Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema:
„Fachkräfte zum Erhalt der Handlungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gewinnen – jetzt umfassendes Personalkonzept erarbeiten“
(Antrag der Fraktion GRÜNE, Drs 6/14694, 8. November, TOP 11)
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer in den letzten Jahren in diesem hohen Haus aufmerksam war, dem kommt der Antrag, den wir heute behandeln, wahrscheinlich bekannt vor. Vor sieben Jahren hat die GRÜNE-Fraktion den ersten Antrag hier im Landtag gestellt, der die Staatregierung zur Erarbeitung eines Personalkonzeptes für die gesamte Landesverwaltung aufgefordert hat.
Sieben Jahre sind seit dem vergangen, dies ist mittlerweile der sechste Antrag der GRÜNEN in diese Richtung. Doch getan hat sich in Bezug auf eine nachhaltige Personalplanung herzlich wenig. Deshalb stellen wir heute diesen Antrag erneut. Weil es notwendig ist, dass wir uns mit der Frage befassen, wie wir den enormen Altersumbruch in der Verwaltung meistern und zukünftig ausreichend Personal haben, um die Aufgaben in Sachsen zu erfüllen. Weil Sie, werte Staatsregierung es offenbar leider immer noch nicht verstanden haben.
Ich weiß, aus der Koalition wird es jetzt gleich heißen, dass man in den letzten Jahren doch viel getan hat und noch tun wird, um den Kahlschlag bei der Landesverwaltung zu beenden. Und ja, das sehen wir durchaus. Ich bin froh, dass wir hier nicht mehr über das Damoklesschwert einer Zielzahl von 70.000 Landesbediensteten reden.
Damit ist allein es nicht getan. In den nächsten 15 Jahren wird gut die Hälfte der 80.000 Staatsbediensteten in den Ruhestand gehen. Ein tragfähiges Konzept oder eine überzeugende Strategie zur Bewältigung dieser Herausforderung gibt es bis heute nicht wirklich, obwohl es drängender notwendig ist denn je!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der SPD-Fraktionsvorsitzende Panter hat gestern sinngemäß in einer Pressekonferenz gesagt, dass der Reparaturbetrieb nun endlich zu Ende sei und es nun gelte zu gestalten. Das ist zweifelsohne richtig. Nach Auffassung der GRÜNEN verweigert sich dieser Staatsregierung schon viel viele zu lange der Gestaltung der Zukunft des Freistaates.
Gestaltung hat in Bezug auf Personalpolitik zwei Dimensionen: Um zu gestalten braucht man ausreichend Personal. Denn die Verwaltung eines Staates ist nicht die Sparbüchse des Finanzministers, sondern vielmehr die Voraussetzung dafür, dass ein Staat gestalten kann. Es gibt keine Gestaltung ohne gute Verwaltung.
Doch genau diese Gestaltungfähigkeit ist in Teilen der Verwaltung nicht gegeben, weil sie so radikal kaputtgespart wurden, dass das Ganze mehr einem Notbetrieb als einer Gestaltungsmacht gleicht.
In diesem Land dauern Planfeststellungsverfahren extrem lange, weil es an Personal fehlt. Die schleppende flächendeckende Umstellung auf Digitalfunk bei den Feuerwehren ist vor allem auf die personelle Situation in der Landesdirektion zurückzuführen. Der Arbeitsschutz in Sachsen ist weit entfernt von einer funktionierenden Ausstattung. Die Liste könnte man nahezu unendlich fortführen. Das alles sind Folgen von Kahlschlag und mangelnder Personalplanung.
Vielleicht ist unsere Forderung nach einem Personalkonzept für viele zu abstrakt. Aber ich mache Ihnen mal deutlich, was das konkret bedeutet, wenn es fehlt: Wenn, wie geschehen, ein für die IT einer Behörde zuständiger Mitarbeiter in Rente geht, ohne dass zuvor ein Nachfolger eingestellt und eingearbeitet wurde und von einem Tag auf den anderen die Behörde nicht mehr arbeitsfähig ist, dann ist das ein Planungsversagen erster Güte.
Jedes Unternehmen, das so arbeitet, würde pleitegehen, nur wir als Staat leisten uns den Luxus, dass es im lindnerschen Sinne offenbar besser ist, gar nicht zu planen als vermeintlich falsch zu planen! Das muss sich ändern!
Wir brauchen in Sachsen in allen Bereichen eine arbeitsfähige Verwaltung, die politische Ideen auch wirklich umsetzen kann. Deshalb braucht es jetzt ein Personalkonzept, um die Bereiche der Verwaltung zu identifizieren, die wieder mehr Personal brauchen und eine Personaloffensive, um dieses Personal möglichst zügig und nicht erst, wenn es zu spät ist, einzustellen.
Gestalten heißt in Bezug auf unsere Verwaltung aber auch, dass wir den demographischen Wandel in der Staatsverwaltung gestalten müssen, um auch in 10 bis 15 Jahren noch ausreichend hochqualifizierte Menschen in der Verwaltung haben. Genau hier liegt das nächste Problem.
Die Personalpolitik dieser Staatsregierung und auch der Koalition hangelt sich hier in fataler Art und Weise von Doppelhaushalt zu Doppelhaushalt. So wird man nie einen vernünftigen Personalbestand aufbauen können. Dazu braucht es nämlich eine gesunde Altersstruktur in der Verwaltung. Die Gruppe der 20-29-jährigen in der Verwaltung macht gerade einmal 7 Prozent der Landesbediensteten aus. Die Gruppe der 50-59-jährigen ist indes mit 39 Prozent mehr als viermal so hoch. Diese Staatsregierung hat es in den letzten Jahren verschlafen, durch gezielte frühzeitige Neueinstellungen über Bedarf, diese Alterskohortierung zu entzerren.
Und ich sage Ihnen: Dass wird sich rächen. Wir stehen jetzt vor dem lange bekannten Problem, wie das Kaninchen vor der Schlange: Wir haben allein um die ausscheidenden Bediensteten zu ersetzen einen solch hohen Personalbedarf, dass wir in der Konkurrenz mit 15 anderen Bundesländern, dem Bund, den Kommunen und der Wirtschaft, uns jetzt an jeden klammern müssen, den wir kriegen können.
Ganz plastisch: Herr Justizminister: bei den Richterinnen und Richtern sowie den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten gehen allein in den nächsten 15 Jahren 944 Personen in den Ruhestand. Ab 2028 müssten Sie quasi alle Absolventinnen und Absolventen des zweiten juristischen Staatsexamens ab der Note befriedigend einstellen, um die jährlichen Altersabgänge abzudecken — Sie wissen selbst, dass das nicht geht und das Sie die für das wichtige Amt des Richters erforderliche Bestenauslese nicht vornehmen können.
Um zu verhindern, dass die Lage noch prekärer wird, fordern wir die Erarbeitung eines Personalkonzepts, das konkrete Maßnahmen aufzeigt, wie die Gewinnung von 38.000 Fachkräften bis 2030 für den öffentlichen Dienst gelingen wird.
Dazu gehört selbstverständlich auch eine Aufgabenkritik, denn auch wir GRÜNE sind der Meinung, dass es bei der Optimierung von Arbeitsprozessen auch Einsparpotentiale gibt, die für andere Bereiche dringend benötigt werden.
Zudem fordern wir Sofortmaßnahmen für alle die Bereiche, in denen die Personalkommission schon 2016 dringenden oder sehr dringenden Handlungsbedarf gesehen hat. Eine entsprechende Personaloffensive, die die Einstellung von über 1.000 Fachkräften bei der Polizei, in der Justiz, in der Landesdirektion, im Landesamt für Umwelt und Landwirtschaft und anderen Behörden in den nächsten zwei Jahren vorsieht, haben wir Anfang der Woche vorgestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir lassen als GRÜNE nicht locker, wenn die Staatsregierung weiter mit der angezogenen Handbremse eines der größten Zukunftsplänen lösen will. Es wirkt ja zumindest ein bisschen: Sie setzen mittlerweile zaghaft Vorschläge von uns um, für die Sie uns vor zwei Jahren noch belächelt haben. Vielleicht ist es manchmal nicht nur eine Frage von Demut sondern auch von Weitsicht der Opposition gelegentlich auch mal was zu glauben.
Deshalb nochmal in gebotener Klarheit: Wir brauchen jetzt einen Plan, der den Namen verdient hat! Genau darum geht uns in diesem Antrag. Ein Personalkonzept, über alle Teile der Verwaltung, aus dem klar hervorgeht, wann welche Stellen in der Verwaltung absehbar frei wird, wann man diese mit welchem Personal nachbesetzen muss, wie dieses Personal ausgebildet sein muss und wie lange der notwendige Wissenstransfer für die Stellen dauert.
Aber auch das alleine reicht nicht, wir müssen die Anstrengungen für einen attraktiven öffentlichen Dienst intensivieren. Da ist es mit einer Arbeitgeberdachmarke nicht getan. Hier heißt es jetzt mal entschlossen zu handeln, statt weiter zu vertrösten.
Und an einem Punkt will ich das zum Schluss mal deutlich machen. Vor einem Jahr haben wir hier über das Thema sachgrundlose Befristungen gesprochen. Damals hieß es, man will das nur noch in Ausnahmefällen zulassen. Entschuldigen Sie, dagegen, was Sie uns damals aufgetischt haben, kommen einem Grimms Märchen wie luzide Tatsachenbehauptungen vor.
Die Zahl der sachgrundlosen Befristungen ist weiter gestiegen. Und selbst wenn die Koalition jetzt wieder meint, es wäre manchmal notwendig Menschen in der Verwaltung keine Perspektive zu geben, sagen wir GRÜNE ganz deutlich: Einen attraktiven öffentlichen Dienst gibt es nicht mit sachgrundlosen Befristungen und deshalb muss diese Praxis endlich und sofort beendet werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
stimmen Sie dem Antrag zu, damit wir in Sachsen endlich eine Personalplanung aus einem Guss machen, damit die Planlosigkeit dieser Staatsregierung ein Ende hat und damit wir in 10 Jahren hier keine Krokodilstränen weinen, weil dann festgestellt wird, dass man wohl eher und konsequenter hätte handeln müssen!