Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zur Einführung eines integrierten Bachelorgrades in der juristischen Ausbildung sowie zur Regelung von Datenübermittlungsbefugnissen der berufsständischen Versorgungswerke bei Auskunftsverlangen öffentlicher Stellen“ (Drs 7/14952)
80. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 13.12.2023, TOP 9
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen,
die Koalitionsfraktionen im Sächsischen Landtag haben vor gut drei Wochen diesen Gesetzentwurf eingereicht, der unter anderem die Einführung eines integrierten Bachelorgrades in der juristischen Ausbildung vorsieht.
Der Gesetzentwurf greift damit in bemerkenswerter Schnelligkeit sich immer mehr verdichtende Forderungen nach Anpassungen von Juristinnen und Juristen auf. Warum das für den Freistaat Sachsen von hoher Bedeutung ist, führe ich sogleich aus.
Zunächst zu den eher technischen Änderungen: Der Gesetzentwurf sieht in den weiteren Artikeln vor, dass Datenübermittlungsbefugnisse der berufsständischen Versorgungswerke bei Auskunftsverlangen öffentlicher Stellen in den Sächsischen Gesetzen für Steuerberatung, Rechtsanwaltsversorgung und Architekten geschaffen werden.
Mit dem Gerichtsvollzieherschutzgesetz des Bundes wurden in der Zivilprozessordnung und anderen Gesetzen die Befugnisse der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsbehörden und Insolvenzgerichte, Drittauskünfte zu erheben, erweitert. Diese Erweiterungen umfassen allerdings ausschließlich das Recht auf Datenabruf. Nach der sogenannten Doppeltür-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zwischen dem Datenabruf seitens der auskunftssuchenden Stelle und der Datenübermittlung seitens der auskunftserteilenden Stelle zu unterscheiden, die jeweils einer eigenen Rechtsgrundlage bedürfen. Die korrespondierenden Antwortbefugnisse der auf landesrechtlicher Grundlage errichteten berufsständischen Versorgungswerke müssen daher landesrechtlich geregelt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
aber zurück zur Juristenausbildung im Freistaat Sachen: Versetzen wir uns in die Situation eines jungen Menschen, der sich für das Studium der Rechtswissenschaft in Sachsen entscheidet. An der Universität Leipzig immatrikuliert er oder sie sich. Dann befasst er oder sie sich zum Beispiel mit dem Musterstudienplan der Juristenfakultät Leipzig für BAföG-Empfänger*innen und Studierende, die den sogennante Freiversuch wahrnehmen wollen. Sämtliche Prüfungsleistungen der staatlichen und universitären Prüfung müssen – so steht dort – bis zum Ende der Regelstudienzeit von zehn Fachsemestern vorliegen.
Das Jurastudium ist trotz aller Reformbemühungen langwierig. Es erstreckt sich in der Regel auf mindestens vier Jahre mit Vorlesungen, Übungen und Seminaren, dann meist ein Jahr Vorbereitung auf das 1. Staatsexamen, den universitären Abschluss mit der Konzentration auf das Erste Juristische Staatsexamen. In nüchternen Juristendeutsch steht in § 23 Absatz 1 der Sächsischen Juristenausbildungs- und -prüfungsordnung (SächsJAPO), dass allein in der schriftlichen Prüfung an sechs Tagen je eine Prüfungsarbeit zu fertigen ist, deren Arbeitszeit fünf Stunden beträgt.
Anders als in anderen Studiengängen, in denen das Abschichten von Stoff durch Zwischenprüfungen möglich ist, baut das Jura-Studium konstant in den Kernfächern des Öffentlichen, Straf- und Zivilrecht Wissen auf, das dann innerhalb von zwei Wochen in Form von Klausuren und sogenannten Fallbearbeitungen abgerufen werden muss. Eine nicht erhebliche psychische Belastung für Studierende.
Das Scheitern im Studium oder Staatsexamen, der Abbruch des Studiums vor dem Ablegen der Ersten Juristischen Prüfung kann dabei vielfältige Gründe haben, auf die es hier gar nicht ankommen soll. Trotz disziplinierten Lernens kann es aber sein, man fällt durch den sogenannten Freiversuch, dann hat man noch den regulären und einen Wiederholungsversuch. Schafft man diese beiden nicht, hat man zwar unzählige Hausarbeiten, Klausuren, Zwischenprüfung bestanden, aber trotzdem nur ein Abitur und Seepferdchen.
Stattdessen anerkennen wir mit dem integrierten Bachelor diese universitären Leistungen jeder einzelnen und jedes einzelnen Studierenden. Es ist kein „Rettungskissen“, auf das man weich fällt, sondern ein verdienter und hart erarbeiteter Abschluss, zumal der Weg zum Richteramt gemäß § 5 Absatz 1 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG), mangels Staatsexamens versperrt ist.
Voraussetzung für diesen Bachelorgrad ist der Nachweis aller Zulassungsvoraussetzungen zum Ersten Staatsexamen und das Bestehen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung. Auf Antrag wird der Bachelor von der Universität Leipzig dann ab 2025 verliehen. Wir kennen das i.Ü. aus der Verleihung des Diploms für Juristinnen und Juristen. Die Einzelheiten zum Anspruch und zur Verleihung werden in einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung geregelt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
warum ist es so wichtig, diesen Schritt jetzt zu gehen? Weil wir sonst als Freistaat Standortnachteile erleiden. Der integrierte Bachelor gehört zu einer attraktiven Jura-Ausbildung.
Denn erlangtes Wissen und eingesetzte Ressourcen sind mit dem Bachelor nicht verloren. Als Bacherlor-Juristin und -Jurist eröffnet sich zudem ein anderer, spannender und europäischer Arbeitsmarkt, denn mit dem Bachelorgrad sind Abschlüsse in der EU vergleichbar. Bachelor- Jurist*innen arbeiten in der Wirtschaft oder Behörden, in Personalabteilungen. Mit einem Master vertiefen sie ihre Ausbildung in viele Richtungen.
Und der Bachelor schafft ein Stück Gerechtigkeit. Bei vergleichbaren Leistungen, die bis zur Erlangung erbracht wurden, wäre ihnen in fast jedem anderen Studium bereits ein solcher Abschluss verliehen worden.
Wir stärken so die Juristenausbildung im Freistaat Sachsen kontinuierlich, in einer Zeit, wo wir absehbar auf jede Bewerberin und jeden Bewerber angewiesen sind.
Vielen Dank!