Konsultationsmechanismus – Lippmann: Entscheidender als die bloße Vereinbarung ist, wie der neue Mechanismus gelebt wird

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD zum sogenannten Konsultationsmechanismus (Drs 8/1516)

7. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 12.02.2025, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

manche historische Dimension offenbart sich erst beim Blick zurück: Vor 21 Jahren hätten große Teile der Mitglieder dieses hohen Hauses das Wort Minderheitsregierung nicht einmal buchstabieren können, geschweige denn hätten sie eine Vorstellung davon gehabt, was das praktisch sein soll. Regierte die CDU dieses Land doch noch mit alleiniger Mehrheit.

Drei Zweier-Koalitionen und eine Dreier-Koalition später soll dieses Land seit Dezember in deutschlandweit einmaliger experimenteller Anwendung einer einst als Sakrileg geltender Regierungsform geführt werden: In einer gewollten Minderheitsregierung ohne jedwede feste Tolerierung.

Das bedeutet eine viel stärkere Einbindung der Oppositionsparteien als wir sie zuvor gekannt haben. Für diese Zusammenarbeit braucht es vor allem einen verlässlichen rechtlichen Rahmen.

Damit nun ausgerechnet die nun als wenig kompromissfreudig bekannte sächsische CDU dieses parlamentarische Hochreck bewältigen kann, wurde das sächsische Konsultations- und Informationsverfahren in den vergangenen Monaten kreiert, welches heute die Billigung durch den Landtag erfahren und erster Schritt hin zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit einer regierenden Minderheitskonstellation und zugleich guten Oppositionsarbeit sein soll.

Bei aller verhaltenen Freude: Dass zumindest ein Teil des Verfahrens klar ist, sollte uns allen in aller Demut klar sein. Minderheitskoalitionen bilden im deutschen parlamentarischen System aus gutem Grund eine Ausnahme.

Während andere romantisierend von der Renaissance des Parlamentarismus sprechen, die uns ganz neue Möglichkeiten in der parlamentarischen Zusammenarbeit ermöglicht, darf nicht vergessen werden, dass diese Konstellationen extrem anspruchsvoll sind und nur allzu oft scheitern.

Ob die Zusammenarbeit in Sachsen bestand hat, werden die kommenden Monate zeigen.

Damit es gelingt, braucht es jene Vertrauensebene unter den demokratischen Fraktionen, um offen beraten zu können, die man in den vergangenen Monaten in der politischen Auseinandersetzung oft vermisst hat. Denn wichtiger als geduldiges Papier werden zugewandte Verhandlungspartner auf Augenhöhe sein.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
in den Beratungen zur Gestaltung dieses Mechanismus war uns BÜNDNISGRÜNEN besonders wichtig, dass Verfahren so transparent wie möglich zu gestalten. So muss nun klar gekennzeichnet werden, welche Inhalte aus den Stellungnahmen der Fraktionen und Fraktionslosen zu den Referentenentwürfen in die Gesetzesentwürfe übernommen werden.

Denn bei all der Suche nach Mehrheiten ist für uns BÜNDNISGRÜNE klar: Das Konsultationsverfahren darf kein Mechanismus dafür sein, dass Verfassungsfeinde durch die Hintertür mitregieren.

Wie wenig der AfD an ernsthafter parlamentarischer Arbeit gelegen ist, zeigt sich übrigens schon allein daran, dass sie die Beratungen zum Konsultationsmechanismus lieber wieder als eine Bühne nutzt, um das allseits bekannte, aber gleichbleibend groteske Schauspiel aufzuführen.

Da nützt auch faktenfreies Geraune von vermeintlich verfassungsrechtlichen Bedenken nicht, um diesem Anschein entgegenzuwirken.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Konsultationsmechanismus als eine Art umfassendes Anhörungsverfahren gibt der Minderheitsregierung nun die Möglichkeit, zu erkennen, ob für ihre Gesetzesvorhaben überhaupt eine demokratische Mehrheit im Parlament in Aussicht ist.

Die Konsultations- und Informationsvereinbarung regelt somit eine Einbahnstraße der Gesetzgebung. Aber genauso wenig wie eine Einbahnstraße ein taugliches Verkehrsnetz bildet, reicht dieser Konsultationsmechanismus zum Regieren.

Was er aber nicht regelt, ist, wie mit Gesetzen anderer Fraktionen oder mit Änderungsanträgen umgegangen wird. Genau das ist der springende Punkt für die kommenden Monate. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe wird nur funktionieren, wenn insbesondere die CDU erkennt, dass erst recht in einer derartigen Minderheitslage nicht Wahrheit aus Mehrheit wird, sondern Mehrheit aus Wahrheit entsteht.

Das gilt auch für das nicht geregelte Haushaltsverfahren. Es wurde explizit in diesem Antrag ausgeklammert, obwohl diesem Parlament ein enges Zeitkorsett auferlegt wurde, was die Beratungen und Verabschiedung des Doppelhaushaltes angeht.

In Zeiten, in denen eine Finanzierungslücke von mehreren Milliarden existiert, durch die jetzt schon empfindliche Kürzungen in verschiedensten Bereichen stattfinden, ausgerechnet hier agiert die Minderheitsregierung mit einem gefährlichen Anschein von Planlosigkeit.

Für uns BÜNDNISGRÜNE steht fest: In dieser Situation müssen sich alle aufeinander zubewegen und gemeinsam an einer Lösung arbeiten.

Was mit uns aber nicht machbar sein wird, ist eine blinde Kürzungswut, welche sich in harten Sparmaßnahmen ausdrückt.

Lassen Sie mich zum Schluss konstatieren: Der hier vorliegende Antrag zur Sächsischen Konsultations- und Informationsvereinbarung bildet die erste Säule für eine erfolgreiche Zusammenarbeit, weshalb wir dem Antrag heute zustimmen werden.

Entscheidender ist aber, wie dieser Mechanismus gelebt wird – daran wird zu messen sein, wie ernst es mit einer neuen politischen Kultur ist, die so gerne derzeit beschworen wird.

Vielen Dank.