Polizeirepression. Polizeikontrolle. Polizeikennzeichnung.

Eine rege Diskussion zu übermäßigem Polizeihandeln bei Demonstrationen am 10. Juli 2015 in Leipzig.
Noch unter dem Eindruck des Demonstrationsgeschehens der vergangenen Wochen und Monate gegen LEGIDA sind ca. 40 Interessierte der Einladung der GRÜNEN Fraktion zur Diskussion über übermäßiges Polizeihandeln bei Demonstrationen ins Leipziger Pöge-Haus gefolgt.

Den Auftakt machten Christian und Johannes von der Demobeobachtungsgruppe Leipzig. Zusammen mit weiteren MitstreiterInnen hatten sie diese Initiative Anfang des Jahres ins Leben gerufen, um dem „grundrechtlich verbrieften Versammlungsrecht durch die Herstellung von Öffentlichkeit und der Dokumentation seiner Einschränkung mehr Geltung zu verschaffen“. Die DemobeobachterInnen legen dabei den Fokus auf das polizeiliche Handeln und die Wahrung der Grundrechte der VersammlungsteilnehmerInnen. Sie berichteten – u.a. durch Vortrag von veröffentlichten Beobachtungsberichten auf der Homepage – von den Demonstrationsgeschehen etwa am 20. April 2015 in Leipzig. Deutlich wurde bei den Ausführungen, dass die Polizei insbesondere bei sog. Gegendemonstrationen mit Maßnahmen agiere, die zu unnötigen Grundrechtsverletzungen führten. So hätten die DemobeobachterInnen bei einem Tränengaseinsatz der Polizei erlebt, dass VersammlungsteilnehmerInnen teilweise hilflos und weinend auf die unvorhersehbare Polizeigewalt reagiert haben. Sie könnten sich gut vorstellen, dass diese DemonstrantInnen – vor dem Hintergrund dieser Ereignisse – künftig nicht mehr zu Versammlungen gehen würden. Sie verwiesen zudem darauf, dass es den Betroffenen von solch polizeilichen Maßnahmen selten möglich sei, sich den Ausweis der handelnden Polizeibediensteten zeigen zu lassen.

Auch Eric Töpfer, Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte und Redakteur von Bürgerrecht und Polizei/CILIP betonte, dass Grundrechte ins Leere liefen, wenn Polizeigewalt nicht geahndet wird, sei es, weil die PolizeibeamtInnen wegen fehlender Kennzeichnung nicht identifizierbar seien oder weil Ermittlungsverfahren gegen PolizeibeamtInnen im überdurchschnittlich vielen Fällen eingestellt werden. Eine Kennzeichnungspflicht für PolizistInnen sei daher genauso zwingend geboten wie eine unabhängige effektive Ermittlungseinheit für Amtsdelikte und eine unabhängige Beschwerdestelle. Im Übrigen seien ihm keine negativen Folgen der Kennzeichnungspflicht bekannt. Umso wichtiger sei es – auch mit Blick auf den Gesetzentwurf der GRÜNEN – dass man die BeamtInnen mitnehme und für Akzeptanz werbe.

Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der GRÜNEN Landtagsfraktion, stellte den Gesetzentwurf über die Kennzeichnungs- und Ausweispflicht der Bediensteten der Polizei vor. Mit Blick auf die Gegner einer solchen Kennzeichnung, insbesondere in den Gewerkschaften, stellte er klar, dass es in jedem anderen Bereich staatlichen Handelns gang und gäbe sei, dass der Sachbearbeiter eines Bescheides namentlich unterzeichne. Er berichtete von seinen Erfahrungen, wonach viele PolizeibeamtInnen bereits ihrer Ausweispflicht auf Nachfrage der Betroffenen nicht nachkämen. Auch dies sei ein Grund, eine Pflicht zum Tragen des Namensschildes zu normieren. Er unterstelle PolizeibeamtInnen grundsätzlich keine Böswilligkeit bei der Ausübung ihrer Aufgaben und polizeilichen Maßnahmen. Vermutlich liege das Problem eher in Ausbildungsdefiziten und fehlender Kenntnis rechtsstaatlicher Grundsätze. Die stärkere Beachtung der Grundrechte durch die Polizei insbesondere bei Demonstrationen könne daher nur durch bessere Ausbildung, bessere Kennzeichnung und bessere Kontrolle der Polizei erreicht werden.

Durch die anschließende Diskussion führte Jürgen Kasek, Landessprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Debatte entspann sich zwischen Podium und Publikum über weitere Themen wie Videoüberwachung durch die Polizei, die Vor- und Nachteile von Bodycams, die Erfahrungen mit unabhängigen Ermittlungsgruppen und Beschwerdestellen sowie kritische Stimmen aus der Polizei. Themen also, zu denen sich weitere Diskussionsrunden und parlamentarische Initiativen anschließen müssen.