Aktuelle Debatte Sonderbericht Rechnungshof: Es braucht eine sachliche und seriöse Aufarbeitung der Verfehlungen

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion AfD: „Was nun, Frau Köpping? Aufarbeitung der Korruptionsaffäre im Sozialministerium!“
80. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 13.12.2023, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

seit vergangener Woche liegt der Prüfbericht dem Landtag vor – das war auch überfällig, denn die halbe politisch-mediale Landschaft in Sachen redete bis dato über etwas, was man de jure nicht kannte. So hat sich eine vollkommene Entkopplung von der Sachebene und der Empörungsebene eingestellt, die in der heutigen Sudel-Suada der AfD mündet.

Dass es überhaupt nicht um irgendeinen Fakt geht, belegt alleine der Umstand, dass Sie für morgen eine Sondersitzung des HFA beantragt haben, um über den Umgang mit dem Rechnungshofbericht zu diskutieren, heute aber schon in niederträchtiger Manier die Ergebnisse vorwegtäuschen wollen.

Für uns BÜNDNISGRÜNE ist klar: Es braucht eine sachliche und seriöse Aufarbeitung der Verfehlungen, die durch den Rechnungshof festgestellt wurden. DAS ist unsere Aufgabe als Parlament. Das sind wir auch den Trägern schuldig, die einen so wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten und gerade erleben, dass versucht wird, sie durch unseriöse und anstandslose Anklagen mit in den Dreck zu ziehen. Das werden wir nicht zulassen. Eine starke Zivilgesellschaft braucht unser Unterstützung und unser Vertrauen in ihre Arbeit.

Deshalb kommen wir zu den Fakten. Fakt ist schon jetzt: Im Sozialministerium sind schwere Fehler gemacht worden. Der Rechnungshof hat das Verwaltungshandeln bei der Vergabe von Fördermitteln in der Richtlinie Integrative Maßnahmen geprüft. Es ging darum, ob konkrete Förderziele benannt, ob Bedarfsanalysen und fachliche Konzeptionen erfolgt sind und ob geeignete und transparente Auswahlverfahren stattgefunden haben. Der Rechnungshof hat zum Teil grobe Mängel festgestellt und die Ministerin hat das bereits anerkannt.

Das Ministerium hat bereits in den vergangenen Wochen auf den Prüfbericht reagiert: Personell und strukturell. Es hat bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, um dem Verdacht korruptionsgefährdeter Strukturen angemessen zu begegnen – und nicht zuletzt haben die schweren Fehler auch zur Entlassung eines Staatssekretärs geführt. Es hat jemand die politische Verantwortung übernommen.

So sehr ich an dieser Stelle dem Rechnungshof dankbar bin für seine Arbeit, so sehr möchte ich – anknüpfend an meine Rede von vor einigen Wochen – an einem Punkt meine große Sorge äußern, dass der Rechnungshof mit seiner über Seiten ausgebreiteten Ausführung zur politischen Neutralität und zur Verflechtung von politischen Raum und der Zivilgesellschaft weit über das Ziel und über seine Zuständigkeit hinausschießt und damit der Debatte der Antidemokraten den Boden bereitet.

Zwei Punkte hierzu: Die in den Randnummer 605 und 606 aufgestellten Behauptungen beziehen sich auf eine Judikatur, die sich der Parteienfinanzierung und der Stiftungsfinanzierung widmen – einem hochsensiblen Bereich, der mit der hiesigen Materie nichts zu tun hat. Oder will der Rechnungshof tatsächlich nebulös illegale Parteienfinanzierung unterstellen? Da bin ich auf die weitere Diskussion gespannt.

Viele elementarer ist aber die in Radnummer 598 dargetane Unterstellung, aus der Parteimitgliedschaft einzelner Vereinsvorstände erwachse der Zweifel an der Neutralität und Unabhängigkeit. Dieser implizite Vorwurf, dass eine Parteimitgliedschaft etwas ist, dem automatisch das Odium des Ruchbaren anhaftet, wiederspricht kolossal der Grundüberlegung des Grundgesetzes. Ich empfehle an dieser Stelle mal einen Blick in Artikel 21.

Ich kann vor dieser den Grundgedanken des Grundgesetzes entstellenden Verkürzung nur warnen: Es wäre ein erheblicher Schaden für die Demokratie, wenn demnächst engagierte Menschen in den Vorständen der Sportverbände, der Sozialverbände und auch des Volkshochschulverbandes als etwas Belastendes gebrandmarkt würden, statt als Ausdruck einer starken Demokratie.

Eine solche Entwicklung darf es nicht geben.

Alles Weitere werden wir gemeinsam in einem geordneten parlamentarischen Aufarbeitungsprozess miteinander ausdiskutieren und nicht in einer billig-polemischen Debatte.

Vielen Dank!