– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich habe eine Hoffnung: Nämlich, dass Sachsen nicht das letzte Bundesland sein wird, was sich zu einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete durchringen kann und damit mal wieder seinem Ruf gerecht wird. Bereits jetzt gehört Sachsen zur Minderheit von Bundesländern, die eine Kennzeichnung noch nicht eingeführt oder geplant haben. Man rühmt sich doch sonst so gerne seiner Vorreiterrolle. Ich habe die Hoffnung, dass Sachsen sich auf dem Weg macht, hin zu einer modernen und transparenten Polizei.
Wir GRÜNEN fordern mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs die Kennzeichnungspflicht für sächsische Polizeibedienstete. Unser Vorschlag sieht vor, dass die Bediensteten im Regelfall ein Schild mit ihrem Vor- und Nachnamen an ihrer Uniform tragen. Es gibt auch eine Vielzahl von Ausnahmen – dazu aber später.
Warum wir GRÜNEN die Notwendigkeit für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht sehen, haben wir auch in diesem hohen Hause schon vorgetragen. Die Notwendigkeit einer Kennzeichnung sehe ich aus einer tiefen liberalen Rechtsstaatsauffassung. Der Staat ist für die Menschen da und ein Gebilde der Menschen und entsprechend hat er gegenüber den Menschen auch zuordenbar und transparent aufzutreten. Dies trifft vor allem für Träger des staatlichen Gewaltmonopols zu, bei denen es nicht dazu kommen darf, dass ihre bloße Nichtidentifzierbarkeit Ermittlungen und Strafverfahren ins Leere laufen lässt.
Es entspricht unserem Verständnis von moderner Polizei und transparentem staatlichen Handeln, wenn Polizeibedienstete Bürgerinnen und Bürgern offen gegenübertreten.
Viele Polizeibedienstete in Sachsen tragen bereits heute ganz selbstverständlich ein Namensschild oder stellen sich namentlich vor. Im gesamten anglo-amerikanischen Ausland ist die Kennzeichnung von Polizeibediensteten seit vielen Jahren üblich. Ein nicht identifizierbarer Polizist ist dort unvorstellbar. In vielen unserer Nachbarländern, etwa in Belgien, Frankreich, Italien, Polen und Tschechien gilt eine Kennzeichnungspflicht. Selbst im chinesischen Hongkong tragen Polizisten Kennzeichen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch in anderen – in dieser Frage moderneren – deutschen Bundesländern das Tragen eines Namens- oder Nummernschildes mittlerweile eingeführt und üblich geworden ist. So tragen Polizeibedienstete in Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein individualisierbare Kennzeichen. Ebenso in Brandenburg, wo die Polizeikennzeichnung mit einer Gesetzesinitiative der CDU umgesetzt wurde. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen werden Polizeikennzeichnungen in den nächsten Monaten eingeführt werden. In Hessen tragen die Polizeibediensteten mittlerweile eine fünfstellige Nummer. Innenminister Peter Beuth (CDU) hat die notwendige Anschaffung verbesserter Schutzkleidung praktischerweise gleich mit der Einführung der Kennzeichnung verbunden.
Seine Begründung, meine sehr geehrten Damen und Herren, war so einfach, wie überzeugend. Ich zitiere: „Wir wollen denen, die friedlich protestieren wollen, einen Vertrauensvorschuss einräumen, damit sie sich von denen entsolidarisieren, die Gewalt suchen.“ Spätestens das dürfte doch Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, von der Union auch in Sachsen überzeugen.
Nachdem wir den Gesetzentwurf vor zwei Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt haben, hat die Leipziger Volkszeitung freundlicherweise eine Online-Umfrage gestartet. Das Ergebnis hat mich, auch wenn online-Umfragen keinen Anspruch auf Repräsentativität haben, positiv überrascht: von 555 Personen, die sich an dieser Umfrage beteiligt haben, waren 335 für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete in Sachsen, 113 Personen haben sich dagegen ausgesprochen. 60 Prozent Zustimmung für einen Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion finde ich bemerkenswert.
