– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
warum ist es aus Sicht der AfD hier und heute notwendig über die Pläne der EU zum Waffenrecht zu reden? Der Grund, so banal, wie skurril: Marcus Pretzell, Vorsitzender AfD von Nordrhein Westfalen, möchte nicht zum Vegetarier zwangskonvertiert werden. Und weil er dem vorbeugen und sein Fleisch notfalls selbst schießen will, hat sich Herr Pretzell entschlossen, den Jagdschein zu machen. Das ist kein Witz, sondern kann man Welt-online vom 27.November entnehmen.
In Vorbereitung auf den Unterricht hat sich Herr Pretzell ins Waffenrecht vertieft und festgestellt, dass man sich in Deutschland, auch zum Schutz des um sich greifenden Vegetarismus, nicht einfach in den Wald begeben kann, um dort sein Fleisch zu schießen. In Deutschland können Waffen nur unter Einhalt strenger Auflagen erworben werden, teilte der angehende Jäger der WELT mit und stellte gleichzeitig klar, dass Jäger und Sportschützen nachweislich ordentliche und unbescholtene Bürger seien, da sie nach dem strengen deutschen Waffenrecht sonst keine Erlaubnis erhalten, Waffen zu besitzen. Jede weitere Verschärfung lehne er daher ab.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wissen sie, warum wir heute hier über die Pläne der EU reden, nach den Anschlägen von Paris, die Feuerwaffenrichtlinie zu ändern.
Und nun meinen Sie von der AfD und Teile der ca. 1,45 Mio Schusswaffenbesitzer, darunter auch die rund 27.000 sächsischen Schusswaffenbesitzer, sie werden demnächst von EU ihrer halbautomatischen Waffen beraubt. Die Vorschläge der EU bewegen sich durchaus in einem sinnvollen Bereich, deshalb halten wir sie erst einmal für einen Weg in die richtige Richtung, nicht zuletzt, weil es eben auf die Kennzeichnung, Registrierung von Waffen und Vereinheitlichung von Waffenrecht in der EU zielt.
Lassen Sie mich die Aktuelle Debatte dazu nutzen über Sachsen zu reden: Derweil ist die Gefahr, dass sie von den sächsischen Waffenbehörden auf Einhaltung der Aufbewahrungsvorschriften etc. kontrolliert werden sehr gering. Meine Kollegin Eva Jähnigen hatte die Zahlen 2014 abgefragt und errechnet, dass man als Waffenbesitzer in Sachsen im Schnitt gerade einmal alle 27 Jahre kontrolliert wird.
Fakt ist, meine Damen und Herren Kollegen, dass in Sachsen nicht nur die Zahl der Personen steigt, die legal in Besitz von Waffen sind, sondern auch die Zahl derer, die in Besitz von Waffen kommen wollen – Stichwort: Sachkundeprüfungen nach §7 WaffG.
So meldeten sich in den Schießsportvereinen allein von Januar bis Oktober 2015 insgesamt 346 Personen zu Sachkundeprüfungen an. So viele Prüfungsteilnehmer haben sich in den gesamten letzten vier Jahren nicht angemeldet. Auch bei den staatlich anerkannten Lehrgangsträgern hat die Zahl der Prüfungsteilnehmer zugenommen. Auch der Jagdschein – Herr Pretzell lässt grüßen – erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Ich glaube nicht, dass plötzlich viele Sachsen dem Schießsport frönen wollen. Nein, hier geht es offensichtlich darum, möglichst legal in den Besitz von Waffen zu kommen. Und dieser Entwicklung gilt es, einen Riegel vorzuschieben.
Auch der Kleine Waffenschein, den man etwa zum Führen einer Schreckschusspistole benötigt, wurde 2015 mehr als doppelt so oft ausgestellt wie im Vorjahr. Der Verkauf von frei verkäuflichen Waffen boomt wie nie, auch das ist eine besorgniserregende Entwicklung.
Und wer den Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Waffenbeschaffung und geschürten irrationalen Ängsten in der Bevölkerung negiert, dem empfehle ich den Blick in einschlägige Waffenforen. Da sind Mitglieder des Gun-Forums, einer Internetplattform für deutsche Waffenbesitzer, die – nebenbei bemerkt auch stolz darauf sind, zum „Pack, Mob und Dunkeldeutschland“ zu gehören – sich über jeden Politiker hermachen, der die Zunahme legaler Waffen erschreckend findet. Ich freue mich jetzt schon auf die freundlichen Zuschriften nach dieser Debatte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will keine Waffen in Händen von solchen Leuten sehen. Hier müssen die Waffenbehörden sehr sorgsam agieren, wenn es beispielsweise um die Zuverlässigkeitsprüfung geht, sonst droht uns ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Mehr Sicherheit erreicht man nicht mir mehr Waffen, sondern mit weniger.
Wir GRÜNEN haben hier eine klare Haltung. Wir fordern, dass die sichere Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition mindesten alle drei Jahre vor Ort kontrolliert wird, dafür bedarf es wesentlich mehr Personal in den Waffenbehörden. Wir fordern, dass Angehörige der extremen Rechten regelmäßig auf ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit überprüft werden und dass NPD-Mitgliedern die Waffenbesitzkarte oder andere waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen und die Einziehung ihrer Waffen angeordnet wird.
In Anbetracht der hohen Anzahl der Personen, die jetzt in die Schützenvereine oder zu den Jägern streben, müssen die Waffenbehörden außerdem sehr gründlich die waffenrechtliche Zuverlässigkeit überprüfen. Auch dafür bedarf es mehr Personal. Und da kann sich das Innenministerium nicht rausreden, man sei nicht zuständig, weil dies in der Hand der Kommunen läge. Doch sind Sie, Sie haben eine Fachaufsicht, die es auch durchsetzen zu gilt.
Wir fordern außerdem eine neuerliche Waffenamnestie, da es in Deutschland nach wie vor sehr viele illegale Waffen gibt. Und wir fordern eine Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Munition und Schusswaffen.
Zu alldem sagen die angekündigten Verschärfungen des europäischen Waffenrechts nichts. Wenn sie zu dafür beitragen, dass sich die Zahl der Schusswaffen in Deutschland verringern werden, sind sie zu begrüßen.
26. Sitzung des Sächsischen Landtags, 17. Dezember 2015, TOP 1