Bodycams/Kontrollquittungen – Eine transparente, demokratische Polizei ist ein wesentlicher Pfeiler unser aller Freiheit

Foto: Grünes Büro Dresden

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zur Änderung des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes“ (Drs 7/16247) 

89. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 12.06.2024, TOP 22

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir BÜNDNISGRÜNEN sind vor nunmehr fast fünf Jahren auch in diese Koalition eingetreten, um die Innenpolitik im Freistaat zu verändern. Mit dem Ziel, die Sicherheit aller Menschen in Sachsen besser zu schützen und zugleich die Bürger- und Freiheitsrechte in diesem Land zu stärken.

Und mit Blick auf die Tagesordnung des Plenums kann ich nicht ohne Stolz sagen, dass uns das gelungen ist. Der voraussichtlich letzte innenpolitische Gesetzentwurf diese Legislaturperiode fügt sich in dieses Versprechen nahtlos ein.

Deswegen erlauben Sie mir eine kleine Rückschau. Kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode wurde ein neues Polizeigesetz verabschiedet, das die Sicherheitsbehörde mit umfangreichen Befugnissen ausstattete und ein krasses Missverhältnis von immer mehr Befugnissen für die Polizei und zugleich kaum wirksamen Schutzmaßnahmen für die Bürgerrechte mit sich brachte.

Daraus entstand für uns BÜNDNISGRÜNE Handlungsbedarf. Der realisierte sich zum einen in einem Normenkontrollantrag gegen das reformierte Polizeigesetz. Im Januar 2024, rund vier Jahre, nachdem das Verfahren eingeleitet wurde, entschied auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof im Sinne der Bürgerrechte. Er erkannte vor allem Grundrechtseingriffe weit im Vorfeld von Straftaten für verfassungswidrig.

Die Umsetzung dieser Judikatur wird eine zwingende Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode sein, weil sie in dieser nicht mehr zu schaffen gewesen wäre und zudem noch in Kürze ein paar Entscheidungen im Sicherheitsrecht in Karlsruhe erwartet werden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
für eine moderne Polizei braucht es mehr als bloß ein verfassungsmäßiges Polizeirecht.

Ein Wesenskern einer freiheitlichen Verfassung ist das staatliche Gewaltmonopol. Es ist eine Einigung darauf, auf die individuelle Durchsetzung eigener Rechte oder von „Recht und Ordnung“ ganz allgemein zu verzichten und diese staatlichen Institutionen anzuvertrauen. Das garantiert Rechtssicherheit und damit die Bewahrung des gesellschaftlichen Friedens. Und nur dadurch wird ein freiheitliches Zusammenleben gewährleistet – dass wir nicht des „Anderen Wolf“ sind.

Diese Tatsache klingt banal, ist aber tatsächlich in ihrer Verwirklichung höchst anspruchsvoll. Denn die Akzeptanz des Gewaltmonopols verlangt absolutes Vertrauen in die Sicherheitsbehörden. Deswegen wiegt polizeiliches Fehlverhalten auch in der Wahrnehmung schwerer als das einzelner Bürger*innen. Denn gerade Polizeibedienstete sind die Gesichter des Gewaltmonopols und ihr Handeln muss über jeden rechtsstaatlichen Zweifel erhaben sein.

Deswegen haben wir BÜNDNISGRÜNE uns in der siebten Legislatur auf den Weg gemacht, die Polizei peu à peu an entscheidenden Punkten zu reformieren. Dazu gehört ein Gesetz zur Neuordnung der Organisation von Studium, Ausbildung und Fortbildung der Sächsischen Polizei ebenso wie die eingeführte Kennzeichnungspflicht für Bedienstete in geschlossenen Einheiten oder die Einführung von Kontrollquittungen und Vorgaben zum Einsatz der BodyCam, die wir heute beraten.

Dabei ist es mir wichtig herauszuheben, dass diese Änderungen nichts mit einem Generalverdacht gegen die vielen Polizistinnen und Polizisten zu tun hat, die täglich im Dienst für unseren Rechtsstaat einstehen. Ganz im Gegenteil.

Umso besser einzelne Handlungen und Maßnahmen überprüfbar sind, umso eher kann eine Gruppe sich pauschalierter Vorwürfe erwehren.

Schon im Bericht der Kommission zur Überprüfung der Ausbildung an der Hochschule der Sächsischen Polizei, den der damaligen Innenminister Professor Wöller 2019 vorgestellt hat, wurde auf einen umfassenden Reformbedarf verwiesen. Dieser betraf auch die Fehlerkultur.

Mit der nun einzuführenden Pflicht, die Bodycam zukünftig zur Aufzeichnung polizeilicher Zwangsmaßnahmen zu nutzen, kommen wir nicht nur dem Gedanken der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung näher, die aus diesen Gründen die Bodycam forderten.

Wir stärken ganz generell die Möglichkeit der Kontrolle polizeilicher Maßnahmen und stärken eine moderne Fehlerkultur. Gemeinsam mit der bereits eingeführten Kennzeichnungspflicht, ist dies ein Meilenstein für die Bürgerechte in Sachsen.

Gleiches gilt für die Rechtsgrundlage für die sogenannte Kontrollquittungen. Polizeileiche Kontrollmaßnahmen sind stets ein nicht unerheblicher Grundrechtseingriff, auch ihre Dokumentation ist daher essentiell für den Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger.

Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kontrollen durch die Betroffenen nicht auf eine konkrete nachvollziehbare tatsächliche Situation zurückzuführen sind – sie also nicht erkennen können, warum sie kontrolliert werden.

Und genau deswegen müssen wir hier Möglichkeiten für etwaige Betroffene schaffen, das im Nachhinein überprüfen zu lassen. Denn alle Menschen müssen das staatliche Gewaltmonopol respektieren. Das bedeutet aber auch, dass alle seinen Exponent*innen vertrauen können müssen. Unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Aufenthaltsstatus, Religion oder sexueller Identität.

Sehr geehrte Damen und Herren,
doch vor allem sind all diese Änderungen eine Stärkung der Transparenz und der Rechte der Bürger*innen. Denn um ihrer Freiheit und Sicherheit Willen ist der Staat da und damit auch die Polizei.

Noch viel zu häufig ist mutmaßliches Fehlverhalten bei der Polizei nur schwer belegbar, da sich widersprechende Schilderungen der Situation gegenüberstehen und es keine weiteren Nachweise gibt. Mit diesem Gesetzesentwurf stärken wir die Überprüfungsmöglichkeiten der Betroffenen und damit letztendlich auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei und gleichzeitig in alle Institutionen, die zur Bewahrung unseres freiheitlichen Zusammenlebens unverzichtbar sind.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
viel wird derzeit von der Polizei im Freistaat erwartet. Nach der Absicherung des Kommunal- und Europawahlkampfes kommt nun die EM. Und daran schließt ein Landtagswahlkampf an. Der sicherlich ebenfalls Ressourcen binden wird. Und doch auch zeigt, wie wesentlich die Polizei ist, um die Bedingungen eines demokratischen Wettkampfes zu schaffen und zu sichern.

Eine transparente, demokratische Polizei ist ein wesentlicher Pfeiler unser aller Freiheit.

Deswegen möchte ich den Bediensteten zum Abschluss dieser letzten innenpolitischen Rede in dieser Legislaturperiode ausdrücklich für den Dienst an unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung danken!

Viele Dank.