Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzentwurf „ Gesetz über den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Freistaat Sachsen (Whistleblower-Schutzgesetz)“ (Drs 6/13335)
- Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 10. April, TOP 5
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor ziemlich genau einem Monat, am 11. März 2019, haben die Vertreter des EU-Parlaments, der EU-Staaten und der Europäischen Kommission in den sogenannten Trilog-Verhandlungen einen Kompromiss gefunden, der europaweit eine Garantie für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schaffen soll.
Die Richtlinie soll noch in diesem Monat erlassen werden und ist ein Meilenstein für den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber. Sie umfasst den Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Das scheint auf den ersten Blick ein recht begrenzter Umfang zu sein, ist es aber nicht.
Umfasst sind u.a. das Vergaberecht, Finanzdienstleistungen, die Produktsicherheit, der Umweltschutz, die öffentliche Gesundheit oder der Schutz der Privatsphäre. Die Richtlinie soll sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor gelten.
Mit der Richtlinie werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, interne Kanäle und Verfahren für die Übermittlung und Weiterverfolgung von Meldungen einzurichten. Dies gilt beispielsweise für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Ferner werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, externe Meldekanäle einzurichten, die eine unabhängige, autonome, sichere und die Vertraulichkeit wahrende Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen sichert.
Der Kern der Richtlinie regelt den besonderen Schutz von Hinweisgebenden und betroffenen Personen. Dieser Schutz besteht bereits dann, wenn der Hinweisgeber >>hinreichend Grund zu der Annahme hat, dass die von ihm gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung der Wahrheit entsprachen und in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen<<. Selbstverständlich muss der Schutz von Hinweisgebenden an ihren Beweggründen ansetzen, die nur bedingt objektivierbar sind.
Zu ihrem Schutz ist jede Form von Repressalien gegen Hinweisgebende verboten, dazu zählen beispielsweise auch die Versagung einer Beförderung, Aufgabenverlagerung oder sonstige Benachteiligung. Hinweisgebende, die aufgrund der Richtlinie extern Meldung erstatten, dürfen nicht als Personen gelten, die eine vertraglich oder gesetzlich geregelte Offenlegungsbeschränkung verletzt haben.
Nun könnten wir uns zurücklehnen und sagen: Gut, dann brauchen wir ja das Gesetz der GRÜNEN nicht mehr oder wir brauchen es noch nicht – da ist ja die Koalition stets sehr flexibel, wenn es um das Bemühen geht, eine irrationale Begründung für die Ablehnung von Gesetzentwürfen der Opposition zu finden.
Dem ist aber nicht so. Die Richtlinie tritt vermutlich im Mai in Kraft, die Mitgliedsstaaten – also auch Sachsen – haben bis zum 21. Mai 2021 Zeit, die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Regelungen zu erlassen. Da die Pflichten nicht nur die Bundesrepublik betreffen, sondern beispielsweise auch für Kommunen gelten, ist auch der Freistaat Sachsen zur Umsetzung gefordert. Wir GRÜNEN gehen mit unserer Forderung aber noch über die Richtlinie hinaus. Bevor hier Fragen kommen: ja, das ist erlaubt, wenn der Schutzstandard höher ist. Wir fordern den Schutz der Whistleblower selbstverständlich auch bei Verstößen, die nicht EU-Recht betreffen, sondern sächsische oder bundesrechtliche Regelungen (z. B. bei erheblichen Straftaten), oder wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit oder Umwelt droht.
Und wir GRÜNEN fordern den Schutz von Hinweisgebenden ab sofort und nicht erst im Jahr 2021, denn schon heute gibt es Situationen, in denen redliche Bedienstete des Schutzes dieses Gesetzes bedürfen.
Ich will hier nicht behaupten, dass mit diesem Gesetz alle Verpflichtungen aus der Richtlinie umgesetzt wurden. Sie war uns ja bei Erarbeitung dieses Gesetzes nicht bekannt. Gerade bei den Verfahren zu internen und externen Meldekanälen ist die bloße Ernennung eines Vertrauensanwaltes oder die Errichtung eines elektronischen Systems zur anonymen Kommunikation, so wie wir es vorgesehen haben, noch nicht ausreichend. Hier bedarf es sicherlich einiger Anpassungen im Beamtengesetz, die aber mit denen des Beamtenstatusgesetz komplementär gehen müssen. Die von uns vorgeschlagene Regelung zur Ermessensausübung im Bereich des § 353b Absatz 4 StGB finde ich nach wie vor charmant und kompetenzrechtlich möglich. Aber auch wird sich bei der Umsetzung der Richtlinie zeigen, ob weitere Anpassungen im Geltungsbereich sächsischer Gesetze erforderlich sind. Im Disziplinarrecht ist eine Umsetzung auf jeden Fall notwendig. Da das Vergaberecht europarechtlich schon weit überformt ist, werden künftig solche Regelungen, wie wir sie derzeit treffen, nicht nötig sein.
Mit unserem Gesetzentwurf haben wir schon heute die Möglichkeit, Whistleblowern in Sachsen einen gewissen Schutz zu bieten. Es ist Zeit, zu handeln und nicht schon wieder das nächste Thema auf die lange Bank zu schieben. Wir bitten um Ihre Zustimmung.
>> Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‚Gesetz über den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Freistaat Sachsen (Whistleblower-Schutzgesetz)‘ (Drs 6/13335) hier