GRÜNES-Karenzzeitgesetz – Wir müssen uns selbst Mechanismen geben, um den Anschein einer unziemlichen Verquickung von Interessen in der Öffentlichkeit zu vermeiden

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zur Ersten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Gesetz zur Einführung einer Karenzzeit für Mitglieder der Staatsregierung“, Drs 6/16866, Donnerstag, 14. März, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

mittlerweile dürfte auch die Letzten in Sachsen wissen, dass am 1. September Landtagswahlen stattfinden werden.

Die Folge von Landtagswahlen ist nicht nur eine Änderung der Zusammensetzung des Parlamentes, sondern meist auch eine Änderung der Zusammensetzung der Staatsregierung – wenn es nach uns geht, dürften sich gerne auch alle CDU-Ministerinnen und -Minister Gedanken über ihre Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt machen. Aber das können wir nicht mit einem Gesetz regeln, sondern liegt in der Hand der Wählerinnen und Wähler.

Was wir regeln können, ja sogar auch müssen, ist die Frage, wie es nach dem Ausscheiden aus dem Amt weitergeht. In den letzten Jahren haben wir vor allem auf Bundesebene immer wieder Fälle erlebt, in denen die anschließende berufliche Tätigkeit von Regierungschefs oder von Ministerinnen und Ministern eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen haben. Fragen, ob Kontakte aus der Regierungszeit versilbert werden; Fragen, ob nicht vor der beruflichen Tätigkeit beispielsweise für einen Konzern, Gefälligkeiten der Regierenden vorausgegangen sind. Dabei geht es gar nicht einmal um konkrete Tatsachen. Allein der Anschein, dass Regierungs- und Privatinteressen vermischt wurden, ist geeignet zu berechtigten öffentlichen Diskussionen.

Uns allen stehen die prominenten Fälle solcher Interessenskonflikte vor Augen. Dabei geht es nicht nur um Fälle, die nur anrüchig sind, wie der Wechsel des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Franz-Josef Jung zum Rüstungskonzern Rheinmetall. Offenbar waren die Verbindungen hier auch nach knapp sieben Jahren noch sehr stark. Uns allen ist der vollkommen berechtigte Aufschrei präsent, als publik wurde, dass der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder vier Monate nach seiner Niederlage bei der Bundestagswahl Aufsichtsratsvorsitzender einer Gazprom-Tochter wurde. Bei solchen Wechseln liegt ein Interessenskonflikt nicht nur nahe, er liegt auf der Hand – Schröder hatte sich als Bundeskanzler für die russische Ostsee-Pipeline eingesetzt.

Im Fall des ehemaligen Staatsministers des Bundeskanzleramtes, dem CDU-Mitglied Eckart von Klaeden, der aus seiner Position, mit einer Schamfrist von zwei Monaten, in den Daimler-Konzern (Bereich Politik und Außenbeziehungen) wechselte, ermittelte sogar die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Vorteilsannahme. Auch wenn das Verfahren eingestellt wurde, blieb der mehr als schale Beigeschmack, dass von Klaeden sein Amt nutzte, um die strengere CO²-Grenzwerte zu verhindern und sich dieses Engagement mit einer Beschäftigung in der Wirtschaft ‚vergolden‘ ließ.

Diese Liste von Seitenwechslern in Politik und Wirtschaft lässt sich um unzählige Beispiele von Regierungsmitgliedern fast aller Parteien erweitern. Es ist das große Verdienst der NGO ‚Lobbycontrol‘, die Lobbyismus in Deutschland regelmäßig thematisiert, dokumentieren und in die Öffentlichkeit tragen, dass wir um solche Fälle wissen.

Es ist grundsätzlich nichts unredliches daran, nach einer politischen Karriere in die Wirtschaft zu wechseln und auch Lobbyismus ist nichts per se verwerfliches. Allerdings müssen wir uns selbst Mechanismen geben, um zu verhindern, dass in der Öffentlichkeit der Anschein einer unziemlichen Verquickung von Interessen entsteht.

Unsere Aufgabe als Abgeordnete und Gesetzgeber ist es, zum Wohle der Menschen des Freistaates zu entscheiden. Besonders kritisch aber sollten sich die Entscheidungsträgerinnen und -träger an der Spitze der Ministerien mit den Einflussnahmen durch Lobbyisten auseinandersetzen. Es sollte eine Selbstverständlichkeit für jedes Mitglied der Staatsregierung sein, jeden bösen Schein zu vermeiden, dass ihre/seine spätere Beschäftigung in einem Zusammenhang mit ihren/seinen vorherigem Amt steht.

Die Hoffnung in diese Integrität und Selbstkontrolle reicht uns GRÜNEN aber nicht, denn die Erfahrungen zeigen, dass es endlich verbindlicher Regelungen bedarf.

Wir schlagen Ihnen deshalb vor, dass Ministergesetz um einen Paragrafen zu ergänzen, der eine Regelung zur Tätigkeit nach Beendigung des Amtsverhältnisses der Mitglieder der Staatsregierung einführt. Sie müssen der Staatsregierung anzeigen, wenn sie innerhalb der ersten 36 Monate nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes aufnehmen wollen.

