Kommunalrechtsnovelle-Der Gesetzentwurf ist nichts weiter als ein Machwerk visionsloser Technokratie, verbunden mit einem Schlag gegen die kommunale Selbstverwaltung

Foto: Grünes Büro Dresden

 

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf der Staatsregierung ‚Zweites Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalwahlrechts‘ (Drs 6/10367)
64. Sitzung des Sächsischen Landtags, 13. Dezember, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

mit Blick auf die inhaltsleere Absichtserklärung vom Montag fragt man sich derzeit, woran man merken könnte, dass die SPD in diesem Land eigentlich mitregiert.
Insoweit sind meine Erwartungen an die SPD in dieser Koalition ja generell gering. Allerdings wagte ich zumindest beim Thema Demokratie auf eine Partei zu hoffen, die in ihrer rühmlichen Geschichte unter anderen einen Kanzler vorweisen kann, der in jene mit der Verpflichtung gewordenen Aufforderung, mehr Demokratie zu wagen, einging.

Ich wagte zu hoffen, dass mit der einzigen großen Kommunalrechtsnovelle in dieser Wahlperiode die Devise lauten würde: MEHR Beteiligung, MEHR Mitbestimmung und WENIGER Klein-Klein!
Nur allein mit dem Gesetzentwurf, den wir heute hier diskutieren, haben Sie, werte Kollegen und Kollegen von SPD, auch die letzte Hoffnung zerstört, dass in diesem Land mit einer schwarz-roten Koalition eine Demokratisierung der Kommunen eintritt, die gerade jetzt so zwingend nötig ist.

Denn der Gesetzentwurf ist nichts weiter als ein Machwerk visionsloser Technokratie, verbunden mit einem Schlag gegen die – so häufig von der CDU gepriesenen – kommunalen Selbstverwaltung.
Neben der notwendigen Behebung von Mängeln des Kommunalrechts und der sinnvollen Umsetzung aktuellen Anpassungsbedarfen bleibt am Ende eine einzige wesentliche Änderung, die durch dieses Gesetz erfolgt, stehen: Sie verhindern die Einführung der Ortschaftsverfassung in den kreisfreien Städten!

Mit dieser „Lex Dresden“ soll eine umfassende Demokratisierung der Ortsteile in Zukunft verhindert werden. Sie tun das, nachdem nun selbst die Landesdirektion die Einführung der Ortschaftsverfassung in Dresden als zulässig erkannt hatte. Und Sie tun das ohne Not, ohne Sinn und ohne Verstand.
Diesen Affront gegen die kommunale Demokratie versuchen Sie dann durch einen zahnlosen Tiger aufgewerteter Stadtbezirksbeiräte zu kaschieren.
Haben Sie, werte Kollegen und Kollegen der CDU und Sie, Herr geschäftsführender Innenminister, so viel Angst vor demokratischeren Strukturen in der Landeshauptstadt, dass Sie einen solch immensen Aufwand betreiben und alles dafür geben, dies zu verhindern?

Haben Sie bedacht, dass Sie die kreisfreien Städte vor eine Unzahl von neuen Problemen stellen? Haben Sie sich eigentlich mal nur im Ansatz die komplette Anwendung des zweiten Abschnitts des Kommunalwahlrechtes für die Wahl von Stadtbezirksbeiräten durchdacht? Mit allen Anforderungen und Hürden? Und das wofür? Für Nichts!
Am Ende bleibt es nämlich bei den derzeitigen Stadtbezirksbeiräte – mit marginal mehr Rechten, die zwar zukünftig gewählt werden können, aber kaum eine wirkliche Entscheidung treffen können. Sie entwerten so den Wahlakt als eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen und erweisen damit der Demokratie einen Bärendienst.

Wie ernst Sie es mit der kommunalen Demokratie dann nehmen, zeigt auch, dass Sie die Anwendung der Stadtbezirksverfassung anders als im ursprünglichen Vorschlag der Staatsregierung vorgesehen, dann wieder nur für die kreisfreien Städte ermöglichen wollen. Mit der grandiosen Begründung, dass die Bürgermeister dafür keinen Bedarf sähen.
Das ist doch grotesk. Aber Sie würden wohl als Koalition demnächst auch die Staatsregierung fragen, ob sie denn ein starkes Parlament für sinnvoll hält. Das scheint der bedauernswerte Anspruch an Gesetzgebung dieser Technokraten-Koalition zu sein.

Und nicht einmal Technokratie können Sie. In ihrer Besessenheit, die Ortschaftsverfassung für die kreisfreien Städte zu verhindern, hat die Staatsregierung einfach gepfuscht und gleichmal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, indem dies auch Ortschaften im kreisangehörigen Raum traf, die vor 1993 eingemeindet wurden. Anstatt zuzugeben, dass Sie über das Ziel hinausgeschossen sind, haben Sie in Ihrer Kleingeistigkeit die Regelung so lange verschlimmbessert, bis jetzt endgültig keiner mehr versteht, was Sie eigentlich wollen.

Liebe Koalition,

wir GRÜNE nehmen die kommunale Selbstverwaltung ernst. Wir wollen den Kommunen mehr Demokratie und direktere Entscheidungswege ermöglichen, anstatt sie zu verbauen. Wir haben Vertrauen in die Menschen vor Ort, die sich eigenverantwortlich für ihr Umfeld einsetzen wollen.
Dazu würde es auch gehören, die Beteiligungsrechte der Kinder- und Jugendlichen zu stärken. Hier hat die Koalition gleich mal eine Hechtrolle rückwärts hinter den schon weichen Vorschlag der Staatsregierung gemacht, indem sie das Ziel der Beteiligung wieder deutlich reduziert.
Dazu würde es auch gehören, die Minderheitenrechte des Stadtrates zu stärken, beispielsweise endlich eine verpflichtende Fraktionsfinanzierung festzuschreiben. Stattdessen gängeln Sie jetzt die Fraktionen durch die Beschränkung der Zahl der Stellvertreter in den Ausschüssen. Warum eigentlich? Hat die derzeitige Regelung bisher irgendwo geschadet?

Und selbst wenn man den Anspruch an Demokratie und Beteiligung in diesem Gesetzentwurf klein hält, bleiben – neben sicherlich einer Vielzahl kleiner und sinnvoller Änderungen – viele weitere Fragen!
Ist es wirklich sinnvoll die Anforderungen an den Fachbediensteten für das Finanzwesen derart abzusenken, bloß weil man jetzt das Ergebnis jahreslanger fehlerhafter Personalpolitik auch in den Kommunen sieht?
Ist dieses Nullum wirklich die Antwort auf Ihr vollmundiges Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, das kommunale Wirtschaftsrecht zu ändern, um die Wettbewerbsfähigkeit kommunaler energiewirtschaftlicher Unternehmen wiederherzustellen?
Und warum haben Sie es nicht mal vermocht das FDP-Relikt der gleichwohl sinnlosen und überbürokratischen Zwangsanhörung der Kammern bei kommunalen Unternehmensgründungen zu tilgen?

Werte Kolleginnen und Kollegen,

eine Koalition, die die Kommunen gängeln will und wichtige Herausforderungen nicht angeht, die die Bürgerinnen und Bürger nicht besser beteiligen will und ihre Entscheidungsrecht beschränkt und so die kommunale Demokratie aushöhlt, kann auf unseren Widerspruch zählen, aber keineswegs auf unsere Zustimmung hoffen.
Vielen Dank!

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Gesetzentwurf (Drs 6/11529)