange anknüpfen — mit dem momentanen Staatsvertrag eben nicht gegeben.

Zum Schluss möchte ich nochmals eine Forderung an den Ministerpräsidenten und an alle Minister richten: Informieren Sie bitte zukünftig den Landtag — es ist Ihnen unbenommen, das zu tun — frühzeitig über Verhandlungen zu Staatsverträgen. Es ist das Mindeste, dass der Landtag von den Themen, die die Staatsregierung verhandelt, Kenntnis hat und damit zumindest versuchen kann, Einfluss zu nehmen. Das zumindest ist auch der Grundgedanke unserer Verfassung.

Gerade bei diesem Staatsvertrag laufen nun schon die Verhandlungen für die nächste Runde und weitere Änderungen. Es ist an der Zeit, dass Sie, Herr Innenminister, das Parlament informieren, was im Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag dann mutmaßlich zu erwarten ist, bevor Sie dies hier vorlegen.
Vielen Dank.

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