Zu dem in der Plattform Netzpolitik.org veröffentlichten Entwurf des Staatsvertrags über die Errichtung eines gemeinsamen Telekommunikationsüberwachungszentrums von fünf Bundesländern mit Standort in Sachsen erklärt Valentin Lippmann, Sprecher für Datenschutz der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag: „Alle Welt kennt die Pläne der Staatsregierung, nur die Abgeordneten des Sächsischen Landtags werden vom zuständigen Innenminister Markus Ulbig (CDU) nicht informiert. Das ist eine unglaubliche Missachtung des Parlaments. Ich habe bereits bei den Haushaltsverhandlungen im vergangenen Jahr und zuletzt im Rahmen eines parlamentarischen Antrags um konkrete Informationen insbesondere zum Inhalt des Entwurfs und den Gesamtkosten gebeten. Diese Informationen werden mir bis heute verweigert.“
„Mit der Veröffentlichung der Unterlagen durch Netzpolitik.org erhalte ich erstmals Kenntnis von der geplanten Gesamtstruktur des Projekts und den Gesamtkosten. Die sind mit insgesamt über 15,5 Millionen Euro für die ersten beiden Geschäftsjahre nicht unerheblich. Auf Sachsen entfallen davon 4,2 Millionen Euro. Ich fordere den Innenminister nochmals auf, dem Landtag endlich alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ein entsprechender Antrag der GRÜNEN-Fraktion liegt dazu vor.“
Aus den veröffentlichten Unterlagen ist ersichtlich, dass es durchaus erhebliche datenschutzrechtliche Defizite gibt. Zwar sollen die Länder Herr der auf der jeweiligen landesgesetzlichen Grundlage erhobenen Daten bleiben. Der Grundsatz wird an anderer Stelle des Entwurfs jedoch wieder aufgeweicht. So darf die zu errichtende Anstalt Befugnisse und Zuständigkeiten auf Behörden im Freistaat Sachsen übertragen (Paragraf 9 des Entwurfs) oder sich Dritter bedienen (Paragraf 4).
„Wie das sächsische Innenministerium die Rechtsaufsicht über die Anstalt führen soll, ohne kontrollieren zu können, ob die Datenverarbeitungsregelungen der anderen Bundesländer eingehalten wurden, bleibt unklar. Nicht zuletzt soll ein Großteil der erforderlichen Regelungen nicht im Staatsvertrag selbst, sondern in einem Verwaltungsabkommen, der Benutzerordnung, der Geschäftsordnung bzw. der Satzung der Anstalt geregelt werden. Insbesondere hinsichtlich der Beauftragung Dritter ist diese Vorgehensweise rechtswidrig. Ich bekräftige daher nochmals meine Forderung, dieses Projekt ad acta zu legen.“
Artikel von Netzpolitik.org mit Veröffentlichung des Entwurfs des Staatsvertrags