Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Prioritätenantrag der Fraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD: „Nachhaltige aufgabenorientierte Personalplanung und Organisationsstrukturen bei der sächsischen Polizei gewährleisten, Fachkommissionsberichtswesen dauerhaft etablieren“.
17. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 05.11.2020, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,
vor mehr als 10 Jahren startete der damalige Innenminister Markus Ulbig einen Prozess, der sich „Polizei.Sachsen.2020“ nannte. Dieser hatte zum Ziel, die sächsische Polizei „vor dem Hintergrund zurückgehender Personalressourcen einer umfassenden Aufgaben- und Organisationskritik zu unterziehen“.
„Im Ergebnis soll sich die Polizei stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, polizeifremde Aufgaben abbauen und zudem die bestehende Polizeiorganisation weiter straffen.“, so hieß es damals aus dem Innenministerium.
Heute – knapp 10 Jahre später – ist das Feinkonzept nicht mehr ohne weiteres im Internet zu finden. Das hat sicherlich einen Grund, denn das vermeintliche Konzept war nichts weiter als der papiergewordene Kahlschlag bei der Polizei und sah den Abbau von 2.200 Stellen und die Zusammenlegung und Schließung von Polizeistandorten in Größenordnung vor. Nach und nach verschwanden viele 24-Stunden-besetzte Reviere von der sächsischen Landkarte und nicht wenige Polizistinnen und Polizisten beendeten ihr Dienstverhältnis, ohne eine Nachfolgerin oder Nachfolger einarbeiten zu können.
Im März 2016 war das Konzept „Polizei.Sachsen.2020“ – zumindest was den Stellenabbau anging – Geschichte. Die damalige Staatsregierung beschloss die Schaffung von zusätzlich 1.000 Stellen und die Aussetzung des geplanten Stellenabbaus. Empfohlen wurde dies von der Fachkommission zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen, die ihren Abschlussbericht Ende 2015 vorgelegt hat.
Zwei Jahr später – im März 2018 – wurde beschlossen, dass dieser Bericht der Fachkommission fortgeschrieben wird, ein weiterer Arbeitsbericht bis Ende 2019 vorzulegen sei und „weitere Personalbedarfe auf Grund der veränderten polizeilichen Lage zu bewerten, der Gesamtstellenstand zu aktualisieren und organisatorische Anpassungsbedarfe zu erheben seien“.
Pünktlich im Dezember letzten Jahres lag der Bericht vor. Er enthielt eine Überraschung: Die Kommission legte nicht eine Zielzahl für Stellen vor, die zur Aufgabenerfüllung erforderlich seien, sondern drei:
12.522 Haushaltsstellen seien erforderlich, wenn man das Konzept der vorherigen Fachkommission einfach fortschreibe und sich bei der Stellenermittlung an bundesweit vergleichbaren Kennzahlen orientiere – das wären fast 1.000 Stellen weniger als der aktuelle Personalbestand.
Die zweite Zahl, 13.190 Stellen (also immer noch 300 Stellen weniger zum aktuellen Stand), ergab sich aus einer Orientierung am Mittelwert der Aufklärungsquote und Verkehrsunfallbelastung.
Der dritten Zahl, 14.917 Stellen, lag die Zielvorstellung zugrunde, man wolle Sachsen zu einem der sichersten Bundesländer machen.
Die Kommission stellte also eine Spannbreite von 12.552 bis 14.917 Stellen in den Raum und gab der Politik die Möglichkeit in diesem Rahmen ein Entscheidung über die Stellenausstattung der Polizei in Sachsen zu treffen.
Ich erwähnte bereits bei der gestrigen Debatte zur Landtagsbeteiligung, wie wichtig es für uns Abgeordnete sei, eine gute Entscheidung zu treffen und dass es dafür auch fundierte Informationen braucht. Ein solcher Fachkommissionsbericht versetzt uns in die Lage, eine fundierte Entscheidung zu treffen, ohne auf eine konkrete Vorfestlegung festgelegt zu sein. Und da die Entscheidungen von Zeit zu Zeit neu zu treffen sind – etwa weil sich die Politik grundlegend anders entscheidet, wie die Entwicklung der letzten 10 Jahre zeigt, oder bei den Haushaltsverhandlungen, ist Ziel dieses Antrags, die Fachkommission als dauerhafte Einrichtung zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen zu etablieren.
Zum Schluss möchte ich noch einen Ausblick auf die Personalsituation im Freistaat Sachsen im Öffentlichen Dienst generell geben. Denn denn die Probleme des radikalen Stellenabbaus zeigen sich ja auch in anderen Bereichen der Verwaltung deutlich.
Wir brauchen deshalb nicht nur bei der Polizei, sondern im gesamten Öffentlichen Dienst endlich ein integriertes laufbahn- und ressortübergreifendes Personalkonzept, dass sich an den Erhebungen, Erkenntnissen, Ergebnissen und Berichten einer ständigen Personalkommission orientiert. Dies haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart und das sollten wir mit Blick auf die hohen Altersabgänge in den nächsten Jahren und dem Wettbewerb um die besten Köpfe im Freistaat Sachsen schleunigst auf dem Weg bringen. Bis ein solches Personalkonzept vorliegt, sind drei Punkte bereits für den nächsten Doppelhaushalt zwingend:
• die noch aus dem Doppelhaushalt 2011/2012 stammenden Stellenabbauziele, die sich aktuell durch kw-Vermerke in den Haushaltsplänen wiederfinden, müssen korrigiert und die kw-Vermerke gestrichen werden
• der Personalpool Demografie muss aufgestockt werden
• der Wissenstransfer ist durch temporäre Stellendoppelbesetzungen, die Nutzung von Stellenresten und die Flexibilisierung zur Steuerung des Personalkörpers zu ermöglichen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die aktuelle Krise zeigt einmal mehr, wie wichtig ein personell gut aufgestellter Öffentlicher Dienst ist – in Gesundheitsämtern, in der Leistungsverwaltung, in Krankenhäusern, Schulen oder Kitas Personal und eben auch bei der Polizei zu sparen, kann sich bitter rächen. Wir müssen daher auch in Sachsen endlich auf eine gute und nachhaltige Personalplanung setzen – dazu gehört ein beständiges und langfristiges Monitoring, dass die Politik und Verwaltung in die Lage versetzt, fundierte Entscheidungen für eine langfristige Personalplanung zu treffen, wie wir es jetzt bei der Polizei verstetigen.