– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn man die Herausforderungen im Innenbereich und die Versprechen der Koalition ernst nehmen würde, dann dürfte im Einzelplan 3 kein Stein auf dem anderen bleiben.
Wenn ich den zu verabschiedenden Haushalt des Innenministeriums im Ergebnis in einem Satz zusammenfassen müsste, würde dieser wohl lauten: „Mit Korrekturen bei der Stellenausstattung der Polizei und unter der Hoffnung auf die Ergebnisse gleich zweier Kommissionen, wird der Stellenabbau weitestgehend so weiter betrieben wir bisher.“
Liebe Koalition, da hätte man mehr erwarten können bei den Herausforderungen in der Innen- und Sicherheitspolitik.
Zuerst zur wichtigsten Baustelle, dem Stellenabbau bei der Polizei. Nach den Verlautbarungen der SPD, man wolle den Stellenabbau stoppen und einer entsprechend vagen Ankündigung im Koalitionsvertrag zeigt der vorliegende Haushalt, dass es dabei eindeutig nur um den Stellenabbau, welchen CDU und FDP 2010 zusätzlich vorgenommen haben, ging.
Sie gleichen mit ihren Plänen für einen Einstellungskorridor gerade einmal die kommenden Altersabgänge bei der Polizei aus, die in den kommenden beiden Jahren entstehen. Das ist zu wenig. Mit dieser Politik wird die Sicherheitslage im Freistaat Sachsen weiter verschärft werden.
Die mahnenden Stimmen werden immer mehr. Erst vergangene Woche war es der Chemnitzer Polizeipräsident, der warnte, dass es infolge des Stellenabbaus und einer zunehmenden Arbeitsbelastung bei der Polizei nicht mehr gewährleistet sei, dass die Polizei in Notsituation rechtzeitig vor Ort ist. Wenn das ein Polizeipräsident sagt, ist das mehr als ein Alarmsignal. Hier besteht akuter Handlungsbedarf, den man eben nicht in eine Polizeikommission verschieben kann.
So richtig wir die Kommission finden, so falsch ist es, den Stellenabbau nicht vollständig zu stoppen. Ich habe, metaphorisch gesprochen, das Gefühl: Die Hütte brennt und die Koalition möchte erst einmal einen Arbeitskreis bilden, um zu klären, mit welchem Mittel man eigentlich löschen sollte.
Wir merken auch bei anderen Gelegenheiten, dass die sächsische Polizei überlastet ist. Die Beschwerden über polizeiliches Verhalten bei Großeinsatzlagen häufen sich – zuletzt bei den Demonstrationen gegen LEGIDA am 20. April in Leipzig. Ich will mögliches polizeiliches Fehlverhalten nicht entschuldigen, meine Damen und Herren, aber ich kann mir vorstellen, dass solche Ereignisse auch schlicht die Folge einer permanenten Überlastung unserer Polizei sind.
In den kommenden Jahren werden bei der sächsischen Polizei weitere 1.200 Stellen abgebaut und dieser Haushalt findet keine Antwort darauf, wie man diesem Problem im Hier und Jetzt begegnen kann.
Aber es gibt noch andere Baustellen in diesem Einzelplan.
Wir werden die Diskussion ja morgen noch einmal in der Aktuellen Debatte führen. Für uns GRÜNE gilt: Sachsens Landesamt für Verfassungsschutz ist im Vergleich zu anderen Bundesländern maßgeblich überdimensioniert. Zumal wir nach den Erfahrungen mit dem NSU und dem Versagen der Verfassungsschutzbehörden nicht davon ausgehen sollten, dass hier gilt: „Viel hilft viel“. Eine Reduktion der Mitarbeiter im Landesamt für Verfassungsschutz wäre angezeigt gewesen. Diese Stellen werden woanders – beispielsweise bei der Polizei – sinnvoller gebraucht.
Zu einem der größten Problembereiche neben der Polizei avanciert in diesem Haushaltsplan mittlerweile die Landesdirektion. Hier zeigt sich endgültig, dass die Koalition mit der Hoffnung, dass eine Personalkommission der heilsbringende Gral sein wird, scheitern wird – die Ergebnisse werden zu spät kommen.
Bis die Kommission zu einem tragfähigen Kompromiss kommen wird, werden erhebliche Teile der Kontrollverwaltung der Landesdirektion, vor allem die Bereiche Umweltkontrolle und Arbeitsschutz derart ausgedünnt sein, dass die Erfüllung staatlicher Aufgaben kaum noch möglich sein wird. Ich finde die Vorstellung einer Arbeitsmedizin ohne Mediziner nicht lustig, sondern im hohen Maße besorgniserregend. Wir laufen hier in ein organisiertes Staatsversagen, liebe Koalition, und zwar mit Ansage. Hier muss man jetzt handeln und nicht, wenn es zu spät ist.
Dass es die Koalition auch mit der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit im Innenbereich nicht mehr so ernst nimmt, zeigt das Beispiel des Rechenzentrums für Telekommunikationsüberwachung. Hier wird Geld für ein Projekt ohne tragfähige Rechtsgrundlage und ohne den Hauch einer Realisierungschance eingestellt.
Aber es gibt auch Lichtblicke in diesem Einzelplan:
Einzelne gute Ansätze sind sichtbar, etwa die Pläne zum behördlichen Gesundheitsmanagement oder auch die erhöhten Mittel für die Fortbildung bei der Polizei, etwa für interkulturelle Bildung – die Sie mit der Zustimmung zu unserem Änderungsantrag gebilligt haben. Für die Zustimmung zu diesem Änderungsantrag bin ich sehr dankbar. Die eingestellten Mittel werden es ermöglichen, dass die Polizei auf kommende Herausforderungen gut vorbereitet sein wird.
Vielen Dank.
12. Sitzung des Sächsischen Landtags, 30. April 2015, TOP 1