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Jahrestag der Ausschreitungen von Heidenau

GRÜNE: Ermittelte Tatverdächtige der im Freistaat verübten rechtsmotivierten Straftaten kommen nahezu ausschließlich aus Sachsen

Sachsen landet bei rechtsmotivierten Straftaten im bundesdeutschen Vergleich stets auf den obersten Plätzen. Gleichwohl hielt so mancher Politiker die Sachsen für immun gegen Rechtsextremismus oder deklariert die Täter als Zugereiste.
Wie aus den Antworten einer Kleinen Anfrage von Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hervorgeht, kommen nahezu alle ermittelten Tatverdächtigen von im Freistaat begangenen, rechtsmotivierten Straftaten tatsächlich aus Sachsen.
 
„Die Sachsen sind leider mitnichten immun gegen Rechtsextremismus. Von den 2.046 seit 2015 ermittelten Tatverdächtigen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Rechts (‚Phänomenbereich Rechts‘) kommen 1.859 Personen aus Sachsen. Das sind über 90 Prozent. Wer anderes behauptet und von zugereisten rechten Gewalttätern spricht, hat nicht verstanden, wie es um die rechtsextremen Einstellungen im Freistaat bestellt ist“, erklärt Valentin Lippmann.
 
„Bei genauerer Betrachtung – so meine Auswertung – zeigt sich sogar, dass die Orte, die wegen rassistischer Krawalle und Übergriffe, tagelangen Belagerungen von Asylunterkünften, Brandanschlägen oder rechtem Terror ohnehin bundesweit traurige Bekanntheit erlangt haben, auch bei den ermittelten Tatverdächtigen unrühmlich hervorstechen: Während im sachsenweiten Durchschnitt im ‚Phänomenbereich Rechts‘ 46 Tatverdächtige auf 100.000 Einwohner entfallen, liegen die Werte in manchen Teilen Sachsens deutlich, zum Teil bis zum fünffachen Wert darüber.“
So entfallen auf die Stadt Meißen 27 Tatverdächtige, was einem statistischen Vergleichswert von 98 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner entspricht, auf die Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle, zu der Claußnitz gehört, 5 Tatverdächtige (101 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner). Auf Heidenau und Umfeld entfallen 31 Tatverdächtige (127 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner), auf Freital 98 Tatverdächtige (248 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner) und auf Hoyerswerda  31 Tatverdächtige (92 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner).
 
„Dieses Lagebild legt den Schluss nahe, dass die Täter in aller Regel auch aus den Orten oder umliegenden Gemeinden stammen, in denen sich die Taten ereigneten“, erläutert der Abgeordnete. „Offenbar fühlen sich die potentielle Täter von einer starken, rassistischen Stimmung in diesen Orten angespornt und die Hemmschwelle zu den Taten wird gesenkt.“
 
„Es kommt nun darauf an, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und notwendige Weichen für langfristige Entwicklungen zu stellen“, fordert Lippmann. „Wir brauchen einen baldigen Stellenaufwuchs bei Polizei und Justiz, um rechte Straftäter konsequent verfolgen zu können. Dass, wie bspw. in Meißen im Juni 2015 geschehen, die Polizei noch ermittelt, während sich dieselben Täter erneut Zutritt zum Gebäude verschaffen können, darf einfach nicht passieren. Zudem brauchen wir eine Stärkung der Sozialarbeit und der demokratischen Akteure, deren bessere personelle Ausstattung und eine Förderung, die mehrjährig und institutionell erfolgt.“
 
Hintergrund:
Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hatte nach den Ausschreitungen in Heidenau Ende August 2015 Heidenau seine frühe Aussage, Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus, bekräftigt und behauptet, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Täter von Heidenau keine Sachsen waren: https://www.ptext.de/nachrichten/lvz-biedenkopf-ostdeutsche-seien-weitegehend-immun-rechtsradikalismus-ueberwiege-995639
Eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Lippmann erbrachte demgegenüber die Erkenntnis, dass 47 von 48 der ermittelten Tatverdächtigen ihren Wohnsitz in Sachsen haben:
 
Neben den oben benannten Orten finden sich fallen auch örtliche Schwerpunkte von Tatverdächtigen auf, die bisher wenig im öffentlichen Fokus standen. Hierzu gehören neben Marienberg im Erzgebirgskreis mit statistisch 115 Tatverdächtigen pro 100.000 Einwohner und Oberwiera bzw. Waldenburg im Landkreis Zwickau mit 96 Tatverdächtigen pro 100.000 Einwohner ebenso Reuth bzw. Weischlitz im Vogtlandkreis mit 100 Tatverdächtigen pro 100.000 Einwohner. In Neukieritzsch im Landkreis Leipzig sind  es 116 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner sowie in Leißnig im Landkreis Mittelsachsen 238 Tatverdächtige pro 100.000 Einwohner.

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