Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Gesetz zur Änderung wahlprüfungsrechtlicher Vorschriften und des Sächsischen Verfassungsgerichtshofsgesetzes“ (Drs 7/13705)
85. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 20.03.2024, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
als Wunder gilt ein außergewöhnliches, den Naturgesetzen widersprechendes und deshalb übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Ereignis. Als Freund der Aufklärung stelle ich nur ungern den Transzendenzbezug her, aber:
Wenn die AfD es tatsächlich geschafft haben sollte, eine nicht grob fehlerhafte Liste aufzustellen und sich ausnahmsweise einmal nicht zum Vollpfosten des Wahlrechts zu machen, wäre das für mich ein Wunder.
Denn eins war bisher so sicher wie das Amen in der Kirche. Die nächste Wahl kommt bald, der nächste Formfehler der AfD garantiert. Denn: Wer vom Sturz des Systems träumt und die große vermeintliche- Weltverschwörung aufdecken will, der kann sich doch nicht auch noch um einfachste Regeln kümmern.
Die AfD und ihre Wahlfehler waren bisher eine wandelnde Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Verfassungsgerichtshof. Auch unser Gesetzentwurf ist indirekt eine Ausprägung eines AfD-Fehlers – dem Fall Samtleben.
Ihr früheres Mitglied Samtleben wurde von Vertrauensleuten ihrer Partei ohne Angabe von Gründen von der Liste gestrichen. Daraufhin elaborierte der sächsische Verfassungsgerichtshof 2018, dass bei Fehlern eine Neuwahl ultima ratio sei, gleichwohl die Streichung des Bewerbers rechtswidrig war und der Fehler auch Mandatsrelevanz entfaltete.
In der Entscheidung wird deutlich, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen effektiver Beschwerdemöglichkeit und Beschleunigungsgebot gibt. Genau an dieser Stelle setzt der Gesetzentwurf an.
Wir setzen erstmals konkrete Fristen für die Dauer der Wahlprüfung, um effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen. In Umsetzung des Koalitionsvertrags gelingt uns hier mit einer Ausschlussfrist von 15 Monaten eine gelungene Abwägung. Der Landtag hat dann genug Zeit, um alle Fehler zu prüfen und die Beschwerdeführer haben auch die Chance, nicht von vornherein am Bestandsschutz des Parlamentes zu scheitern.
Zudem ermöglichen wir in den Fällen, in welchen die gesetzte Frist unbegründet durch den Landtag überschritten wird, den Beschwerdeführenden direkt den Gang zum Verfassungsgerichtshof. In solchen Fällen gehen wir nunmehr davon aus, dass eine nicht begründbare Verzögerung eine Nichtentscheidung des Landtages darstellt, die eine faktische Entscheidung im Sinne von Artikel 45 der Verfassung darstellt und den Gang zum Verfassungsgerichtshof im Wege einer speziellen Untätigkeitsbeschwerde ermöglicht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
gerade die Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker wissen, das parlamentarische Wahlprüfverfahren muss als Ausprägung des Konstitutionalismus verstanden werden. Das Parlament erhielt das Prüfrecht als Schutz vor dem Monarchen und seiner wenig demokratisch gesinnten Justiz.
Mit Blick auf die Entstehungsgeschichte dieser deutschen Eigenheit gibt es zurecht immer wieder Forderungen, die Wahlprüfung generell von Parlament wegzunehmen und beispielsweise gleich dem Verfassungsgerichtshof zuzuweisen oder aber an ein eigens dafür zuständiges Gericht. Für solche Überlegungen haben wir BÜNDNISGRÜNE durchaus Sympathien, allerdings wäre dafür zwingend eine Verfassungsänderung nötig, weshalb wir zunächst einen anderen Weg gehen.
Durch den Gesetzentwurf ermöglichen wir eine Wahlprüfung, die die hohe Stellung des Parlaments achtet und gleichzeitig der Bedeutung des Verfassungsgerichtshofs gerecht wird. Wir sichern insgesamt einen ordnungsgemäßen und effektiven Ablauf der Wahlprüfung. Zusätzlich erweitern wir auch den Kreis der Einspruchsberechtigten – in Zukunft können noch größere Teile der Bevölkerung auf Fehler hinweisen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir wissen ein starker unabhängiger Verfassungsgerichtshof ist eine wichtige Stütze für ein starkes zukunftsgewandtes Sachsen.
Mit unserem Gesetzentwurf modernisieren wir nicht nur das Wahlprüfverfahren, sondern auch das Verfassungsgerichtshofgesetz.
Wir stärken dessen Unabhängigkeit für die Zukunft und sichern damit auch das Vertrauen. Wir erweitern die Inkompatibilitätsvorschriften für den Verfassungsgerichtshof auf eine Mitgliedschaft in anderen Institution. Wer Mitglied des Verfassungsgerichtshofes ist, kann nicht zugleich Teil einer anderen Staatsgewalt sein. Das ergibt sich eigentlich schon aus den Grundsätzen der Verfassung – um aber dies ein für alle Mal der Interpretation zu entziehen, schreiben wir dies klar ins Gesetz. Es geht uns nicht darum, eine tatsächlich bestehende Interessenskollision abzubauen, sondern darum, den bloßen Anschein der Parteilichkeit und Voreingenommenheit für die Zukunft zu verhindern.
Ich bitte Sie daher abschließend um Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Lassen Sie uns gemeinsam Sachsen im Bereich der Wahlprüfung und des Verfassungsgerichtshofgesetzes für die Zukunft wappnen.
Vielen Dank!