Foto: Grüner Landesverband Sachsen

Eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete ist nötiger denn je!

Gestern hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD begonnen die Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete zu kippen. Dass die vermeintliche Bürgerrechtspartei FDP dies mitmacht, zeigt einmal mehr, dass sie diese Bezeichnung nicht mehr verdient hat.
Lange Zeit dachte man, dass die Forderung nach einer – zumindest numerischen – Kennzeichnung von Polizistinnen und Polizisten ein alter Hut sei. Der bürgerrechtliche Rollback in NRW und das vergangene Wochenende in Hamburg belehren uns eines Besseren: Gerade jetzt braucht ein Eintreten für die Kennzeichnungspflicht.
Am Wochenende sind nicht nur Bilder zu verurteilender Gewalt um die Welt gegangen, die durch nichts zu rechtfertigen sind, sondern auch jene von augenscheinlich unverhältnismäßigen Maßnahmen der Polizei. Wenn der Regierende Bürgermeister von Hamburg heute behauptet, es hätte keine Polizeigewalt gegeben, mag das vielleicht an seiner subjektiven Vorstellung liegen, was Polizeigewalt ist. Leugnen kann man aber mit Blick auf die vorliegenden Bilder schwer zu rechtfertigendes Polizeiverhalten wohl kaum.
Der Rechtsstaat und seine Institutionen müssen beides können: Straftaten verhindern und verfolgen und das Versammlungsrecht gewährleisten sowie dabei die Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Mittel wahren. Wer statt einer differenzierten Aufarbeitung auch des polizeilichen Handelns nur eine bedingungslose Solidarisierung mit DER Polizei fordert, hat fundamentale Prinzipien des Rechtstaates nicht verstanden. Weder rechtfertigen massive Gewalttaten gegen die Polizei, dass diese offenbar gegen teils unbeteiligte und friedliche Personen vorgeht, noch kann das Agieren der Polizei in irgendeiner Weise die Anwendung von Gewalt rechtfertigen. Wer das eine mit dem anderen, egal von welcher Seite, verknüpft oder die Abwehrrechte der Bürger*innen gegen Maßnahmen des Staates und seiner Institutionen wegen zu verfolgender Straftaten weniger über Bord wirft, begibt sich sehr schnell auf das politische Niveau des Sandkastens und verramscht Grundprinzipien unserer Rechtsordnung.
Eine der größten Errungenschaften, die mit Rechtstaatlichkeit einhergeht, ist, dass Bürgerinnen und Bürger sich gegen das Gewaltmonopol des Staates zur Wehr setzen können – friedlich, auf dem Wege der Gerichtsbarkeit.
Was hat das alles mit der Kennzeichnungspflicht zu tun? Sehr viel!
Zum einen: Nur wenn man in der Lage ist Straftaten zu verfolgen und die Täterinnen und Täter zur Rechenschaft zu ziehen, wird das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates gestärkt. Dazu muss man aber erst einmal die Tatverdächtigen identifizieren können. Die Polizei hat dazu gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ein fast schon grenzenloses Arsenal von Mitteln zu Verfügung. Die Bürgerinnen und Bürger haben hier deutlich schlechtere Möglichkeiten. Lässt sich der oder die Tatverdächtige nicht identifizieren wird das Verfahren häufig eingestellt und die Aufklärung scheitert. Das kann nicht der Anspruch an moderne Rechtsstaatlichkeit sein. Dem Verdacht auf Straftaten muss auch tatsächlich nachgegangen werden können, auch und gerade bei den Trägern des staatlichen Gewaltmonopols.
Zum anderen: Auch für die Polizistinnen und Polizisten ist eine Kennzeichnungsplicht in schwierigen Situationen wie am Wochenende durchaus hilfreich. Ein Großteil der Polizisten verrichtet ihre Arbeit auch in schwierigen Einsatzsituationen gut. Durch die mangelnde Differenzierbarkeit und die fehlende konkrete Zuortenbarkeit richtet sich die Empörung gegen die Polizei als Institution, nicht gegen einzelne Züge, Gruppen oder Beamten, sondern immer wieder gegen alle. Damit wird allen Polizistinnen und Polizisten, die selbst in Hamburg einen guten Job gemacht haben, ebenso ein Bärendienst erwiesen.
Wir brauchen weiter eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete, zum Schutz der Bürgerrechte aber auch zur Differenzierung von Vorwürfen. Sie ist neben einer guten Ausbildung der Polizei und funktionierender Kontrollmechanismen nur ein Baustein unter vielen für bürgerrechtsorientierte Politik. Wir werden dafür weiter und unermüdlich streiten, auch wenn der Landtag unseren Vorschlag dazu im Frühjahr erst abgelehnt hat.

Valentin Lippmann: Sprecher für Innenpolitik, Datenschutz und Kommunales der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im sächsischen Landtag und Parlamentarischer Geschäftsführer.

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