Stellenausschreibungen/Sachgrundlose Befristung – Befristete Arbeitsverträge darf ein Staat nicht ohne guten Grund durch eigenes Tun befördern

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Prioritätenantrag der Fraktion GRÜNE zum Thema:
„Fachkräfte für den öffentlichen Dienst gewinnen – Vorbildwirkung ernst nehmen – keine Stellenausschreibungen mehr mit sachgrundloser Befristung“ (Drs 6/12632)
69. Sitzung des Sächsischen Landtags, 15. März, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

es gibt politische Probleme, für deren Lösung es Dekaden braucht, es gibt jene politischen Probleme die zu komplex für einfache Antworten sind und es gibt solche, bei denen die Lösungen auf der Hand liegen und man sie einfach nur umsetzen muss.

Wir reden hier und heute über ein bekanntes gravierendes Problem, welches sich der letzteren Kategorie zuordnen lässt. Ein Problem, dass sich ganz einfach lösen lässt. Wir reden über das Gift unserer modernen Arbeitswelt – über sachgrundlosen Befristungen. Darüber, dass zu viele Menschen in Deutschland sich von einem befristeten Job in den nächsten hangeln, um über die Runden zu kommen. Mit allen bekannten Folgen: Befristete Arbeitsverträge erhöhen nicht nur das Risiko, nach Ablauf der Vertragsdauer arbeitslos zu werden, die fehlende Planungssicherheit erschwert jegliche Lebens- und Familienplanung oder macht sie nahezu unmöglich.
Solche Arbeitsverhältnisse darf ein Staat nicht ohne guten Grund durch eigenes Tun befördern.

Doch genau das tut er – und sogar im großen Stil! Im öffentlichen Dienst des Freistaats Sachsen sind derzeit über 1.760 Personen in sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Also in Arbeitsverhältnissen, für deren Befristung es keinen nachvollziehbaren sachlichen Grund gibt. Dieses Gebaren muss ein Ende finden!
Diese Unart von Stellenbefristungen war Thema bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin. Ich rechne es der SPD an, dass sie da vieles versucht hat. Aber das Ergebnis ist leider Trauerspiel. Deshalb müssen wir jetzt auf Landesebene handeln.

Wir müssen das Problem der sachgrundlosen Befristungen dort angehen, wo wir zuständig sind: in unserer eigenen Verwaltung.
Wir reden häufig von der Vorbildwirkung des öffentlichen Dienstes. Wenn wir dies endlich mal ernst nehmen, dann muss sofort Schluss sein mit sachgrundlosen Befristungen in unserem Zuständigkeitsbereich, werte Kolleginnen und Kollegen.
Denn: Warum haben 71 Lehrkräfte beim Landesamt für Schule und Bildung einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag? Warum arbeiten fast ein Sechstel aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landestalsperrenverwaltung ohne Grund befristet? Kann das Arnsdorfer Krankenhaus wirklich auf unzählige Fachkräfte zugreifen, so dass es sich es leisten kann, ganze 37 Beschäftigte ohne Zukunftsperspektiven befristet zu beschäftigen?

Wir reden alle derzeit über den drohenden Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst und über die Attraktivität der Verwaltung. Wir stehen davor, dass es auch in der Kernverwaltung bald eine Abstimmung mit den Füßen geben wird. Und was macht diese Staatsregierung? Sie schreibt eine Stelle nach der anderen mit sachgrundlosen Befristungen aus.

Unsere stichprobenartigen Recherchen zeigen, dass von den derzeit ausgeschriebenen befristeten Stellen über ein Drittel sachgrundlos befristet waren. Unter den aktuellen Ausschreibungen sachgrundlos befristeter Stellen befinden sich auch solche für ausgewiesene Fachkräfte. Da wird eine approbierte Apothekerin gesucht, eine Fachkraft mit einem Hochschulstudium der Biologie, Juristen sowie Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste.

Welche absurden Blüten dies teilweise treibt, zeigt exemplarisch eine Sachbearbeiterstelle der Landesdirektion im Referat 31 in der es heißt, dass man einen erfolgreichen Abschluss als Verwaltungs-Betriebswirtin mit mehrjähriger Berufserfahrung in der öffentlichen Verwaltung voraussetze. Wenn man zuvor jedoch in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis mit dem Freistaat gestanden hat, darf man sich aber, wie es in derselben Stellenausschreibung steht, nach Lesart des Finanzministeriums nicht mehr bewerben. Das ist doch an Absurdität nicht zu überbieten.
Die Auslegung des Bundesarbeitsgerichts zu § 14 Abs. 2 S.2 Teilzeit- und Befristungsgesetz für sogenannte „Bereits-zuvor-Arbeitsverhältnisse“ wird vom Finanzminister seit 2015 konsequent ignoriert.

Scheinbar glaubt diese Staatsregierung, dass Fachkräfte auf Bäumen wachsen. Mit einem solchen Denken arbeitet das Finanzministerium offensichtlich durch Sabotage der Fachkräftegewinnung weiterhin am Ziel nur noch 70.000 Menschen im Landesdienst zu beschäftigen.
Wenn Sie – wie den Eckpunktebeschluss der Staatsregierung zum Haushalt zu entnehmen ist – ernsthaft glauben, weiterhin ohne Personalaufwüchse in der Verwaltung auszukommen, was wir gleichwohl für Irrsinn halten, dann handeln Sie doch wenigstens für das bestehende Personal.
Stimmen Sie unserem Antrag zu und beenden Sie die sachgrundlosen Befristungen in der sächsischen Verwaltung.

Sehr geehrter Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

uns GRÜNEN ist bewusst, dass mit diesem Antrag nicht alle Probleme gelöst werden können. Wir wissen, dass auch endlos aneinandergereihte begründete Befristungen eine große Belastung darstellen und auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz entspricht nicht unserer Vorstellung von fairen Arbeitsbedingungen. Dafür braucht es Initiativen im Bund.
Heute geht es vorrangig um Sachsen. Das Problem scheint die Koalition nun auch im Ansatz erkannt zu haben. In ihrer trostlosen Absichtserklärung heißt es: „Sachgrundlose Befristungen im öffentlichen Dienst werden nur noch in begründeten Fällen genutzt.“

Sehr geehrter Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

was ist das denn für ein Käse? Eine Koalition, die meint, endlich das Unbegründbare begründen zu können, steht intellektuell vielleicht kurz davor, die Quadratur des Kreises zu lösen oder den heiligen Gral zu finden. Sie ist aber Lichtjahre davon entfernt, reale Probleme in diesem Land zu lösen!
Wenn wir jetzt nicht im öffentlichen Dienst merken, dass wir im Wettbewerb um die besten Köpfe für unsere Verwaltung stehen, werden wir dies bitter bereuen. Wir können uns schlicht keine sachgrundlosen Befristungen mehr leisten.
Und wenn Sie nicht wollen, dass den nächsten Gang nach Canossa in Anbetracht eines drohenden Personalnotstandes der Innen- oder der Finanzminister antritt, sollten Sie die Sonntagsreden von einem attraktiven öffentlichen Dienst ernst nehmen und unserem Antrag zustimmen.

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