Wann wird endlich klar, dass fremdenfeindliche und rassistische Strukturen und Positionen ein drängendes Problem in Sachsen sind?

Foto: Juliane Mostertz

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,

der Schock sitzt tief. Erneut ein Angriff mit mutmaßlich ausländerfeindlichem Hintergrund. Erneut viele Fragen und ein Schatten, der sich über Dresden und Sachsen legt.

Herr Innenminister, ich danke Ihnen, dass Sie umgehend Stellung vor dem Landtag genommen haben – gerade in der aktuellen Situation ist dies in notwendiges Signal auch in Richtung der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Sachsen.

Es gilt auch von meiner Seite klar zu sagen: Wer einen Sprengstoffanschlag auf eine Moschee verübt und dabei billigend oder Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringt, der begeht nicht nur widerwärtige und verabscheuungswürdigste Straftaten, sondern richtet sich auch gegen unsere Werteordnung.

Der feige Anschlag am Montagabend war nicht nur ein Angriff auf ein Gebäude, ein Angriff auf die darin lebenden Menschen, es war ein feiger und niederträchtiger Angriff auf eine ganze Religion damit auch ein Angriff auf die Freiheit in unserer Republik und auf unsere pluralistische Gesellschaft als Ganzes. Dem gilt es sich konsequent zu widersetzen und entgegenzustellen. Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gilt dem Imam der Moschee und seiner Familie. Sie haben nicht nur den Sachschaden zu davongetragen. Ein solcher Anschlag geht an den betroffenen Menschen nicht spurlos vorbei.

Werte Kolleginnen und Kollegen,
die konkrete Ermittlungsarbeit ist Sache der Polizei. Ich hoffe, dass es ihr gelingt möglichst schnell Ermittlungserfolge präsentieren zu können und die Motivation und die Hintergründe der Täter ans Tageslicht zu befördern.
Dennoch muss ich konstatieren, dass man sich gestern zeitweise unnötig Fragen ausgesetzt hat, die vermeidbar gewesen wären – Stichwort Tatortsicherung.

Auch wenn dies jetzt erklärbar ist, sei an dieser Stelle ganz klar und deutlich gesagt, wir können uns – gerade in der aktuellen Situation, gerade vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Motivation der Täter – nicht erlauben, dass auch nur der Anschein entsteht, hier würde es mit der Ermittlungsarbeit nicht ganz so genau genommen. Ich danke Ihnen, Herr Minister, für die Klarstellung heute.

Werte Kolleginnen und Kollegen,
die Polizei geht nach Lage der Dinge von einem fremdenfeindlichen Anschlag aus. Wenn dies zutrifft, dann ist der Anschlag ein erneuter Ausdruck eines vergifteten gesellschaftlichen Klimas. Eines gesellschaftlichen Klimas in der augenscheinlich die Hemmschwellen immer mehr bröckeln, rote Linien überschritten werden und sich der Hass in Gewalt endgültig Bahn bricht. Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, in dem zu lange zu wenig gegen Hass, Gewalt und Menschenfeindlichkeit unternommen wurde und vielmehr deren Apologeten teilweise politisch hofiert wurden und bis in die Parlamente gelangten.

Muss eigentlich immer etwas passieren, damit endlich klar wird, dass ein drängendes Problem in unserem Freistaat fremdenfeindliche und  rassistische Strukturen und Positionen sind? Dass wir es mit einer immer neuen Qualität von Gewalt bis hin zum Terror gegen Ausländer zu tun haben.

Es ist Aufgabe der Politik ist, sich diesen Tendenzen und dem Klima des Hasses entgegenzustellen, statt es zu relativieren oder gar zu hofieren. Der feige und gezielte Anschlag auf eine Moschee am Montag sollte die letzte Lehre sein, hier Haltung und Entschlossenheit zeigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir müssen den Menschen in Sachsen endlich das Gefühl geben, in Freiheit und Sicherheit leben zu können damit meine ich weniger jene, die am Tag der Deutschen Einheit feiern wollen und um deren imagebedingtes Nichterscheinen man sich nun vordringlich sorgt – dafür wird ein umfassender Sicherheitskonzept sorgen. Sondern jene, die Anfeindungen, Hass und Gewalt ausgesetzt sind. Wir dürften es nicht zulassen, dass Menschen Angst vor Ausübung ihrer Religion haben, wir dürfen es nicht zulassen, dass Menschen Angst vor politischer Betätigung haben, weil sie das Gefühl haben zur Zielscheibe für Gewalttäter oder gar Terroristen zu werden.

Wir dürfen uns an derartige Zustände vor allem nicht gewöhnen und dass wir heute auch noch über die Ereignisse in Bautzen debattieren werden, spricht diesbezüglich mehr als Bände.

Wir dürfen nicht zulassen, dass Anschläge, Gewalt und Anfeindungen zur bitteren Realität im Freistaat werden. Wir dürfen nicht scheibchenweise den Gegnern unserer Republik das Feld überlassen und ihnen ermöglichen Angst und Hass zu verbreiten.

Es ist sonst wie beim Bild des Frosches, der angeblich nicht merkt, dass die Temperatur in seinem Becken langsam immer weiter so erhöht wird, bis er gekocht ist. Unser Werteordnung und unserer Demokratie darf es so nicht ergehen. Wir brauchen endlich ein spürbares Aufwachen in Sachsen – für Mitmenschlichkeit und gegen Hass und Gewalt.

Es gilt einmal mehr: Es muss Schluss sein mit dem Anbiedern an die Feinde unserer Republik und an die Gegner unserer pluralistischen Wertordnung, egal ob innerhalb oder außerhalb der Parlamente. Unsere Aufgabe ist es Hass und Gewalt endlich den Nährboden zu entziehen statt diesen zu bereiten.

Es gilt, durch entsprechendes Agieren der Sicherheitsbehörden, als auch durch eine klare Haltung der Politik alles daranzusetzen dass sich derartige feige Anschläge wie am Montag, nicht mehr wiederholen weder am Wochenende, noch in den kommenden Wochen noch überhaupt in der Zukunft.

Werte Kollegen und Kollegen,
zu guter Letzt eine deutliche und klare Botschaft meiner Fraktion: Man mag den deutschen Nationalfeiertag begehen, wie es einem persönlich lieb ist. Aber es muss klar sein, jene Menschen, die am 3. Oktober in Dresden diesen beim Bürgerfest begehen wollen, müssen dies in Freiheit und Sicherheit tun können. Wir dürfen der Angst nicht das Feld überlassen. Das Reden von einem Krisenmodus durch die Polizei ist da wenig hilfreich.

Ich bin mir sicher, dass die Polizei dies durch geeignete Maßnahmen, wie sie heute auf den Seiten des Innenministers beschrieben wurden, die Sicherheit ALLER Menschen gewährleistet.

Wir dürfen uns von Hass und Gewalt nicht einschüchtern lassen und damit schlussendlich den Tätern den Sieg überlassen. Wir dürfen aber auch nicht so tun, als wäre nichts gewesen.

Über dem Wochenende liegt ein Schatten, der uns alle zum Nachdenken, aber vor allem zum Handeln und zum Eintreten für die Grundwerte des Wiedervereinten Deutschlands bringen muss – für Freiheit, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit.

Rede zur Diskussion im Sächsischen Landtag über die beiden Sprengstoffanschläge in Dresden
41. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. September 2016 (außerhalb der Tagesordnung)