Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: „Gesetz zur Verkürzung der Ladenöffnungszeiten und zur Verbesserung des Schutzes der Beschäftigten im Einzelhandel (Sächsisches Beschäftigtenschutzgesetz für den Einzelhandel)“ (Drs 7/11340)
80. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 13.12.2023, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
beim Thema Ladenöffnungszeiten haben wir immer einen Interessensausgleich zwischen den Unternehmen, den Kundinnen und Kunden und den Beschäftigten vorzunehmen. Dabei muss klar sein: Die Beschäftigten dürfen in der Schlange nicht ganz hinten stehen.
Für uns BÜNDNISGRÜNE ist der Vorschlag einer Verkürzung der regulären Ladenöffnungszeiten durchaus nachvollziehbar. Der Schutz der Beschäftigten vor zu hohen Belastungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben für uns einen hohen Stellenwert.
Ich habe es hier schon mehrfach gesagt: Im Einzelhandel sind es ganz überwiegend Frauen, die den enormen Belastungen ausgesetzt sind. Im Lebensmittelverkauf in Sachsen arbeiten um die 90 Prozent Frauen, auch das sollte bei der Debatte beachtet werden. Die Folgen tragen nämlich längst nicht alle Beschäftigten gleichermaßen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am Thema Öffnungszeiten kommen die Unternehmen ohnehin kaum vorbei. Unter den Bedingungen des Personalmangels müssen sie sich schon überlegen, wie sie die Arbeitsbedingungen attraktiv oder wenigstens akzeptabel gestalten. Es macht für viele Arbeitnehmenden einen Unterschied, ob noch jemand wach ist oder nicht, wenn sie abends nach Hause kommen.
Für uns BÜNDNISGRÜNE wäre ein früherer Ladenschluss auch deshalb denkbar, weil damit der kleinere, meist inhabergeführte Einzelhandel gestärkt würde. Die großen Lebensmittelketten können die späten Öffnungszeiten leichter realisieren. Die restlichen Geschäfte haben es schwerer, dafür überhaupt Personal zu finden. Für sie rechnen sich die zusätzlichen Kosten auch noch weniger. Daraus entsteht ein klarer Wettbewerbsnachteil. Ein weiteres wichtiges Argument ist für uns selbstverständlich auch ein geringerer Energieverbrauch.
Wenn wir auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden schauen, dürfte ein Ladenschluss um 20 Uhr aber eher Akzeptanz finden als eine spätere Öffnung am Morgen. Die Linksfraktion will erst ab 8 Uhr aufmachen. Das wird in keinem anderen Bundesland so gehandhabt. Ich meine: aus gutem Grund.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
was wir BÜNDNISGRÜNE klar ablehnen, sind Forderungen in die entgegengesetzte Richtung. Erst im November hat der Sächsische Landkreistag die Abschaffung der Ladenschlusszeiten gefordert. Schon klar, es ging wohl auch um eine Anti-Bürokratie-Attitüde. Als sei jedwede Regulierung schlecht und könne Unternehmerinnen und Unternehmer nur lähmen.
Da muss man sich dann schon verwundert die Augen reiben. Wie passt denn diese Forderung zu den Herausforderungen der Gegenwart? Wo viele Geschäfte schon die Öffnungszeiten reduziert haben oder sogar anfangen, Ruhetage einzulegen.
Der Handelsverband hat dann prompt auf die Folgen hingewiesen: steigende Kosten und ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Vom Personalmangel ganz zu schweigen. Bei schlechteren Arbeitsbedingungen sucht das Personal doch erst recht das Weite.
Die Forderung geht also vollkommen an der Realität vorbei und interessiert sich null für die Situation der Beschäftigten. Dafür habe ich kein Verständnis!
Wir BÜNDNISGRÜNE stellen uns klar gegen eine gesetzliche Ausdehnung der Öffnungszeiten. Wir wollen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erreichen.
Vor drei Jahren haben wir als Koalition die langen Öffnungszeiten an Silvester abgeschafft. Das ermöglicht den Beschäftigten und ihren Angehörigen seither einen gemeinsamen und ruhigen Jahresausklang.
Ein berechtigtes Anliegen ist für uns auch die im vorliegenden Gesetzentwurf aufgenommene Freistellung ab 18 Uhr für Beschäftige, die Angehörige pflegen oder minderjährige Kinder haben. Ebenso ist der Vorschlag nachvollziehbar, dass Beschäftigte an mindestens zwei Wochenenden pro Monat nicht arbeiten müssen. Allerdings möchte ich an dieser Stelle mal wieder bei einem Gesetzentwurf der Linksfraktion betonen, dass ein Blick ins Grundgesetz hier dem Vorhaben Grenzen setzt. Derartige Regelungen sind Arbeitsrecht und in der Form nicht Zuständigkeit der Länder.
Was wir im Entwurf der Linksfraktion ablehnen, ist jedoch die Ausweitung der Dokumentationspflichten und die daraus entstehenden Kontrollaufgaben auf Seite der Händlerinnen und Händler.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
im Ladenöffnungsgesetz besteht für einige Regelungen weiterhin Reformbedarf. Die aktuelle Rechtslage stellt jedoch einen gefundenen gesellschaftlichen Kompromiss dar. Den wollen wir jetzt nicht aufschnüren, vor allem nicht nur punktuell, wie im vorliegenden Entwurf. Wir lehnen den Gesetzentwurf daher ab.
Vielen Dank!