Wir haben offenbar einen Nerv getroffen. Viele Menschen auf der Straße machen Erfahrungen mit einer Polizei, die ihnen gerade in Großeinsatzlagen anonym gegenübertritt. Dabei ist es der Polizei in Sachsen eigentlich schon heute nicht erlaubt, anonym aufzutreten. Bereits jetzt muss sich die Polizei gegenüber einem Betroffenen ausweisen, wenn sie polizeiliche Maßnahmen vornimmt. Dies ist Ausfluss der Rechtsstaatlichkeit, in der es die anonyme Staatsmacht nicht geben darf.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, machen Sie doch mal den Test und fragen Sie den nächsten Beamten, der Sie etwa bei einer Verkehrskontrolle anhält, nach seinem Dienstausweis. Sie werden erstaunliche Antworten bekommen: Von der Nachfrage „Wieso wollen sie den sehen?“ Über die Auskunft in Unkenntnis der Rechtslage „Nein, den zeige ich ihnen nicht.“ bis zu verwunderlichen Aussagen, wie „Den hab ich nicht dabei.“ wird das Spektrum der Antworten reichen. Den Ausweis sehen werden Sie möglicherweise in einem von fünf Fällen. Ich selbst habe im Zusammenhang mit Demonstrationsgeschehen noch nie einen gesehen und ich habe häufig nachgefragt. Auch die Tatsache, dass sächsische Polizeibedienstete offensichtlich noch nicht einmal ihrer bereits jetzt bestehenden Ausweispflicht nachkommen, spricht für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht – denn sie stellt die Identifizierbarkeit nicht mehr ins Belieben des einzelnen Beamten.
Sehr gehrte Damen und Herren, ich weiß, dass in den kommenden Aussprachen zu diesem Gesetzentwurf wieder die Tiraden kommen werden und das bekannte Lied gesungen wird, wir würden die Polizistinnen und Polizisten gefährden und wollten sie an den Pranger stellen. Bitte nehmen insbesondere Sie, werte Kollegen von der CDU, zur Kenntnis, dass gerade die Nichtkennzeichnung der Polizei und dass dem Bürger Gegenübertreten als uniformierte unidentifizierbare Masse derzeit mitunter die gesamte Polizei beim Fehlverhalten eines Beamten unter Generalverdacht stellt. Die Polizei müsste doch ein Interesse daran haben, dass schwarze Schafe in ihren eigenen Reihen schnell identifiziert werden.
Sie betonen ja immer, dass die Polizeibediensteten die Berufsgruppe mit den höchsten Anerkennungswerten in der Bevölkerung sei. Dies kann sich mit der Einführung einer Kennzeichnungspflicht eigentlich nur verbessern, denn viele der in diesen Statistiken befragten haben glücklicherweise in ihrem Leben noch nie Erfahrungen mit der Polizei gemacht.
Lassen Sie mich zum Schluss ausführen, dass wir mit unserem Gesetzentwurf auch eine ausgewogene Regelung zum Schutz der Polizeibediensteten vorschlagen. Bei Großeinsatzlagen wird das Nummernschild durch eine individuell zuordenbare Nummer bzw. Nummern/Buchstabenfolge ersetzt, sie sollen wechselbar sein. Auch kann außerhalb von geschlossenen Einsätzen das Namensschild durch eine Nummer ersetzt werden, wenn im Einzelfall erhebliche Nachteile durch das Führen des Namensschildes zu befürchten sind. Bei Gefahr für Leib und Leben kann im Ernstfall sogar ganz auf eine Kennzeichnung verzichtet werden. Wir haben mit diesem Gesetzentwurf so ziemlich alle Bedenken der letzten Jahre aufgenommen. Wir bringen hier einen Gesetzentwurf ein, der weit über die Schutzstandards vieler Länder hinaus geht. Auch über jenen, den die CDU in Brandenburg mitgetragen hat.
Sie sehen, wir haben uns über den Schutz der Polizei ebenso Gedanken gemacht wie über die Kennzeichnung. Mit diesem Gesetzentwurf schaffen wir eine gute Balance zwischen Transparenz und Fürsorge. Unser Gesetzentwurf ist kein Hexenwerk, sondern ein notwendiger Schritt hin zu mehr Rechtstaatlichkeit.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
15. Sitzung des Sächsischen Landtags, 11. Juni 2015, TOP 4, 1. Lesung