Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Dringlichen Antrag der Abgeordneten der Fraktion AfD: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 54 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen zu den Ergebnissen eines Sonderprüfberichts des Rechnungshofes zur Förderung von Integrationsmaßnahmen (Drs 7/15623)
82. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch 31.01.2024, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
zum dritten Mal binnen weniger Monate diskutiert der Landtag über die Förderpraxis im Bereich der Integrativen Maßnahmen im Sächsischen Sozialministerium. Nach offenbar langem Nachdenken will die AfD nun zu einem der mächtigsten Instrumente greifen, das dem Parlament zusteht und hierzu einen Untersuchungsausschuss einsetzen.
Zu den Inhalten der Auseinandersetzung um die Förderpraxis in einer Zeit, in der es darum ging, möglichst zügig und unbürokratisch zu helfen, als Menschen in größter Not zu uns kamen, würde ich am liebsten auf meine bisherigen Reden hier im hohen Hause verweisen.
Aber da das Erinnerungsvermögen einiger Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der Antragsteller, bekanntlich recht gering ist, nur noch einmal ein kurzer Zeitraffer:
Das Ministerium hat erhebliche Fehler bei der Vergabe der Mittel eingeräumt, Maßnahmen für die Zukunft getroffen und sogar personelle Konsequenzen gezogen. Der vorliegende Bericht des Rechnungshofes, der auch heute wieder den Kronzeugen der Anklage gibt, enthält dazu wichtige Befunde, aber eben auch einige Äußerungen und Feststellungen, die nach meinem Dafürhalten die Kompetenz des Rechnungshofes weit überschreiten. Anhaltspunkte für einen angeblichen Fördersumpf, wie im Einsetzungsauftrag bewusst pejorativ vorweggenommen, gibt es nicht.
Dennoch scheint sich die AfD ihre ganz eigene Wahrnehmung der Welt zu bauen und sich in der nächsten Verschwörungstheorie zu verlieren, bis selbst sie nicht mehr durchsieht, was nun eigentlich das Problem sein soll.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gehört zu den wichtigsten Rechten und zugleich schärfsten Schwertern der parlamentarischen Minderheit. Die Nutzung geht aber auch mit Verantwortung einher, das betone ich an dieser Stelle ausdrücklich. Denn weder die Art und Weise der Einsetzung noch der Einsetzungsauftrag lassen den Schluss zu, dass man sich dieser Verantwortung als AfD bewusst ist. Vielmehr scheint mir, dass mit diesem Untersuchungsausschuss der Landtag zu einer erneuten Bühne für eine groteske Laienschauspielaufführung im Stile von Gerichtsshows zweifelhafter Provenienz werden soll.
Denn nun will ausgerechnet jene Ansammlung von Hobby-Miss-Marples, die schon beim bisherigen Untersuchungsausschuss zur vermeintlichen Listenkürzungsaffäre außer Spesen nichts verursacht hat, binnen maximal acht Monaten einen vermeintlichen Sumpf ausforschen. Hoffentlich verlaufen Sie sich da nicht und bleiben im Morast ihrer eigenen verbalen Ausfälle stecken.
Dabei treten Sie mit wirklich auch noch fast derselben Laienschauspieltruppe auf, wie im bisherigen Komödiantenstadel – das zeigt erneut, wie wenig ernst Sie dieses Parlament nehmen.
Meine Damen und Herren,
sollte der Untersuchungsausschuss eingesetzt werden, weil Sie es irgendwie doch noch schaffen, einen verfassungskonformen Auftrag vorzulegen, freuen wir uns sicherlich schon alle auf die Fortsetzung der beliebten Reihe „Norbert-Meyer auf der Suche nach der Frage“. Hier bleibt schon jetzt die Erkenntnis: Manche deutsche Serienproduktion sollte man lieber schon nach einer Staffel absetzen.
