Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Gesetzesentwurf der Fraktion GRÜNE:
„Gesetz zur Einführung einer Karenzzeit für Mitglieder der Staatsregierung“, Drs 6/16866, 3. Juli TOP 16
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
schaut man sich verschiedene Studien (Bertelsmannstudie 2019, polis 2016) zum Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands in die Politik an, muss man leider feststellen, dass es darum nicht besonders gut bestellt ist. Während fast 100 Prozent der Befragten der Feuerwehr großes Vertrauen entgegenbringt, sind es bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern noch über 60 Prozent. Den Akteuren der Landespolitik bringen nur noch etwas über 40 Prozent großes Vertrauen entgegen. Weit abgeschlagen sind die der Europapolitiker*innen mit unter 28 Prozent. Nur Versicherungsvertretern wird noch weniger vertraut.
Die konkrete Kritik an der Politik bleibt recht diffus, macht sich aber an fehlender Transparenz bei den politischen Entscheidungsprozessen fest. Aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger fehlten zum Beispiel ausreichende Informationen über das politische Geschehen. Das Berufsbild der Politikerinnen und Politiker selbst wird dabei regelmäßig scharf kritisiert. Sie würden nicht langfristig, sondern nur von Wahl zu Wahl denken und sich durch ihre Stellung persönliche Vorteile verschaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so etwas über sich zu lesen, ist äußerst unangenehm. Es entspricht ja nicht im geringsten unserer Eigenwahrnehmung und auch schlicht nicht der Wahrheit. Natürlich sind unsere Motive, Politik zu machen, sehr unterschiedlich. Bei dem einen ist es die Leidenschaft für die Debatte und das Ringen um Kompromisse, bei der anderen ist es ein tiefer Gerechtigkeitssinn. Viele von uns eint aber auch der Wille zur Gestaltung unseres Zusammenlebens, der Einsatz für eine gerechte, wirtschaftlich starke, sichere oder ökologische Welt – oder alles zusammen.
Den Menschen außerhalb dieses „Raumschiffs Landtag“ zu vermitteln, dass wir nicht um unserer selbst Willen hier sitzen und entscheiden, sondern für unsere Gesellschaft, ist unsere Aufgabe. Wir GRÜNEN haben in dieser (und auch schon in der letzten) Legislatur ganz unterschiedliche Vorschläge unterbreitet, wie wir mehr Transparenz in die Politik, in die Arbeit des Landtags, der Staatsregierung und der Verwaltung bringen können, damit das Vertrauen gestärkt werden kann. Neben dem Transparenzgesetz, dass zum Ziel hatte, staatliche Informationen frei zugänglich zu machen, unterbreiten wir Ihnen mit dem Gesetzentwurf zur Einführung einer Karenzzeit heute einen weiteren Vorschlag.
Denn nichts untergräbt das Vertrauen in die Politik stärker als ein Minister oder eine Ministerin, die kurz nach dem Ausscheiden aus dem Amt in einen lukrativen Job in der Wirtschaft wechseln. Der Verdacht, dass sie das tun, weil ihre vorherige Regierungstätigkeit in einem direkten Zusammenhang mit ihrer neuen Tätigkeit steht, ist nicht selten unbegründet, lässt sich zumindest aber leicht unterstellen.
Gerhard Schröder und Gazprom, Roland Pofalla und die Deutsche Bahn, Dirk Niebel und der Rüstungskonzern Rheinmetall, Roland Koch und Billfinger und Berger – all dies sind Verbindungen mit dem bitteren Beigeschmack des Seitenwechsels zum eigenen Vorteil, des Anscheins der Amtsausübung zu Gunsten späterer Arbeitgeber.
Wenn es uns als Politikerinnen und Politikern nicht gelingt, selbst diesen Anschein durch verantwortungsvolles Handeln zu beseitigen, muss es aus unserer Sicht eine gesetzliche Regelung geben.
Mit der vorgeschlagenen Änderung des Ministergesetzes wollen wir GRÜNE eine Karenzzeit von 36 Monaten nach dem Ausscheiden als Mitglied der Staatsregierung und als Staatssekretärin oder Staatssekretär einführen. In dieser Zeit ist der Staatsregierung anzuzeigen, dass eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienst aufgenommen wird. Diese Tätigkeit kann untersagt werden, wenn dadurch öffentliche Interessen beeinträchtigt werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die angestrebte Beschäftigung in Bereichen ausgeübt werden soll, in denen das ehemalige Mitglied der Staatsregierung während der Amtszeit tätig war oder wenn das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Staatsregierung beeinträchtigt werden kann. Eine Transparenz der Entscheidung ist auch in einem solchen Prozess von großer Bedeutung. Die Entscheidung über ein Ja oder ein Nein zur neuen Betätigung fällt die Staatsregierung nicht allein. Sie wird dabei von einem unabhängigen Gremium beraten, dass eine Empfehlung ausspricht. Diese Empfehlung und die Entscheidung der Staatsregierung werden veröffentlich. Da uns durchaus bewusst ist, dass damit unter Umständen in die Berufsfreiheit eingegriffen wird, haben wir für die Karenzzeit die Fortzahlung des Übergangsgelds geregelt, wenn eine Beschäftigung untersagt wird.
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir hatten ja leider nur einen Sachverständigen in der Anhörung zu diesem Gesetz, der aber für Transparency International mit der Überzeugung von drei Sachverständigen auftrat. Dr. Jäckle lobte den Gesetzentwurf als Beitrag zur Verbesserung der politischen Kultur im Freistaat. Deshalb wunderte mich auch die Vehemenz und Argumentation des Kollegen Modschiedlers im Ausschuss, mit der der Gesetzentwurf abgelehnt wurde. Aus eben den eingangs genannten Motiven für ein Engagement in der Politik vermindert dieser Gesetzentwurf meines Erachtens nicht im Geringsten die Attraktivität eines Minister- oder Staatssekretärsposten. Ich denke eine Blitzumfrage unter den Mitgliedern der Staatsregierung würde das bestätigen.
Auch ein Fachkräftemangel wird mit unserem Gesetzentwurf nicht weiter befeuert. Ich bin mir sicher, dass sich für jede Ministerin und jeden Staatssekretär eine Anschlussverwendung findet. Wenn wir bedenken, dass für alle Beamtinnen und Beamten die aus dem Staatsdienst gehen, fünf Jahre lang jede Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung anzuzeigen ist und die auch untersagt werden kann, wird deutlich, dass Fachkräftemangel kein Argument ist. Am weitesten hergeholt, aber als Reflex konservativer Politik sehr vertraut, war mir die Sorge, dass mit dem Gesetz Misstrauen in Politikerinnen und Politiker verbunden sei.
Ich möchte es nochmal deutlich sagen, KEINE Regelung zur Karenzzeit schürt das Misstrauen, nicht umgekehrt.
Geben wir den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen die Chance, wieder Vertrauen in die Politik zu entwickeln. Lassen Sie uns Politik und politische Entscheidungen transparent machen, stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu.