Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung: „Gesetz zur Änderung des Verwaltungsvollstreckungsrechts und weiterer verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen“ (Drs 7/11328)
80. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 13.12.2023, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen,
wir begrüßen die Novellierung des Sächsischen Verwaltungsvollstreckungs- und Kommunalabgabenrechts im vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung.
Damit wird das Ziel erreicht, diese Verfahren effektiver zu gestalten, den Vollstreckungsbehörden mehr Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung entsprechend der bundesgesetzlichen Vorgaben einzuräumen, Vollstreckungsbedienstete besser zu schützen und durch das Online-Zugangs-Gesetz die Verwaltungszustellung zu modernisieren.
Lassen Sie mich aus kommunal- und innenpolitischer Sicht auf zwei Punkte des Gesetzentwurfs näher eingehen:
Der Gesetzentwurf novelliert zum einen das Sächsische Verwaltungsvollstreckungsgesetz und zum anderen das Sächsische Kommunalabgabengesetz.
Hier geht es um Geld – Geld, das die kommunalen Haushalte rechtmäßig beanspruchen, aber auch Geld, das eine Schuldnerin oder ein Schuldner nicht hat. Fehlt es an der freiwilligen Begleichung öffentlich-rechtlicher Forderungen, wird die Situation prekär: kommunale Haushalte rechnen mit Einnahmen aus Gemeindesteuern, Gebühren und Beiträgen – den sogenannten kommunalen Abgaben –, um ihren kommunalen Aufgaben nachkommen zu können. Privaten Haushalten fehlt dieses Geld, so dass es zwangsweise beigetrieben werden muss. In dieser Situation bedarf es eines rechtstaatlichen Verfahrens, das sowohl staatliche als auch individuelle Interessen und den Grundrechtsschutz des Einzelnen genau in den Blick nimmt.
Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren ist Landesrecht und umfasst die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen ebenso wie die Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen. Die Vollstreckung einer Geldforderung wird durch die Vollstreckungsanordnung der Behörde eingeleitet, die diese Forderung zum Beispiel aus einem Gebührenbescheid, einer Gemeindesteuer oder eines Leistungsbescheids geltend macht. Leistet die Vollstreckungsschuldnerin oder der Vollstreckungsschuldner hierauf noch immer nicht freiwillig, können die Vollstreckungsbehörden Zwangsmittel in Form der Ersatzvornahme, des Zwangsgeldes oder des unmittelbaren Zwangs einsetzen.
Nach dem Sächsischen Kommunalabgabengesetz sind die sächsischen Gemeinden und Landkreise berechtigt, nach diesem Gesetz Abgaben zu erheben. Kommunalabgaben im Sinne dieses Gesetzes sind dabei die Gemeindesteuer, Verwaltungs- und Benutzungsgebühren, Beiträge und abgabenrechtliche Nebenleistungen. Zweifellos „haben diese beiden Gesetze für die tägliche Verwaltungsarbeit der sächsischen Städte, Gemeinden, Zweckverbände und anderen kommunalen Aufgabenträger eine hohe praktische Relevanz“, wie die Sachverständigenanhörung im Innenausschuss am 6. April 2023 deutlich zum Ausdruck brachte.
Mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurden wichtige Punkte aus der Sachverständigenanhörung aufgenommen. Dies gilt insbesondere aus verfassungsrechtlicher Sicht in Hinblick auf die Einhaltung des Sozialstaatsprinzips beim Vollstreckungsschutz.
Die Pfändungsfreigrenzen sind ein wichtiger Bestandteil des Vollstreckungsrechts, um sicherzustellen, dass Schuldnerinnen und Schuldner ein Mindestmaß an Existenzsicherung behalten können. Sie legen fest, welcher Teil des Einkommens oder Vermögens des Schuldenden vor einer Zwangsvollstreckung geschützt ist. Diese Grenzen dienen dazu, sicherzustellen, dass Schuldnerinnen und Schuldnern trotz ihrer finanziellen Schwierigkeiten ein angemessenes Lebensniveau aufrechterhalten und Verpflichtungen wie dem Unterhalt nachkommen können.
Mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurden die Neuregelung zur Vollstreckung wegen Geldforderungen in das schuldnerische Vermögen entsprechend enger gefasst. Die zu weitgehende Befugnis der Vollstreckungsbehörden, nach ihrem Ermessen von der Zivilprozessordnung abweichende pfändungsfreie Beträge festzusetzen und damit im Einzelfall Schuldnerinnen und Schuldnern das Existenzminimum nicht mehr zu belassen, ist verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar.
Eine solche Privilegierung von Behörden oder Privatgläubigern kennt das Vollstreckungsrecht nur bei vorsätzlichen Schädigungen Dritter durch die oder den Vollstreckungsschuldner, die jedoch gerichtlich festgestellt werden müssen. Die aus BÜNDNISGRÜNER Sicht zu weitgehende Befugnis der Vollstreckungsbehörden wurden nunmehr auf Zwangsgelder beschränkt.
Wir haben im parlamentarischen Prozess eine Abwägung zwischen dem Vollstreckungsinteresse und dem Schutzinteresse der Vollstreckungsschuldnerin und des Vollstreckungsschuldners errungen. Weniger schutzbedürftig erscheinen dabei Schuldnerinnen und Schuldner von Zwangsgeldern, die daraus stammen, dass diese Verpflichtungen nicht nachkommen oder bestimmtes gemeinschädliches Verhalten nicht unterlassen.
Eben weil das Zwangsgeld ein Verhalten oder Unterlassen erzwingen soll und zudem jederzeit durch entsprechendes Handeln anwendbar ist, halten wir hier die ursprüngliche Insertion des Gesetzes für tragbar. Darüber hinaus ist das Unterschreiten der Pfändungsgrenzen nicht vertretbar und wurde entsprechend aus dem Gesetz gestrichen.
Wir bitten um Zustimmung, vielen Dank!