Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion AfD: „Demokratie und Freiheit verteidigen – postdemokratische Zustände verhindern“
86. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 21.03.2024, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die AfD ist in Sorge um unsere Demokratie – eine ironische Brechung eigener Art. Und doch die Möglichkeit für eine kleine Theoriestunde in Sachen freiheitliche Republik, die ich mir natürlich auf keinen Fall entgehen lassen möchte.
Denn während die AfD faktenfrei über Postdemokratie doziert, ohne offenkundig jemals Collin Crouch gelesen zu haben, teile ich die Sorge des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes um. Andreas Voßkuhle führte im vergangenen Jahr aus:
„Es kann durchaus sein, dass sich unsere westliche Demokratie nur als eine kurze Phase in der Geschichte der Menschheit erweist, ähnlich wie die attische Demokratie, und danach wieder die dunkle Zeit des Totalitarismus zurückkehrt.“
Der Grund für diese Sorge ist, dass unsere freiheitliche Demokratie so stark bedroht wird wie noch nie. Durch Verfassungsfeinde, durch diejenigen, die die großartige Idee der freiheitlichen Republik stürzen wollen – kurzum: durch die AfD.
Es ist die Aufgabe, das zu verhindern!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
erneut tut die AfD so, als wäre unsere freiheitliche Demokratie ein luftleerer Raum, eine bloße Hülle staatlicher Willensorganisation. Das ist sie aber nicht. Die freiheitliche Demokratie konstituiert eine Werteordnung, die in dem Satz des großen Verfassungsvaters Carlo Schmid zum Ausdruck kommt:
„Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben.“
Weder unser Grundgesetz noch die Sächsische Verfassung sind bloße Verfahrensvorschriften. Sie sind auch nicht neutral und unpolitisch. Sie sind nur nicht parteipolitisch. Aber sie sind eine Grundsatzentscheidung ihrer Mütter und Väter. Dafür, die Würde des Menschen zum Maßstab aller staatlichen Entscheidungen zu machen.
Und das macht die Begriffe von Freiheit und Demokratie, wie sie von der AfD hier so lapidar verwendet werden, zu anspruchsvollen. Denn unsere Demokratie ist keine bloße Mehrheitsentscheidung. Es geht ihr nicht um die Herrschaft eines ominösen Volkswillens, der mittlerweile selbst von CDU-Landräten bemüht wird, in entgrenzter Souveränität über die Rechte Einzelner verfügen kann. Deswegen findet sie Grenzen beispielsweise in den Grundrechten. Keine Mehrheit, und sei sie noch so groß, kann durch ein Gesetz Grundrechte unverhältnismäßig einschränken.
Ich habe Ihnen die Hälfte des Carlo Schmidt Zitats vorenthalten und möchte es jetzt ergänzen:
„Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie missbrauchen wollen, um sie aufzuheben.“
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
es braucht Mut, sich den Feinden der Demokratie entgegenzustellen. Selbst wenn sie im Gewand der Urdemokraten daherkommen.
Es braucht jenen Mut, den wir die letzten Wochen auf den Straßen gesehen haben. Diese gesellschaftliche Mitte, die sich dort zusammengefunden hat, war nicht von einer homogenen politischen Richtung dominiert. Es fanden sich Konservative und Linke, Alte und Junge, es gab Versammlungen in der Stadt und auf dem Land. Der Ursprungsgedanke der res publica, der Republik, die sich gegen ihre Feinde erhebt, war selten so greifbar wie in diesen Wochen.
Ich bin froh über jede Person, die sich den Verfassungsfeinden in den Weg stellt, die ihnen widerspricht und sich gegen sie einsetzt. Das ist keine Cancel Culture, das ist gelebte Staatsbürgerlichkeit.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
Gleichgültigkeit hat einen hohen Preis – gerade in Zeiten, in denen Rechtsextreme den Diskurs dominieren wollen. Deswegen brauchen wir die Zivilgesellschaft und deswegen ist es wichtig, dass diese Zivilgesellschaft staatliche Unterstützung erfährt.
Und deswegen braucht es einen Staat, dessen Beamt*innen den Mut haben, die Instrumente der wehrhaften Demokratie in die Hand zu nehmen, wenn seine Fundamente bedroht sind.
Das ist keine Bedrohung der Freiheit, das ist die Bewahrung der Freiheit. Denn die Freiheit, die unser Grundgesetz garantiert, meint die individuelle Freiheit, so leben zu können, wie man es will.
Deswegen stellen wir uns als BÜNDNISGRÜNE entschieden all jenen entgegen, die sich daran machen, die großartigen Errungenschaften unserer Verfassungsordnung zu beseitigen.
Ich schließe mit einem Appell eines großartigen Europäers und ehemaligen Luxemburger Außenministers, Jean Asselborn, der am Sonntag bei den Dresdner Reden klar in Richtung Deutschland sagte: „Ihr müsst die AfD zusammenfalten“. Recht hat er!