Auf die Fortsetzung der Reihe „Ulbrich-befragt-sich-selbst“ müssen wir nun allerdings verzichten. Dass Sie bis gestern dann ausgerechnet nun einen – selbst aus Ihrer Sicht nunmehr Rechtsextremen – zum Vorsitzenden machen wollten, spottet jedweder Beschreibung und bestätigt: Die Realität ist manchmal die größte Satire, die es gibt. Wahrscheinlich erspart uns jetzt ein zeitlicher Zufall zumindest, dass der Vorsitzende auf der Suche nach dem Recht nicht nur das Staatsbürgerschaftsrecht der Nazis kredenzt, sondern gleich noch Frank und Freisler bemüht.
Meine Damen und Herren,
die AfD hat diese Legislaturperiode mit einer Verschwörungserzählung begonnen – und will sie mit einer neuen Verschwörungserzählung beenden. Diesen Untersuchungsausschuss, der nur immense Kosten verursachen wird und absehbar kaum Erkenntnisse zu Tage fördern kann, braucht es aus unserer Sicht nicht.
Dennoch wird Ihnen dieses Minderheitenrecht niemand verwehren, solange der Untersuchungsauftrag nicht verfassungswidrig ist. Denn es ist nicht Aufgabe der Mehrheit, die Minderheit vor sich selbst zu schützen.
An der Verfassungskonformität dieses Einsetzungsauftrages gab und gibt es aber erhebliche Zweifel, die auch die Landtagsverwaltung umfassend zu Papier gebracht hat. Auch für uns BÜNDNISGRÜNE ist der Einsetzungsantrag zum gegenwärtigen Stand keineswegs über verfassungsrechtliche Zweifel erhaben.
Im Gegenteil: Sie versuchen – selbst mit ihren Änderungen –mit diesem Untersuchungsausschuss tief in das Innerste der Grundrechte von Privaten zu schnüffeln. Diejenigen, die sonst immer den Schnüffelstaat wittern, offenbaren, dass Sie die wahren Spitzel sind. Aber genau vor diesem Vorhaben stehen erhebliche verfassungsrechtliche Mauern, die es dafür zu überwinden gelte.
Private sind dem Landtag weder rechtlich noch politisch verantwortlich. Eine Untersuchung rein privater Sachverhalte ist mit elementaren Prinzipien des Rechtsstaates unvereinbar. Soweit also versucht wird – wie in Ziffer 4 – ins Blaue hinein die finanziellen Verhältnisse geförderter Träger auszuforschen, verlässt dieser Untersuchungsauftrag nicht nur den Boden des Anstandes, sondern auch ganz klar den Rahmen der Verfassung. Das gilt auch für Ihre in diesem Punkt lediglich kosmetischen Änderungen, die erneut zeigt, dass es Ihnen nicht um Aufklärung geht, sondern absehbar nur darum, mit Dreck nach denjenigen zu werfen, die sich für Menschlichkeit und Demokratie engagieren. Das werden nicht nur wir nicht zulassen, denn das lässt auch die Verfassung nicht zu.
Gleichsam versuchen Sie, den Untersuchungsauftrag ins vollkommen unkonturierte zu entgrenzen. Denn durch die Hintertür versuchen sie nicht nur den konkreten Fall der Förderung im Sozialministerium aufzuklären, sondern wollen über ihre neue Ziffer 9 nunmehr vollkommen unbeschränkt die Förderpraxis im Freistaat Sachsen als solches zu untersuchen. Damit verlässt der Untersuchungsauftrag nach unserer Auffassung den notwendigen Bereich von Klarheit und Bestimmtheit des Einsetzungsauftrages. Hier bestehen somit ebenso Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit.
Vor diesem Hintergrund schließt sich auch meine Fraktion der Überweisung des Antrages und der begehrten Änderungen an den Rechtsausschuss zur entsprechenden Stellungnahme an.
Meine Damen und Herren,
den freiheitlichen Rechtsstaat unterscheidet es von Willkürherrschaft, dass er sich nach jederzeit erkennbaren und nachvollziehbaren Regeln vollzieht. Dies bedeutet schlussendlich, dass Sie frei sind, auch in diesem Parlament die nächste Verschwörungstheorie auszubreiten. Aber sie müssen dies im Rahmen der Verfassung tun – daran wollen Sie sich anscheinend nicht halten und deswegen ist eine sorgfältige Prüfung dieses Einsetzungsauftrages dringend nötig.
Vielen Dank.