Die Staatsregierung kann diese Beschäftigung für die ersten 36 Monate nach dem Ausscheiden ganz oder teilweise untersagen, wenn dadurch öffentliche Interessen beeinträchtigt werden. Davon ist z. B. auszugehen, wenn die angestrebte Beschäftigung in Bereichen ausgeübt werden soll, in denen das ehemalige Mitglied der Staatsregierung während seiner Amtszeit tätig war. Öffentliche Interessen sind auch dann beeinträchtigt, wenn das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität, also die Redlichkeit oder Unbestechlichkeit der Staatsregierung beeinträchtigt werden kann.

Wir halten es für richtig, dass die amtierende Staatsregierung selbst die Entscheidung über eine Karenzzeit der Vorgängerregierung fällt, denn sie kann am besten beurteilen, was ihr selbst zum Nachteil in der öffentlichen Wahrnehmung gereichen kann – denn am Ende fallen anrüchige Verquickungen auf die Politik als solche zurück.

Gleichwohl setzten wir – wie auch der Bund – auf eine Beratung bei der Entscheidung durch ein unabhängiges Gremium. Die Mitglieder dieses Gremiums sollen Funktionen an der Spitze staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen wahrgenommen haben. Das Gremium spricht der Staatsregierung eine Empfehlung dazu aus, ob es einem ehemaligen Mitglied eine Beschäftigung untersagt oder nicht. Damit diese Entscheidung nicht im Verborgenen bleibt, falls die Staatsregierung von der Empfehlung des Gremiums abweicht, ist die Empfehlung zu veröffentlichen.

Des Weiteren enthält unser Gesetzentwurf Regelungen zur konkreten Ausgestaltung der Arbeit des Gremiums und eine entsprechende Anwendung der Karenzzeitregelung auf Staatssekretärinnen und -sekretäre.

Uns ist durchaus bewusst, dass eine solche Regelung erheblich in die Berufsfreiheit eingreift. Aus diesem Grund haben wir für den Fall der Untersagung der Beschäftigung eine Rechtsgrundlage für die Zahlung des Übergangsgeldes für die Dauer der Karrenzzeit geschaffen. So können wir auch rechtfertigen, dass die sog. Abkühlphase in Sachsen 36 Monate dauern soll. Die im Bund vorgesehen 18 Monate halten wir für viel zu kurz. Wer diese Zeit für zu lang hält, den verweise ich gern auf das sächsische Beamtenrecht. Nach Paragraf 110 BeamtG gilt die Anzeigepflicht und Untersagungsmöglichkeiten für alle Berufsbeamten in den ersten fünf Jahren nach ihrer Amtszeit.

Im Bund gibt es seit Mitte 2015 eine Karenzzeitregelung, an der wir uns in unserem Gesetzentwurf orientieren. Die Bundesregierung hat aktuell aufgrund der Empfehlungen des Gremiums sowohl den geplanten Wechsel des Innenministers de Maiziere zur Telekom, den des Wirtschafts- bzw. Außenministers Gabriel zu Siemens und den des kommissarischen Verkehrsministers Schmidt zur Deutschen Bahn bis zur Ablauf der Karrenzzeit auf Eis gelegt.

Das Karenzzeitgesetz des Bundes greift erstmals und es scheint recht gut zu funktionieren. Andere Bundesländer haben ähnliche Regelungen – ein Karenzzeitgesetz stünde auch Sachsen gut zu Gesicht und wäre ein wichtiges Signal gerade auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen.

Nun habe ich ja schon von der CDU vernommen, es handele sich um Schaufensterpolitik, weil dieser Gesetzentwurf erst jetzt eingebracht würde. Das können Sie ja gerne so sehen. Aber gestern mahnte ihr Ministerpräsident Konsequenz an. Also seien sie mal konsequent und geben in unserer großartigen Parlamentsdatenbank mal die Parameter Gesetzentwürfe, Koalition und Staatsregierung ein – die Pointe nehme ich schon mal vorweg: Sie finden seit Jahresbeginn bis zum heutigen Tag 15 Gesetzentwürfe aus ihrer Feder und das waren sicherlich noch nicht alle. Würde ich diese 15 Initiativen wegen ihrer Einreichung kurz vor Toreschluss als ‚Schaufensterpolitik‘ bezeichnen und mich der Debatte verweigern, wäre der Aufschrei groß.

Von daher sollten Sie sich von diesem sinnlosen Argument verabschieden und sich der sachlichen Debatte stellen, warum es endlich auch in Sachsen ein Karenzzeitgesetz braucht! Wir meinen es ist Zeit dafür.

>> Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag ‚Gesetz zur Einführung einer Karenzzeit für Mitglieder der Staatsregierung‘ (Drs 6/16866):

https://www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Gesetzentwuerfe/6_Drs_16866_0_1_1_.pdf