Unsere freiheitliche Demokratie braucht die überzeugtesten Demokrat*innen in den staatlichen Institutionen

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zur Stärkung der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst und zur weiteren Änderung dienstrechtlicher Vorschriften“ (Drs 7/13905)

85. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 20.03.2024, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich habe es in diesem hohen Hause schon oft gesagt und ich werde nicht müde, es zu wiederholen: Wir dulden keine Verfassungsfeinde im Staatsdienst. Die Zeit des Wegschauens, des Ignorierens oder des Kleinredens ist vorbei. Der Kampf nach Innen hat begonnen und wir werden ihn gemeinsam mit dem Innen- und dem Justizministerium entschiedener den je führen.

Denn unsere freiheitliche Ordnung wird von Innen heraus bedroht. Bedroht durch diejenigen, die sie nicht anerkennen und sich ihr aktiv entgegenstellen. Und es ist die Aufgabe des Staates, hier nicht zuzusehen, sondern Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Bedrohung etwas entgegenzusetzen. Unsere wehrhafte Demokratie darf kein Nachwächterstaat sein, gerade wenn es um Verfassungsfeinde in den eigenen Reihen geht.

Es macht einen Rechtsstaat aus, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt. Und mit dem Gewaltmonopol einher gehen teilweise empfindliche Eingriffe in besonders sensible Grundrechte. Von der körperlichen Unversehrtheit über die Versammlungsfreiheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung. Deswegen ist es umso wichtiger, dass jene, die diese Staatsgewalt ausüben, über jeden Zweifel erhaben sind. Dass niemand befürchten muss, aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Religion, seines gesellschaftlichen Status oder seiner Sexualität anders behandelt zu werden als andere.

Die Akzeptanz des Gewaltmonopols basiert ganz wesentlich darauf, dass Betroffene grundsätzlich Vertrauen in die Institutionen des Staates und damit vor allem in seine Gesichter – die Beamtinnen und Beamten – hat. Das gilt vor allem in Bereichen, in denen Menschen dem Staat besonders ausgesetzt sind. Beispielsweise in Gefängnissen oder in Abschiebegewahrsam. Aber auch in denjenigen Bereichen, in denen normalerweise kein vorläufiger Rechtsschutz möglich ist – bei Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes.

Deswegen setzen wir hier nun an und wollen vor der Einstellung von Bewerber*innen eine Abfrage über Erkenntnisse an das Landesamt für Verfassungsschutz verpflichtend machen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
unsere freiheitliche Demokratie braucht die überzeugtesten Demokratinnen und Demokraten in den staatlichen Institutionen. Wir gehen mit diesem Gesetz den Weg, zumindest frühzeitiger und klarer zu erkennen, wenn Verfassungsfeinde in den Staatsdienst streben.

Bei dieser Regelung handelt es sich weder um einen Radikalenerlass 2.0 noch um einen Pauschalverdacht gegen alle Bediensteten dieser Gruppen. Denn es geht nicht um den Schutz des Staates, sondern um den Schutz der konstituierenden Werteordnung des Grundgesetzes. Die freiheitliche demokratische Grundordnung ist schon lange kein Kampfbegriff mehr, sie ist der Kern dessen, was es zu verteidigen gilt – gegen die Angriffe von Antidemokraten und Republikfeinden, denen die großartige Idee des Grundgesetzes ein Dorn im Auge ist.

Deshalb beinhaltet dieses Gesetz auch klare Regelungen und Schranken für den Umgang mit den Informationen des Verfassungsschutzes bei der Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern. Denn auch Verfassungsfeinde können in dem Verfassungsstaat, den sie bekämpfen, darauf zählen, dass ihnen die Segnungen des Rechtsstaates zuteilwerden.

So begründet allein die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Partei nicht pauschal den Verdacht, der zur Nichteinstellung führt. Vielmehr müssen die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, falls welche vorliegen, eigenständig von der Einstellungsbehörde bewertet werden. Ausschlaggebend ist demnach das individuelle Verhalten und keine bloße Zugehörigkeit. Wir wollen aber verhindern, dass sehenden Auges Verfassungsfeinde eingestellt werden, obwohl über sie bereits Erkenntnisse vorliegen.

Ich möchte – gewissermaßen als Kronzeugen – den des blinden Eingriffs-Etatismus wahrlich unverdächtigen Sachverständigen Prof. Dr. Clemens Arzt zitieren. Er selbst rekurrierte zur Begründung seiner Skepsis hinsichtlich der Abfrage auf den Radikalenerlass. Und stellte dann fest, dass man angesichts der Gefahr für Demokratie und Menschenrechte durch den Rechtsextremismus hierzu neu diskutieren müsse.

Das zeigt: Wir gehen den richtigen Weg und wir werden nicht locker lassen, wenn es darum geht, Verfassungsfeinde aus dem Staatsdienst zu entfernen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
nicht nur Vorsorge, auch effektive Aufklärung schützt das Vertrauen der Bürger*innen in den Rechtsstaat. Deswegen bin ich sehr stolz, dass wir mit dem Gesetzesentwurf auch ein BÜNDNISGRÜNES Kernanliegen beschließen werden: Die Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen in geschlossenen Einheiten. Ein Anliegen, für das viele Menschen in diesem Land und auch wir BÜNDNISGRÜNE jahrelang gestritten haben.

Eine kleine Plakette auf der Uniform ist ein großer Schritt für die Transparenz der Polizeiarbeit in Sachsen. Und sie dient nicht nur der Durchsetzung der Rechte der Bürger*innen: Auch Polizist*innen können dadurch pauschalen Vorwürfen und Generalverdächtigungen entgehen. Denn wenn im Nachhinein eindeutig identifizierbar ist, welcher Bediensteter sich falsch verhalten hat, entlastet das die anderen Mitglieder der Einheit.

Dies ist deshalb auch ein großer Tag für die Bürgerrechte in Sachsen – und ich bin sehr glücklich, dass wir als Koalition die Kennzeichnungspflicht auf den Weg bringen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
zugleich stärken wir mit diesem Gesetzentwurf auch diejenigen, die für unsere Sicherheit eintreten. Die Beamt*innen des Polizeivollzugsdienstes haben bereits jetzt Anspruch auf Freie Heilfürsorge. Dies soll zukünftig auch auf Beamt*innen im Justizvollzug und im Abschiebegewahrsam erweitert werden, weil auch diese ähnlichen Risiken und Belastungen ausgesetzt sind. Wir als Freistaat wissen, dass wir viel von ihnen verlangen – und wir wollen mit dieser Änderung Anerkennung für die Arbeit der Beamt*innen zollen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
unsere freiheitliche Ordnung ist kein statisches Konstrukt. Sie verändert sich, wie sich die Gesellschaft auch verändert. Und doch kennt sie unumstößliche Prinzipien. Um diese zu bestärken, hat die wehrhafte Demokratie bei den Demonstrationen die letzten Wochen ihr Gesicht gezeigt. Mit diesem Gesetzentwurf zeigt sie ihre Zähne.

Denn die Bewahrung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist nicht allein Aufgabe der Zivilgesellschaft. Sie ist auch Aufgabe des Staates, der seine Bürger*innen vor Verfassungsfeind*innen bestmöglich schützt. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf richtig und wichtig und zugleich erst der Anfang.

Vielen Dank!